Der Detektiv Sherlock Holmes, den Sir Arthur Conan Doyle 1886 erfand, ist eine der faszinierendsten und erfolgreichsten Gestalten der Literaturgeschichte. Im lauf der Jahre hat es etliche Adaptionen der Geschichten um den Meisterdetektiv und seinen Freund und Partner Doktor Watson gegeben. Die BBC-Serie „Sherlock“ verlegte die Handlung kurz in die Gegenwart und machte damit Sherlock-Darsteller Benedict Cumberbatch zum Weltstar. Doch auch auf literarischer Ebene gibt es Fortschreibungen der Abenteuer des Meisterdetektivs. Dem britischen Schauspieler und Autor Guy Adams gelingt mit „Der Atem Gottes“ ein spannender Falls im klassischen Stil. Das macht Lust auf mehr.
Die seltsam zerschundene und entstellte Leiche eines jungen Mannes reicht normalerweise nicht, um die Aufmerksamkeit von Sherlock Holmes zu fesseln. Doch als Holmes und Watson Besuch von Arzt und selbsternannten Experten für das Übersinnliche bekommen, wird Holmes misstrauisch. Dr. John Silence rückt den Toten in einen größeren Zusammenhang, denn eine Patientin hat den Namen zusammen mit denen von Sherlock Holmes und Aleister Crowley genannt und eine göttliche Strafe für London vorhergesehen.
Und in der Tat sieht sich John Watson bei nächster Gelegenheit von übersinnlichen Wahrnehmungen geplagt, was den Ermittlungen nicht eben förderlich ist. Nun denn, die Spur führt nach Schottland, denn dort bewohnt Aleister Crowley ein Schloss. Auf der Zugfahrt gen Norden gesellt sich auch noch ein weiterer Experte zu dem Herren Holmes, Watson und Silence; der verwegen aussehende Carnacki stellt sich als erfahrener Recken gegen das Böse vor. Nun denn, Watson: Wir werden sehen!
Sich an einer neuen, eigenen Sherlock Holmes Geschichte zu versuchen, ist ein Unternehmen, dass einige Gefahren birgt: sei es , dass man den Großmeister Doyle zu imitieren beginnt, sei es dass man keine stimmigen Erzähltonfall trifft, sei es, dass die kriminalistische Schnitzeljagd den Leser nicht zu fesseln weiß. Der britische Schauspieler, Drehbuchautor und Romancier Guy Adams hingegen macht alles richtig und setzt vor allem auf einen frechen Tonfall und unbekümmerte Selbstbedienung in der Literaturgeschichte der Phantastik. „Der Atem Gottes“ ist ein Genuss.
Für Sherlock Holmes Puristen freilich mag sich das ein wenig anders darstellen, schon deshalb, weil der Meisterdetektiv es mit Übersinnlichem zu tun bekommt. Das war zwar auch schon in Baskerville der Fall, stellte sich dann aber als durchaus irdisch heraus. Wer weiß, wie dieses Abenteuer ausgehen wird?
Adams belässt Holmes und Watson in ihrer ursprünglichen Zeit und Umgebung und Watson erstattet Bericht, wie das auch bei Doyle der Fall war. Allerdings – und das ist ein gekonnter Kniff – stellt der Autor dem fiktiven Meisterdetektiv weiter literarische Figuren aus der Zeit an die Seite und sogar ein real existierende. Der Okkultist Crowley wäre ein Zeitgenosse Holmes gewesen. Aus dieser Grundkonzeption entwickelt Guy Adams einen beschwingten Ermittlungsfall mit übernatürlichen Elementen und literarischen Anspielungen, der beim Lesen ausgesprochen leicht von der Hand geht und viel zu schnell wieder vorbei ist. Dass der Kriminalfall dabei auch noch zum begleitenden Ermitteln einlädt, versteht sich fast von selbst.
Fazit: Wer an der gekonnt weitergesponnenen Figur des Meisterdetektives Sherlock Holmes seine Freude hat, kommt um Guy Adams „Der Atem Gottes“ kaum vorbei. Puristen, die sowieso nur die Geschichten von Arthur Conan Doyles Geschichten gelten lassen, müssen alternativ wohl beginnen den sowieso schon auswendig gelernten Holmes Kanon rückwärts zu lesen. Dämonisch genug!
Roman-Wertung: (8 / 10)
Guy Adams: „Sherlock Holmes: Der Atem Gottes“
OT: Sherlock Holmes: The Breath of God“, 2011
Genre: Kriminalroman, Phantasik
Autor: Guy Adams
Übersetzung: Claudia Kern
Verlag: Panini Verlag, Klappbroschur, 288 Seiten
VÖ: 08.04.2014
Wissenswertes für Interessierte:
Vorstellung von „Die Armee des Dor. Moreau“: