Cobbler – Der Schuhmagier: Der Traum vom anderen Leben

Wenn Stadtviertel aufgewertet werden sollen, sind zumeist die kleinen Ladenbesitzer und Handwerker die ersten, die aus dem Straßenbild verschwinden. Wer lässt seine Kleidung oder seine Schuhe heute denn noch reparieren? Wenn die Mieten dann steigen, reicht es gerade bei kleinen Betrieben oft nicht mehr, um weiterzumachen. Das Thema Gentrifizierung durchzieht auch Thomas McCarthys neue Komödie, die mit Adam Sandler in der Hauptrolle auf magische Weise auslotet, was es bedeutet, in den Schuhen eines anderen zu gehen.

Max Simkin (Adam Sandler) betreibt in vierter Generation eine kleine Flickschusterei in der Lower East Side von Manhattan. Außerdem wohnt der mittlerweile auch nicht mehr ganz junge Schuster mit seiner zunehmend dement werdenden Mutter zusammen. So richtig zufrieden ist Max mit seiner Existenz nicht. Auch wenn ihm Frisör Jimmy (Steve Buscemi), immer wieder Mut macht, blickt Max doch eher neidisch auf seine Kundschaft. Von der Nachbarschafts-Initiative gegen die Gentrifizierung will Max allerdings nicht viel wissen, trotzdem macht er bei der Unterschriftensammlung der netten Carmen (Melonie Diaz) mit.

Eines Tages bringt der bedrohlich wirkende Afroamerikaner Leon Ludlow (Clifton „Method Man“ Smith) seine Krokoleder-Slipper vorbei und will diese am selben Abend aufgearbeitet wieder abholen. Doch Max geht die Leder-Nähmaschine kaputt und so schnell ist keine Reparatur zu kriegen. Da erinnert sich der Schuster an ein altes handbetriebenes noch funktionierendes Familienerbstück im Keller und macht so eine sagenhafte Entdeckung: Schuhe, die mit dieser Maschine genäht wurden, ermöglichen Max, zu der Person zu werden, der die Schuhe gehören.

Klar, dass der Schuster die neu gewonnene Möglichkeit erst einmal bis an die Grenzen austestet und dafür sogar Schuhe klaut, um auch mal mit einem Sportwagen zu fahren. Doch der Spaß stößt schnell an seine Grenzen, als Max in Gestalt von Ludlow, der seine Schuhe dann doch abzuholen vergaß, in diverse Kapitalverbrechen hineingezogen wird. Und der Gauner arbeitet auch für die Immobilienspekulantin Elaine Greenawalt (Ellen Barkin).

Schauspieler und Filmmacher Thomas McCarthy (Reporter Templeton in der 5. Staffel „The Wire“) hat mit seinen drei vorangegangenen Regiearbeiten „The Station Agent“ (2003), „The Visitor“ (2007) und „Win Win“ (2011) eindrucksvoll bewiesen, dass er ein Händchen für soziale Themen und tolle Besetzungen hat. Beides zeichnet auch „Cobbler – Der Schuhmagier“ aus, ohne jedoch die Klasse und Originalität der vorangegangenen Filme zu erreichen.

Dabei liegt es weder an den Darstellern noch an der Filmidee, die mit Adam Sandler in der Hauptrolle auf den ersten Blick ein wenig an die Familienkomödie „Klick“ (2006) erinnert, dass „Cobbler“ nicht so recht zünden will. Adam Sandler („Bedtime Stories“, „Leg dich nicht mit Zohan an“) kommt in der Rolle, die ihm mal wieder wie angegossen passt, ohne Klamauk aus und spielt den bodenständigen Max mit einer soliden Portion phlegmatischer Passivität, die auch Barry Egan in „Punch Drunk Love“ (2002) auszeichnete. Auch das restliche, recht namhafte Ensemble fügt sich wunderbar ein und macht das Beste aus den Rollen, die nicht immer so ausgefeilt sind wie man das von McCarthy gewohnt ist.

Vielleicht war die Grundidee ein wenig zu dünn: Sich zu fragen, was das alte Sprichwort „In den Schuhen von jemandem Anders zu gehen“ denn nun genau bedeutet. Sicher, das Thema findet sich in „Cobbler“ auf mehreren Ebenen und nicht nur im magischen Persönlichkeitswechsel, führt aber nicht immer zu einer in Gänze gelungenen Geschichte. Im „Behind the Scenes“ beschreibt Koautor Paul Sado den Arbeitsprozess an der Story als von den Charakteren ausgehend. Das ist zwar durchaus schauspielerfreundlich, entbehrt aber eines gewissen Tempos und auch einer gewissen Pfiffigkeit.

Gleichwohl gibt es einige hinreißende Szenen wie das Gerangel zwischen Max und Leon, oder auch die Küchenszene mit Ellen Barkin, die ganz hinreißend die großen, selbstverlieben Gangsterbosse aus den Genreklassikern parodiert. Doch auf den großen Story-Bogen bezogen, findet „Cobbler“ zwischen Figuren-Dramödie und urbanem Panorama keinen packenden Faden, auf dem sich souverän balancieren ließe.

Denn mindestens genauso wichtig für den Film ist der New York Vibe, den McCarthy vermitteln möchte. Nicht umsonst spielt die Handlung an der Lower East Side und im Milieu jiddischer Handwerker. Die Lower East Side war Jahrhunderte lang Anlaufstation für Einwanderer und ist auch heute noch ein ethnisch sehr durchmischter einfacher Kiez. Die Nachbarschaften hier sind über lange Jahrzehnte gewachsen und drohen nun – wie eingangs schon angedeutet -zu verschwinden, weil Leute mit Geld hier investieren wollen. Ein typisches Stück New York, das McCarthy gerne bewahren möchte. Und so passt sein Film auch nahtlos in eine Reihe von Stadtportraits, in der sich neben Filmen von Jim Jarmusch und Martin Scorsese auch Woody Allens neurotische Komödien finden.

Das jazzige Kletzmer-Motiv des Soundtracks ist vielleicht der stärkste Hinweis, dass es sich bei „Cobbler – Der Schuhmagier“ auch um eine jiddische Schelmengeschichte handelt. Und deren Humor ist meist weniger offensichtlich und zum Schenkelklopfen, sondern eher hintersinnig und voller humoristischer Kleinode. Noch eine Gurke?

Film-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Cobbler- Der Schuhmagier
OT: The Cobbler
Genre: Komödie
Länge: 94 Minuten, IUSA 2014.
Regie: Thomas McCarthy
Darsteller: Adam Sandler, Steve Buscemi, Dan Stevens, Dustin Hoffman, Ellen Barkin, Glenn Fleshler
FSK: ab 12 Jahren
Bonus: Trailer Behind the Scenes
Vertrieb: Ascot Elite
DVD-& BD_VÖ: 19.05.2015