Seit 20 Jahren ist Jürgen Domian aus dem Nachtleben der Republik nicht mehr wegzudenken. Der Night-Talker bietet in seiner gleichnamigen Radio Talk-Show den Einsamen, Problembeladenen und Nachteulen eine Zufluchtsstätte. Die wird im WDR auch im Fernsehen übertragen. Nun hat die Dokumentarfilmerin Birgit Schulz einen Film über den Mann und das Phänomens gedreht.
Thematisch ist „Interview mit dem Tod“ angelehnt an das vor einigen Monaten erschienene gleichnamige Buch des Night-Talkers. Ein fiktives Gespräch mit dem, der noch nie in Domians Sendung angerufen hat. Und doch so häufig präsent ist, dass Domian, ihn, den Tod, als beherrschendes Thema seines Lebens ansieht.
Night-Talker mit Tiefgang
Diese thematische Ausrichtung soll den konzeptionellen Überbau für die Doku bilden. Die Doku kann sich nicht so recht entscheiden, worauf sie denn hinaus will. Da steht eindeutig Jürgen Domian als Person im Mittelpunkt der Doku, erzählt aus seinem Leben und lässt sich auf dem jährlichen Lappland-Trip begleiten. Zugleich aber blickt der Film hinter die Kulissen der Sendung und beobachtet das Team bei der Arbeit. So weit, so stimmig. Denn es bleibt unbestreitbar, dass Domian und sein Team mit ihrer Art von Telefonseelsorge praktische Lebenshilfe leisten. Sie sind vielen Menschen ein Anker in dunklen Phasen. Und wie Jürgen Domian angekündigt hat, ist Ende 2016 auch endgültig Schluss mit der Sendung.
Aber zusätzlich will die Doku auch die Wirkung und den Einfluss der nächtlichen Talk Show aufzeigen, welche schon häufiger Gegenstand von wissenschaftlichen Arbeiten war. In „Interview mit dem Tod“ wird es allerdings nicht akademisch, sondern es menschelt. Dazu werden passionierte Hörer befragt und bei ihren nächtlichen Jobs begleitet. Vor allem aber werden bestimmte Anrufer portraitiert, die in den letzten Jahren zu den unterschiedlichen Themensendungen über den Tod angerufen haben. Tatsächlich ist der Mehrwert dieser Portraits aus filmischer Sicht allerdings begrenzt, ohne einem der Anrufer persönlich zu nahe treten zu wollen. Denn selten geht das Ganze inhaltlich über die jeweiligen Anrufe in der Sendung hinaus. Das ist zwar nicht ohne Reiz, hat aber in seiner Montage und dem grundsätzlichen Umgang mit dem Gespräch im Film so seine Knackpunkte.
Video killed the Radio Star
So wirkt „Domian – Interview mit dem Tod“ auf Filmlänge nicht sonderlich zwingend. Und die Faszination, die Empathie, die Domians Sendung ausmacht, verpufft im Laufe des Film immer mehr. Zudem ist die Doku auch unter dem Titel „Domian – Zwischen Nacht und Tag“ als 45 minütiger TV-Beitrag veröffentlicht worden. Das war auf WDR bereits zeitgleich mit der ersten Kino-Präsentation zu sehen. Das ist zumindest unglücklich gewählt und unterstreicht, was auch die Filmbilder, die selten Leinwandformat erreichen, nahelegen. Das Format kommt eigentlich als Ausweitung des TV-Formats in die Kinos. Im Zusammenhang mit Jürgen Domian als Gast ist das sicher eine interessante Sache.
„Domian – Gespräche mit dem Tod“ ist nur bedingt zu empfehlen und schafft es nur selten eine intensive Verbindung zum Zuschauer herzustellen. Schade eigentlich.
DOMIAN – INTERVIEW MIT DEM TOD
Genre: Doku, Biografie
Länge: 78 Minuten
Regie: Birgit Schulz
Mitwirkende: Jürgen Domian
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Mindjazz Pictures
Kinostart: November 2015