B-Movie: Experimentalzone Berlin

In den Achtzigern hatte sich West-Berlin international einen Namen als einer der angesagtesten Plätze für Kreative und Musiker entwickelt. Die halbdokumentarische Zeitreise „B-Movie: Lust & Sound in West-Berlin 1979 – 1989“ erzählt davon und weiß zu begeistern. Reiseführer ist der Brite Mark Reader, der sich 1979 mit Lust auf neue Musik und einem Fetisch für Uniformen nach West-Berlin aufmachte und dort das nächste Jahrzehnt verbrachte.

Man wundert sich, dass Mark Reader ständig eine Kamera dabei hatte, als Berlin noch geteilt war und es weder Sperrstunde noch Wehrpflicht gab. Das und die niedrigen Wohnungs-und Lebenskosten trieb einen ganzen Haufen junge Leute mit wilden Ideen in die von der DDR eingeschlossene, bundesdemokratische Stadt. Vor allem im heruntergekommenen Kreuzberg kann sich eine vielschichtige Musikszene etablieren. Nick Cave und David Bowie trieben sich in Berlin herum, Blixa Bargeld und die Einstürzenden Neubauten experimentierten mit Lärm als Kunst und so langsam machte sich hier auch eine neue Musik breit, die mal zur Neuen Deutschen Welle werden sollte.

„Was ist denn los in West-Berlin, viel Aufregung ums Heroin. Es gibt soviele schöne Sachen, damit kann man soviel machen.“ (Interzone „BLNW)

Ach ja, Reader und die Kamera: Die Szenen  mit Reader sind zum Teil nachgestellt, zum Teil aus den Archiven. Denn die Regisseure Jörg A. Hoppe, Heiko Lange und Klaus Maeck haben die Archive durchforstet, trashige Filme von Jörg Buttgereit dazu gepackt und so eine stimmige Chronologie anhand von Readers Berliner Jahren kreiert. Das hat nicht immer HD Qualität, atmet dafür aber den Geist des Underground, kurz bevor er zum nächsten großen Ding wird.

„Manchmal wird mir plötzlich klar, ein segensreiches Mauerjahr, mein Gewissen schreit nach mehr, elektrische Musik muß her.“ (Interzone „BLNW)

Und mit der deutschen Einheit und dem Fall der Mauer war die kreative Dekade dann irgendwie auch vorbei. Zwar wurde hier mit der ersten Love Parade, an der gerade mal rund hundert Leute teilnahmen, das Zeitalter des Techno eingeläutet, aber der Run auf die neue (und alte) deutsche Hauptstadt sorgte schon dafür, das das Feeling nicht mehr dasselbe war.

Viellicht ist „B-Movie: Lust & Sound in West-Berlin 1979 – 1989“ ein bisschen zu selbstverliebt, aber das lebendige Bild einer Stadt und einer Szene, die so viel Spielraum bieten, kriegt man nicht alle Tage so wunderbar, leidenschaftlich und handlich präsentiert. Nicht verpassen, auch wenn das nicht eure Musik sein mag.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

„B-Movie: Lust & Sound in West-Berlin 1979 – 1989“
Genre: Musikfilm, Doku
Länge: 92 Minuten, D, 2015
Regie: Jörg A. Hoppe, Heiko Lange, Klaus Maeck
Mitwirkende: (Archivmaterial) Blixa Bargeld, Gudrun Gut, Die Toten Hosen, Nick Cave, Mark Reader
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Interzone Pictures
Kinostart: 21.05.2015

Offizielle Film-Homepage

PS: Ach, by the way: Die berliner Band „Interzone“ kommt in B-Movie nicht vor, aber der der Text ist so treffend.