Dänische TV-Serien gehören spätestens seit „Kommissarin Lund“ zu den großen Exportschlagern des Landes. Erstaunlicher Weise hat es das international hochgelobte Familiendrama „Die Erbschaft“ bislang noch nicht ins deutsche Fernsehen geschafft. Aber die zehnteilige Serie ist hierzulande auf DVD erschienen und zeigt eindrucksvoll, dass man im kleinen Nachbarland nicht nur Kriminalistisches kann. In Dänemark erzielte „Die Erbschaft“ sagenhafte Einschaltquoten, seit Jahresbeginn läuft dort die zweite Staffel.
Völlig überraschend stirbt die international anerkannte Künstlerin Veronika Grønnegaard. Vor allem ihre älteste Tochter Gro (Trine Dyrholm), die in der Kunstbranche arbeitet und sich auch um das Werk der Mutter kümmert, fällt aus allen Wolken als sie von der verheimlichten Krebserkrankung der Mutter hört. Ihre beiden Brüder Frederik (Carsten Bjørnlund) und Emil (Mikkel Boe Følsgaard) spekulieren nun aus ganz unterschiedlichen Motiven auf das Erbe. Während Frederik auf das Anwesen fixiert ist, das von seinem Vater stammt und seit Generationen weitergegeben wird, geht es Emil vor allem um Geld, denn in Thailand baut er ein Touristenressort auf und hat bei kriminellen Kredithaien erhebliche Schulden. Gro hat allerdings ganz andere Pläne mit dem Anwesen: Hier soll nach dem Willen der Künstlerin ein Museum entstehen. Gros Vater Thomas, Avantgarde-Musiker und kiffender Althippie, haust hinter dem Gutshof in einem Bauwagen und interessiert sich herzlich wenig für Erbschaftsangelegenheiten. Seine größte Sorge ist es, hier wohnen zu bleiben.
„…Dass die Typen sich jetzt nehmen, was ihnen sowieso gehört…“ (Ton Steine Scherben, Rauch-Haus-Song)
Doch zur Verwirrung aller Hinterbliebenen hat Viktoria das Haus in einer Art Nottestament ihrer Tochter Signe (Marie Bach Hansen) vermacht. Die wuchs als Einzelkind bei ihrem Vater und dessen Frau auf und wusste bislang nicht einmal, wer ihre leibliche Mutter ist und dass sie Geschwister hat. Signe ist vor allem verwirrt und stellt ihre Eltern zur Rede. Das vermeintliche Erbe ist ihr anfangs ziemlich gleichgültig. Doch die Streitigkeiten unter den neuen Geschwistern, ob aus dem Anwesen ein Museum gemacht werden soll, komplizieren die Sache zunehmend. Vor allem, weil die Künstlerin sich nicht um ihren Papierkram gekümmert hat. Je länger sich die Erbschaftsangelegenheit hinzieht, desto mehr offenbaren sich die Brüche in der Familie und einige bislang totgeschwiegene Geheimnisse kommen ans Licht.
„Wir räumen später, lassen sie erstmal drin!“ (TSS, Rauch-Haus-Song)
Das Seriendrama aus der Feder von Maya Ilsøe lässt sich Zeit, die Charaktere zu platzieren und die Geschehnisse aufzurollen. Vielleicht macht „Die Erbschaft“ die eine oder andere Wendung zuviel, aber die glänzend aufgelegten Darsteller machen die dramaturgischen Schwächen wieder wett. Ausgehend von der familiären Entfremdung der vier Geschwister, die alle ihr eigenes Leben führen, zeigt „Die Erbschaft“ ganz im Stil eines klassischen Gesellschaftsportraits Konflikte auf, nicht nur innerhalb der Familie, sondern auch in der Gemeinschaft der Stadt Svendborg auf Fünen. Der eher kleinstädtische, ja fast dörfliche Schauplatz tut der Serie gut und ist eine willkommene Abwechslung zu urbanen Lifestyle. Vom Konstrukt der Serie gibt es durchaus Parallelen zu „Downton Abbey“, wobei „Die Erbschaft“ mit einem beinahe typisch skandinavischem Realismus die Gegenwart ausleuchtet.
„Und wir schreien’s laut: „Ihr kriegt uns hier nicht raus!“(TSS, Rauch-Haus-Song)
Es werden ganz unterschiedliche gesellschaftliche Milieus beleuchtet. Das Selbstverständnis der drei „Künstlerkinder“ offenbart dabei eine Diskrepanz zum einfachen, überschaubaren und auch normaleren Leben der Schwester Signe. Mit der anstehenden Erbschaft allerdings verändert sich auch der Alltag der Floristin, die bislang ein zufriedenes Leben führte. Zwar kreist die erste Staffel der Serie zunächst vor allem um die Leben der beiden Schwestern Gro und Signe, aber schon bald öffnetet und weitet sich das Spektrum der Serie in erstaunlichem Maße, ohne den roten Faden dabei aus dem Auge zu verlieren. Der ist in der Präsenz der verstorbenen Mutter und Künstlerin zu jeder Zeit gegeben. Nicht umsonst macht die Ausstattung die Welt der Veronika Grønnegaard lebendig und anschaulich, obwohl diese gleich zu Beginn der Serie stirbt.
Die erste Staffel der dänischen Dramaserie „Die Erbschaft“ überzeugt vor allem mit einer spannenden Familienaufstellung, guten Charakteren und wunderbar aufgelegten Darstellern.
Serien-Wertung: (7,5 / 10)
Die Erbschaft – Staffel 1
OT: Arvingerne , DK, 2014
Genre: Familiendrama, Serie
Länge: ca. 560 Minuten, 10 Folgen
Idee: Maya Ilsøe
Regie: Pernilla August, Jesper Christensen, Heide Maire Feisst, Louise Friedberg
Darsteller: Trine Dyrholm, Jesper Christensen, Lene Maria Christensen, Carsten Bjørnlund, Mikkel
Boe Følsgaard, Marie Bach Hansen, Trond Espen Seim
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Constantin Film, Highlight Entertainment
DVD-VÖ: 08.01.2015