Wer Glück hatte und früh auf den Beinen war, konnte bei Gratis Comic Tag die politische Graphic Novel „Die Stern-Bande“ aus dem Panini-Verlag ergattern. Der Italienische Szenarist Luca Enoch bereitet darin die gewaltsamen Anfänge Israels auf, und wirft damit ein lesenswertes Licht auf eine der unübersichtlichsten Krisenregionen der Welt. Ansprechend in Bilder umgesetzt wird die Geschichte der Untergrundorganisation „Lechi“ von Claudio Stassi.
Erst 1948 wurde der Staat Israel ausgerufen. Zuvor stand das Gebiet an der Mittelmeerküste als Palästina unter britischer Oberherrschaft. Die Briten erfüllten dort seit 1920 ein Völkerbundmandat mit dem ausgelobten Ziel für das jüdische Volk eine Heimstatt zu schaffen. Die Konflikte mit der arabischen und somit muslimischen Bevölkerung der Region waren also vorprogrammiert.
Kurz vor dem Zweiten Weltkrieg haben die zionistischen Bestrebungen sich in unterschiedlichen jüdischen Untergrundbewegungen organisiert. Allen gemeinsam ist, dass sie möglichst bald den Staat Israel errichten wollen und die Briten aus Palästina vertreiben wollen. Nur die Wahl der Methoden ist höchst unterschiedlich. Die paramilitärsche Lechi-Organisation war eine radikal-zionistische Splittergruppierung, die auch vor Gewaltanwendung in form von Bombenanschlägen und Attentaten nicht halt machte. Nach dem Gründer der Lechi Avram Stern wurde die Gruppierung auch Stern-Bande genannt. Die Graphic Novel basiert auf wahren Begebenheiten.
Wahrend Yehoshua Cohen (fiktiver Deckname Avner) im September 1948 auf den UN-Abgesandten Bernadotte wartet, um ihn zu töten, erzählt er seinen Mitstreitern von den Anfängen der Lechi und wie er selbst den großen Begründer traf und politisch aktiv wurde. Ein auslösendes Moment war ein Sprengstoffattentat, bei dem Avner einen guten Freund verloren hat. Seitdem ist er in der Lechi aktiv, weil deren radikale Positionen den jungen Mann faszinieren und steigt in der Hierarchie der kleinen Gruppe soweit auf, dass er Zeuge der Entscheidungen der Führungsetage wird.
Autor Luca Enoch erzählt die Geschichte der Stern-Bande aus der perspektive eines Mitgliedes und versetzt sich in die Motivation hinein. Darin liegt beileibe keine Sympathie wie der Autor im Nachwort deutlich macht, sondern vor allem eine erzählerische Haltung. Für Enoch der hierzulande durch seine „Morgana“-Comics bekannt ist, liegt die Faszination der Untergrundorganisation in deren völliger Selbstüberschätzung. Denn auf das politische Geschehen hatten die Aktionen, selbst wenn sie gelangen, wie im Fall der Ermordung Berndottes, wenig Einfluss, die Politik zur Gründung Israels wurde von anderen gemacht.
Spannend zu lesen ist die Graphic Novel vor allem für jene, die sich für Nahostpolitik und die Geschichte Palästinas interessieren. Zwar wird der Gordische Knoten der Nahost-Konflikte hier nicht entwirrt, aber auf nachvollziehbare Weise wird ein wenig bekanntes Kapitel der Zeitgeschichte aufbereitet.
Dafür finde Zeichner Claudio Stassi schlichte, sachliche Zeichnungen, die durch ihren Realismus wirken. Schattiert werden die Bilder in Aquarell und unterstützen so die optische Wirkung, der Seitenaufbau ist wie bei vielen politischen oder biograaphischen Graphic Novels eher klassisch gehalten und die Dialoge nehmen einigen Raum ein. Trotzdem gelingt es Stassi die Zeit und die Stimmung lebendig werden zu lassen. Da hat sicher die Erfahrung bei der Illustrierung einer Mafia-Geschichte hineingespielt. Allerdings ist „Brancaccio“ hierzulande nicht erschienen. Wie auch immer, der Stil der Zeichnungen passt perfekt zur Geschichte.
Die Graphic Novel „Die Stern –Bande“ ist eines der seltenen Exemplare politischer Comickunst und macht ein vergessenes Kapitel im Nahost-Konflikt auf eindrucksvolle Weise wieder lebendig.
Comic-Wertung: (8 / 10)
Die Stern-Bande
OT: Banda Stern
Autor: Luca Enoch
Zeichner: Claudio Stassi
Übersetzung: Monja Reichert
Verlag: Panini, Hardcover, 124 Seiten
VÖ: 20.05.2014
Zum Weiterlesen:
Sowohl Luca Enoch als auch Claudio Stassi betreiben eigene Blogs, die allerdings auf Italienisch sind.