Herkunftsgeschichten, so genannte Origin Stories, gehören immer zu den spannendsten Abschnitten aus dem Leben von fiktiven Charakteren – wahlweise Superhelden. Auch wenn Marvel Mastermind Stan Lee viele seiner Helden nach ähnlichem Muster gestrickt hat. Matt Murdock alias Daredevil soll dem großen alten Mann des Superheldencomics besonders am Herzen gelegen haben, daher hatte Starautor Frank Miller große Fußstapfen zu füllen, als er 1993 noch einmal zu Daredevil zurückkehrte und mit John Romita Jr. die Miniserie „Daredevil –Der Mann ohne Furcht“ kreierte. Bei Panini Comics ist die Mini-Serie gerade neu aufgelegt worden.
Wie bereits in der Besprechung von „Daredevil: Auferstehung“ erwähnt, hatte Frank Miller („Sin City“) die Marvelserie um den blinden Anwalt 1979 übernommen und über vier äußerste erfolgreiche Jahre geführt, bevor er anderen das Feld überließ. „Auferstehung“ (OT: Born Again) war 1986 eine furiose Rückkehr und die Entstehung eines Comic-Klassikers. Und auch „Der Mann ohne Furcht“ hat das Zeug zum Klassiker. Eigentlich hatte Zeichner John Romita jr. wohl nur eine Graphic Novel im Sinn, als er Miller die Idee einer Neuerzählung von Matt Murdocks Kindheit und Heldenwerdung unterbreitete. Schließlich hatte Miller als Autor das Daredevil-Universum um einige wichtige Charaktere erweitert und damit Maßstäbe gesetzt.
Die Story wurde immer länger und schließlich kam die in sich abgeschlossene Mini-Serie in fünf US-Ausgaben auf dem Markt. Was nachträglich als Vorgeschichte entstand, beim Film spricht man von Prequel, eignet sich für neue Leser als grandioser Einstieg in die Welt von Daredevil Matt Murdock. Alle wesentlichen Elemente von Stan Lees ursprünglicher Geschichte bleiben bei Miller erhalten.
Zugleich ordnet er die Elemente auch etwas anders an, verschiebt den Schwerpunkt der Kindheit ein bisschen weiter ins Psychologische und geht intensiver auf die Freundschaft mit dem Studienkollegen Foggy Nelson ein. Außerdem tauchen auch in „Der Mann ohne Furcht“ schon die faszinierende Elektra und der ebenfalls blinde Lehrer Stick auf, und am Ende, als Matt endlich soweit gereift ist, seine Kräfte in den Dienst der Gerechtigkeit zu stellen, statt nur an Rache zu denken, rückt auch der kahlkopfige Hühne Wilson Fisk ins Bild, der gerade seine eigene kriminelle Karriere ins Rollen bringt. Aber wem erzähle ich das?
Das Artwork von John Romita Jr. unterscheidet sich deutlich von Dave Mazzuchellis, mit dem Frank Miller nicht nur bei „Daredevil: Auferstehung“ zusammenarbeitete. Aber Romita Jr. („Kick Ass“ zusammen mit Mark Millar) hat andere Qualitäten, erzeugt mit Close ups und seinen Actionszenen ziemlich viel Dynamik ohne dabei die den Storyfluss aus dem Auge zu verlieren. Die Tuschezeichnungen und Kolorierung sorgen zeitweise für sehr atmosphärische Panels. Ansonsten kommt Romita und den Künstlern natürlich die eher dialogarme Erzählweise Frank Millers entgegen. Erzählkästchen lassen sich leichter einbauen.
Insgesamt ist „Daredevil: Der Mann ohne Furcht“ nicht ganz so stark wie „Daredevil: Auferstehung“, gehört aber nach wie vor zu den Meilensteinen der Serie. Und, wie schon erwähnt, um sich mit dem großartigen Helden zu beschäftigen, gibt es wenig bessere Ansatzpunkte als diese Neuauflage bei Panini Comics.
Comic-Wertung: (8 / 10)
Daredevil: Der Mann ohne Furcht
OT: Daredevil Man without Fear 1-5, Marvel Comics 1993
Genre: Superhelden, Thriller
Autor: Frank Miller
Zeichner: John Romita Jr.
Farben: Christie Scheele, Al Williamson (Tusche)
Übersetzung: Robert Syska
Verlag: Panini Comics, Softcover, 180 Seiten
VÖ: 20.10.2015