Wird mal wieder Zeit eine vergessene Filmperle herauszukramen: Als „Samurai Fiction“ 1998 in die Kinos kam, hat der rockige Schwertfilm für die MTV-Generation vor allem mit seiner Mischung aus rockigem Soundtrack und klassischer Schwarzweiß-Optik Sympathiepunkte eingefahren. Es beginnt mit einem Kameraflug durch den wolkigen, blauen Himmel, einem Sturzflug zur Erde: eine andere Zeit, eine andere Welt. Der Held und Erzähler entführt uns in ein mittelalterliches, schwarz-weißes Japan von Ehre, Clans und Schwertkämpfern. Nur die rockige Gitarre begleitet uns auf diesem witzigen Trip…
Der Clan der Nagashima befindet sich in hektischer Panik: Ausgerechnet der Schwertmeister Kazamatsuri (Hotei), der das Clan-Heiligtum beschützen sollte, ist damit durchgebrannt. Dabei stehen Feierlichkeiten an, inclusive Ausstellung das legendären Schwert, einst ein Geschenk des Shogun, Nun ist guter Rat teuer, und der oberste Clan-Rat Kanzen (Taketoshi Naito) beschließt, zweigleisig zu handeln: Zuerst soll ein Duplikat des Schwerts hergestellt werden und dann sollen sich die Kämpfer des Clans auf die Suche nach dem Verräter und dem echten Schwert machen.
Heishiro (Mitsuru Fukikoshi), dem aufbrausenden Sohn des Rates gefällt dies feige Vorgehen überhaupt nicht. Eigenmächtig rennt er selbst los, um die Ehre des Clans wieder herzustellen. Seine beiden Jugendkumpel begleiten ihn. Die „drei Narren“, wie sie im Land genannt werden, verfolgen und stellen den Samurai Kazamatsuri. Doch sie sind hoffnungslos unterlegen. Wäre nicht der alte Einsiedler Hanbei (Morio Kazama) aufgetaucht, so hätte der Fiesling alle drei Angreifer getötet. So aber kommt unser Held mit dem Leben davon und wird in der Hütte des Einsiedlers gesundgepflegt.
Der Einsiedler und der Schwertkämpfer
Dabei macht er die Bekanntschaft mit dessen bezaubernden Tochter Koharu (Tamaki Ogawa), während sich Kazamatsuri in der nahe gelegenen Station bei der Chefin des Wirtshauses (aka Casino und Bordell) verdingt. Doch eine erneute Begegnung zwischen dem Bösen und seinen Verfolgern ist unausweichlich. Zumal sich der vermeintliche Einsiedler ebenfalls als Meister der Schwertkunst herausstellt. Nur hat dieser dem Töten abgeschworen.
Rein handlungsmäßig ist das Spielfilmdebüt von Regisseur Hiroyuki Nakano ein klassisches Samurai-Drama mit allen Typen, die in so einen Genrefilm gehören. Wikipedia weiß dazu den Begriff des Jidei Geki anzuführen, der einen Historienfilm mit Elementen des traditionellen Theaters bezeichnet. Doch der Reiz und die Faszination von „Samurai Fiction“ liegen in der modernen Machart des Films: Hier trifft bildliche Tradition auf moderne Rockmusik und eine wahnsinnige Portion Humor.
Als ich 1998 meine erste Kinobegegnung mit „SF“ machte, geschah dies völlig unerwartet. Man hatte mir einen coolen Film versprochen und die Namensähnlichkeit mit Tarantinos „Pulp Fiction“ lenkte meine Erwartungshaltung schon in eine bestimmte Richtung. Was dann allerdings auf der Leinwand passierte, war wie zu erwarten schwarzhumorig und modern, macht sich aber nicht über den Samurai-Film lustig, sondern verneigt sich tief und ehrfürchtig vor dieser japanischen „Western-Art“.
Wenn dann im Making Off des Films der Off-Sprecher „Samurai Fiction als Schwertfilm für die MTV-Generation anpreist“, so trifft es den Kern der Angelegenheit. Regisseur Hiroyuki Nakano hat sich vor seinem Spielfilmdebüt einen Namen als Regisseur von Musikvideos gemacht und die Rolle des bösen Samurai Kazamatsuri übernahm niemand geringerer als der japanische Sänger und Gitarrist Hotei, der auch für den Soundtrack zuständig ist. Mit seinem wortkargen und lässigen Auftreten ist Hotei für die ernsthafte Action des Films zuständig.
Rockstar Tomoyasu Hotei als Bösewicht
Leider ist keines der weiteren Werke von Regisseur Hiroyuki Nakano auf dem internationalem Markt oder gar in Deutschland erhältlich. Aber das kann ja noch kommen. Eigentlich sollt „SF“ das Trademark einer Serie von Filmen werden. bislang erschien allerdings nur „Stereo future“ im Jahr 2001.
Der Held Heishiro indes stellt sich als aufbrausend aber zu verspielt heraus, um ein Kämpfer zu sein. So sind seine Szenen von einem Trotz geprägt, der seine hervorragendste Eigenschaft zu sein scheint. Wenn dann noch die Liebe ins Spiel kommt, kann ein junger Mann schon mal vom Weg abkommen.
Während sein Vater, der oberste Rat des Clans die Weisheit auch nicht gerade mit Löffeln gefressen hat und seiner Aufgabe eher mit Bauernschläue nachgeht, rocken die Auftritte des alten Kagemaru (Kei Tani), der vorzugsweise von der Decke herab erscheint, richtig. Kagemaru sorgt für den Running-Gag des Films, keiner seiner Auftritte ohne einen Lacher.
Noch ein Tipp für Genießer, obwohl „Samurai Fiction“ auch mit einer deutschen Vertonung ausgestattet ist, macht der Film (wie eigentlich alles japanischen Filme) im Original wesentlich mehr Spaß. Das mag daran liegen, dass die japanische Sprache so ganz anders betont als unsere. Und die Untertitel sind nur anfangs störend. Wer bei „Samurai Fiction“ nicht auf die kostengünstige „Intro Asien Edition“ zurückgreift, bekommt die DVD im Digipack und mit einem Poster versehen, auf dessen Rückseite ein informatives Essay des Regisseurs abgedruckt ist.
„Samurai Fiction“ erweiterte seinerzeit die Grenzen des Samurai-Genres. Nakano lockert die traditionell gehaltene Handlung mit ungewohnter Kameraführung, einigen Effekten und einer modernen Schnittfolge auf. So entsteht ein verdammt cooler und lustiger, moderner Klassiker, der sich auf gar keinen Fall hinter den Vorbildern verstecken muss.
Film-Wertung: (9 / 10)
Samurai Fiction
Genre: Action, Komödie, Satire
Länge: 111 Minuten, j, 1998
Regie: Hiroyuki Nakano
Darsteller: Morio Kazama, Tomoyasu Hotei, Misuru Fukikoshi
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Rapid Eye Movies
Kino-Start: 08.04.1999
DVD-VÖ: 22.03.2004, & in der Intro Edition Asien:25.06.2009