Seit Jahren ist der norwegische Privatermittler Varg Veum aus der nordischen Krimiwelt nicht mehr wegzudenken und zieht seine eigenwilligen Kreise rund um die Stadt Bergen. Aber das ist beileibe nicht die einzige Assoziation mit dem oben zitierten Beatles-Titel „Norwegian Wood“, denn der Detektiv ist auch störrisch wie eine knorrige Küsten-Kiefer. Nun sind sechs seiner Ermittlungsfälle bei Edel-Motion für das Home-Entertainment erschienen, nachdem sie erfolgreich in der ZDF Sonntagskrimi“- Reihe ausgestrahlt wurden.
Aber der Zuschauer hat ja kein Brett vor dem Kopf und merkt sofort, dass ihm die Figur aus der Feder des Krimi-Autors Gunnar Staalesen bekannt vorkommt. Denn die ARD hatte die „erste Staffel“ der Krimiverfilmungen unter dem Titel „Der Wolf“ 2008 ausgestrahlt. Seinerzeit war Varg Veum (Trond Espen Seim) noch deutlich angeschlagener. Der ehemalige Sozialarbeiter, der vor allem mit Jugendlichen arbeitete, hatte ein deutliches Alkoholproblem.
Davon ist in „Varg Veum“ (übersetzt etwa der ausgewilderte Wolf) wenig übrig geblieben. Im Gegenteil, zusammen mit Freundin Karen (Lene Nystrøm) scheint der Privatdetektiv sesshaft werden zu wollen, was denn auch die private Rahmenhandlung der sechs spielfilmlangen, in sich abgeschlossenen Ermittlungsfälle darstellt. Seine Sturheit und seine recht eigenwilligen Ermittlungsmethoden hat Veum allerdings beibehalten. Aber, und das sieht auch Hamre (Bjørn Floberg), sein Freund der Polizeikommissar so, der Erfolg gibt einem Recht. Und Varg Veums Aufklärungsquote ist wegen seiner Hartnäckigkeit, die auch regelmäßig körperlich Tribut fordert, beeindruckend.
Insgesamt sind die sechs Fälle, die auf Romanen von Gunnar Staalesen beruhen, gelungenen Krimiunterhaltung, in der es schon mal recht derbe und mit skandinavischer Düsternis zugeht. Man merkt den Krimis immer noch ihre „hard boiled“-Ader an, auch wenn der Held selbst inzwischen älter, aber keineswegs weniger leidenschaftlich an die Arbeit geht. Da sind die Nestbau-Absichten von Karen häufig eher in Weg und stellen die Beziehung ein ums andere Mal auf die Probe. Eine weitere Gemeinsamkeit der Fälle und ein typisches Varg Veum Charakteristikum ist, dass er so gut wie immer einen persönlichen Bezug zu den Fällen hat. Und selbstverständlich spielt auch das Lokalkolorit der alten norwegischen Hansestadt Bergen eine große Rolle in der Attraktivität der Serie. Schließlich ermittelt in Bergen nicht nur der Held, sondern hier lebt auch der Autor Gunnar Staalesen.
Norwegischer Krimibestseller
Während die Krimis von Gunnar Staalesen und auch die TV-Adaptionen in Norwegen nach wie vor Renner sind, scheint der Autor hierzulande hinter der zahlreichen skandinavischen Krimikonkurrenz zurückzubleiben: „Zeichen an der Wand“ ist der letzte Varg Veum Roman, der hierzulande veröffentlicht wurde. Der Krimi von 1995 erschien hierzulande 2007 und markiert auch den ersten Fall der neuen Varg Veum Abenteuer.
In „Zeichen an der Wand“ (OT: „Skriften på veggen“) hat sich Veum als Privatermittler zurückgezogen und ist jetzt Lehrer. Doch mit der Gefängnisentlassung des vermeintlichen Mörders „Messer“ (Nikolaj Lie Kaas) kommt auch die Vergangenheit wieder hoch. Das Messer zwingt Veum nachträglich dessen Unschuld am Mord zu beweisen. Und Veum ermittelt im Umfeld des getöteten Mädchens und rüttelt die Familie ganz schön auf. Nicht nur wegen des darstellerischen Schwergewichts Kaas („Erbarmen“), der Veum ein würdiger Gegenspieler ist, gehört der Krimi zu den stärksten dieser Staffel. ( 7 Sterne)
Auch in „Schwarze Schafe“ (OT: „Svarte får“) wird es wieder persönlich. Karens jüngere Schwester ist Prostituierte und hat seit Jahren nichts mehr mit der Familie zu tun. Doch als sie Varg bittet, die Schwester zu suchen, weil die Mutter im Sterben liegt, stößt der Privatermittler auf einen kriminellen Ring, der nicht nur mit Prostitution sondern auch mit Drogen sein Geld macht. Die solide Episode lebt vor allem von der Familiendramatik in Karens Familie. Die Drogen- und Nuttengeschäfte in Bergens Stadtleben sind allerdings kriminalistisches Standardmilieu. (6 Sterne)
In „Gefährten des Todes“ (OT: „Dødens drabanter“) taucht dann eine alte Geliebte von Varg auf, die noch immer beim Jugendamt arbeitet. Einer ihrer schwierigen Schützlinge soll seine Pflegeeltern auf einem abgelegenen Bauernhof erschossen haben. Jan Egil will nur mit Veum reden, mit dem er sich aus alten Jugendamtszeiten noch verbunden fühlt. Jetzt muss Veum beweisen, dass der Junge unschuldig ist und zugleich wird seine Treue zu Karen auf die Probe gestellt. Auch wenn der von Regisseur Stefan Appelgren inszenierte Fall nicht zu den spannendsten zählt, ist die Milieustudie unter Jugendlichen recht gelungen. (6 Sterne)
Ein „Geschäft mit dem Tod“ (OT: „I mørket er alle ulver grå“) bringt Varg Veum dann wieder in Kontakt mit einem alten Freund, der in Afghanistan bei den ISAF-Truppen gedient hat und nun als Sicherheitsexperte bei einer Waffenfirma arbeitet. Als die in die Luft fliegt gerät Veums Freund unter Verdacht, auch weil er abgetaucht ist. Doch Varg ist stutzig und der Chef der Sicherheitsabteilung alles andere als vertrauenserweckend. „Geschäft mit dem Tod“ ist die actionreichste und aufwändigste Episode der Serie, auch weil sie zum Großteil in Budapest spielt und auch dort gefilmt wurde. Nicht umsonst ist auch das „Making of“, das es als Bonusmaterial dieser Edition gibt, auf diesen spektakulären Fall bezogen. (7, 5 Sterne)
„Den Tod vor Augen“ (OT: „De døde har det godt“) haben in dem vorletzten Spielfilm vor allem die jungen Mädchen, die als politische Flüchtlinge nach Norwegen kamen und nun in einem Netz aus Zwangsprostitution gefangen sind, das auch von Bergens gehobenen Kreisen benutzt wird. Zumindest führen Veums Untersuchungen eines scheinbar harmlosen Streiches eines Studentenkorps direkt zu der Spur eines vermissten Mädchens. Obgleich der Fall ganz spannend konstruiert ist, wirkt doch vieles von dem Milieu der politischen Flüchtlinge und illegalen Einwanderer nah an der Grenze zum Klischee. (6 Sterne)
Für den finalen Fall „Kalte Herzen“ (OT: „Kalde Hjerter“) stellt sich Serienstar und Hauptdarsteller Trond Espen Seim selbst hinter die Kamera und führt Regie. Während Hamre hinter brutalen Katenmördern hinterher ist, macht sich Veum auf die Suche nach Maggie, der jüngeren Schwester der erfolgreichen Theaterfrau Siv. Maggie ist Prostituierte und seit Tagen verschwunden und bei seinen Ermittlungen findet Veum heraus, dass es auch noch einen Bruder gibt, der vermisst wird. Die drei Waisen wuchsen bei Pflegefamilien nicht eben gut behütet auf. Außerdem stört Veum eher zufällig die Kreise eines Geschäftsmannes, der seine abhanden gekommene Drogenlieferung sucht und nun auch die schwangere Karen bedroht, sollte Veum seine Nase nicht aus der Angelegenheit heraushalten. Das spannende Serienfinale ist zwar einer der härteren Kriminalfälle, aber auch einer der spannendsten und wenn Veum am Ende des Film zu seinem Polizeifreund Hamre sagt „Es gibt noch viele Katzen zu retten.“, darf der Fan durchaus hoffen, dass es noch weitere Verfilmungen aus der Krimirehe geben wird. (7 Sterne)
Der norwegische Privatermittler Varg Veum hat durchaus genügend Eigenständigkeit, um sich auch von der skandinavischen Krimi-Konkurrenz abzusetzen. Wer auf düstere Thriller steht, wird bei den im norwegischen Bergen angesiedelten Krimis gut bedient.Auf Wiedersehen, Bergen.
Serien-Wertung: (7 / 10)
Varg Veum – Staffel 2
OT: Skriften på veggen, Svarte får, Dødens drabanter, I mørket er alle ulver grå, De døde har det godt, Kalde Hjerter
Genre: Thriller, Krimi
Länge: 6 x je ca 90 Minuten, N/S/DK, 2011-12
Regie: Stefan Appelgren, Trond Espen Seim, et. Al.
Darsteller: Trond Espen Seim, Lene Nystrøm, Bjørn Floberg
FS: ab 16 Jahren
Vertrieb: Edel Motion, ZDF Enterprises
DVD-VÖ: 31.10.2014