„Still the Water“ erzählt mit großer Leichtigkeit und voller Poesie von schweren Themen des Lebens: Sex und Tod, Verlust und Neuanfang. Die japanische Filmmacherin Naomi Kawase hat zwar bereits etliche preisgekrönte Filme und Dokus gedreht aber das leise und intensive Drama „Still the Water“ ist der erste ihrer Filme der hierzulande regulär in den Kinos läuft. Eine poetische Betrachtung des Lebens, die man sich nicht entgehen lassen sollte.
In „Still the Water“ geht es vordergründig um die (Liebes-)Beziehung zweier sehr unterschiedlicher Teenager. Der schüchterne Junge Kaito (Nijirô Murakami) kommt eigentlich aus Tokyo, muss aber nach der Trennung der Eltern auf der Insel Amani-Oshima leben. Das Meer macht ihm Angst und schwimmen mag er auch nicht. Umso erstaunlicher die Freundschaft mit der aufgeweckten Kyoko (Jun Yoshinaga), die hier aufgewachsen ist und das Meer über alles liebt. Als ein Taifun über die Insel hinwegfegt, wird eine nackte männliche Leiche angespült und sorgt für Gesprächsstoff. Während Kaito mit dem Leben hadert hat auch Kyoko eine schwere Zeit durchzumachen, denn ihre Mutter liegt nach langer Krankheit im Sterben. Trotzdem könnte in Beziehung zu Kaito ruhig etwas mehr passieren, als nur gemeinsam über die Insel zu streifen.
Die Filmmacherin Naomi Kawase nutzt die von Kameramann Yutaka Yamazaki („Still Walking) wunderschön und unaufgeregt gefilmte Romanze auch, um den ewigen Konflikt von Tradition und Moderne in Japan zu thematisieren. Immer wieder geht es um das Verhältnis des Menschen zu Natur und „Still the Water“ (OT: „Futatsume no mado“) macht deutlich, wie sehr der Mensch ein Teil der Schöpfung ist. Das Bemühen um einen Einklang mit der Lebewelt, eine grundsätzliches Gefühl der Geborgenheit durchwogt den ganzen Film, der viel Zen-Buddhismus atmet, aber auch einen gewissen Surfer-Spirit und eine solide Portion naturreligiösen Shintoismus in sich birgt.
Außerdem enthält „Still the Water“ eine der anrührendsten Sterbeszenen seit langem und das drückt keineswegs nur trauernd auf die Tränendrüse, denn Kyotos Eltern versuchen auf ihre lebensbejahende Weise, mit dem bevorstehenden Tod als Teil des Lebens umzugehen. Das allein macht den Film schon so außergewöhnlich. Man mag die demütige Welthaltung, die der Natur als Daseinskraft einen gebührenden Platz einräumt, nicht teilen, aber die Art und Weise wie diese im Kontrast zur technisierten Moderne in Beziehung gesetzt wird und sich auch in der Liebe der beiden Teenager spiegelt ist in sich stimmig und sehr kurzweilig, während man sich schon wieder in den fast lyrischen Naturaufnahmen verliert.
„Still the Water“ ist ein sehr berührender, wunderbar gefilmter und präzise beobachteter Film. „Futatsume no mado“ (so der Originaltitel) ist eine außergewöhnliche Filmerfahrung. Die Mischung aus Coming of Age Story, Teenager-Liebe und dem Konflikt von traditioneller Lebensweise und modernem Leben ist so reichhaltig, nahrhaft und inspirierend wie kaum ein Film in diesem Jahr.
Film-Wertung: (9 / 10)
Still the Water
OT: Futatsume no mado
Genre: Drama,
Länge: 131 Minuten, J, 2014
Regie & Drehbuch: Naomi Kawase
Darsteller: Nijirô Murakami, Jun Yoshinaga, Makiko Watanabe,
FSK. Ab 6 Jahren
Vertrieb: Film Kino Text
Kinostart: 30.07.2015