Der eher enttäuschenden Cyber-Thriller „Blackhat“, jüngst in den Kinos angelaufen, gab den Ausschlag, sich Michael Manns vorangegangenen Film „Public Enemies“ noch einmal anzuschauen. Und auch wenn das historisierte Gangsterdrama vor allem ein Showcase für Johnny Depp in der Hauptrolle als legendärer Gangster John Dillinger ist, hat „Public Enemies“ doch deutlich mehr Substanz zu bieten und gehört zu den besseren Filmen von Michael Mann.
Die 140 Filmminuten beleuchten die letzten dreizehn Monate im Leben des großen amerikanischen Gangsters und Bankräubers John Dillinger, der als „Staatsfeind“ wesentlichen Anteil daran hatte, dass in den 1930er Jahren eine Bundesbehörde namens FBI installiert wurde. Michael Manns Film hält sich dabei an die Faktenlage, so wie sie in dem Sachbuch von Bryan Burroughs geschildert wird. Der Titelheld wird am Ende also den Kürzeren ziehen. „Public Enemies“ ist ein sehenswerter, solider und detailgetreuer Gangsterfilm, der auf realem Geschehen beruht.
Dramaturgisch ist das eine Krux, da der Spannungsbogen vorgegeben ist. Das kann der Thriller mit einer namhaften Besetzung kompensieren: Marion Cotillard als Dillingers Geliebte, Christian Bale und Channing Tatum als Gegenspieler auf Seiten des Gesetzes, um nur die wichtigsten zu nennen. Die digitale Kameraarbeit sorgt für einen modernen Look, der dem Zuschauer immer vermittelt, er sei extrem nah an den Charakteren.
Neben dem vorhersehbaren Ende ist es vor allem Dillingers charismatische Persönlichkeit, die das vermeintliche Fernduell zwischen dem Verbrecher und seinem Verfolger sehr einseitig ausfallen lässt. In „Heat“ (1995) waren die Charaktere von DeNiro und Pacino subtiler ausbalanciert. Doch gegen den Staatsfeind Nummer 1 kommt einfach keiner an. Johnny Depp brilliert und fasziniert als Dillinger auf erstaunlich schlichte Weise. Mit arrogantem Understatement ist er einfach Dillinger.
So verkommt Billie Frechette (Marion Cotillard) trotz gut angelegter Rolle ebenso zum Accessoir des Verbrechers wie Melvin Purvis (Christian Bale) mit seiner intelligenten Aufrichtigkeit nie einen charakterlich intensiven Gegenpol bilden kann. Dass die Polizisten gegenüber den berühmten Verbrechern erstaunlich gesichtslos bleiben, hat indes Methode. Wer erinnert sich schon an die Häscher? An den Mörder von Jesse James? Und nicht, dass wir uns falsch verstehen: sowohl Cotillard als auch Bale und Billy Crudup spielen sehr überzeugend.
In Manns eigenen Oevre gehört „Public Enemies“ zu den besseren Filmen, was bei „Blackhat“ (2015), nach dem total überflüssigen und fehlbesetzten „Miami Vice“ (2006) und dem ganz akzeptablen „Collateral“ (2004) nicht überraschend erscheint, aber auch das cineastische Kräftemessen mit „Der letzte Mohikaner“ (1992), „und „Ali“ (2001), „Blutmond“ (1982) und eben „Heat“ beinhaltet. Im Genre der Gangsterballade schneidet der Film vielleicht besser ab als „The Untouchables“ (1987) mit Kevin Costner als Elliot Ness. Im direkten Vergleich mit Ridley Scotts zwei Jahre früher erschienenem „American Gangster“ (2007), kann sich „Public Enemies“ nicht gerade abheben, beide beruhen auf Gauner-Biografien und sind ähnlich gut gemacht und unterhaltsam.
„Public Enemies“ ist ein gelungenes Gangster- und Zeitportrait, das trotz der Filmlänge zu unterhalten weiß. Johnny Depp in der Titelrolle sticht Oscar-verdächtig aus einem überzeugenden Ensemble heraus. Michael Mann ist immer noch ein Meister, wenn es darum geht handfeste und bleihaltige Action zu inszenieren.
Film-Wertung: (8 / 10)
Public Enemies
OT: Public Enemies
Genre: Thriller, Biography, Action
Länge: 143 Minuten
Regie: Michael Mann
Darsteller: Christian Bale, Billy Crudup, Johnny Depp, Marion Cotillard
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Universal
Kinostart: 06.08.2009
DVD- & BD-VÖ: 10.12.2009