Es wirkt fast so, als hätten die beiden Filmmacher Rouven Rech und Frank Marten Pfeiffer, die 2011 zusammen eine Doku über den Fußballclub TSG Hoffenheim gedreht haben, hier auch thematisch einen Gegenentwurf gesucht, als sie ihr Portrait über den Ostberliner Club Union Berlin in Angriff nahmen. Hier stehen die unterschiedlichen Fans im Vordergrund und die Bedeutung des Clubs für die Ostberliner Stadtteile Köpenick und Treptow, in dem der Club zu Hause ist.
Natürlich spielt Fußball eine Rolle in dieser Doku: Weniger allerdings der Sport selbst, als vielmehr sein identitätsstiftendes Element, auch und vor allem für die Ostberliner Stadtteile. Man kennt das als Sportfan noch aus den nostalgisch verklärten, alten Zeiten: Man lebte irgendwo und was Fußball anging, da gab es überhaupt keine Alternative, als die Mannschaft der eigenen Stadt, des eigenen Stadtteils zu unterstützen und, ob man wollte oder nicht, Anteil nahmen auch diejenigen, die mit dem Sport überhaupt nichts am Hut hatten, schlicht weil es die Befindlichkeiten der eigenen sozialen Gemeinschaft beeinflusste. Heute in Zeiten globalisierter Fanliebe und kommerzialisierter Sportevents ist das alles beileibe keine Selbstverständlichkeit mehr.
Die fünf Protagonisten, die die Filmmacher für ihr Projekt „Union fürs Leben“ ausgewählt haben, bilden also tatsächlich so etwas wie einen gesellschaftlichen Querschnitt, ihre einzige offensichtliche Gemeinsamkeit, die Liebe zu Union Berlin. Darin sind sich der Fußball-Profi Stefan Quiering, der CDU-Politiker Mario Czaja, der Streetworker Stefan Schützler, der junge Arbeitslose Alexander Grambow und der Schauspieler Chris Lopatta einig.
Der Film begleitet die Protagonisten in ihrem Alltag und kommt so auf die Spur der Bedeutung des Fußballclubs für diese Menschen. Nicht umsonst ist Union Berlin für seine treuen Fans, die auch mit Eigenarbeit das Stadion an der Alten Försterei saniert haben, bekannt. Die Historie des Club wird nur indirekt aufgezeigt, eben durch die Augen der Fans. Und so stellt sich die Fanbasis des 1966 gegründeten Clubs schon zu DDR-Zeiten als Sammelbecken der Unangepassten, der Underdogs dar. Kein Wunder, dass zu den Fans des FC St. Pauli eine innige Freundschaft besteht. Die Club-Historie kommt allerdings nur nebenbei zum Zug, wenn sich Chris Lopatta, Eiserner seit 1977, erinnert und aus dem Nähkästchen plaudert.
Auch heute noch wird Union Berlin von vielen Fans explizit als „Ostclub“ wahrgenommen, was für diese auch den hohen Identifikationswert ausmacht. Für viele war die Wende keine einfache Zeit und es galt, sich in der neuen gesamtdeutschen Realität zurecht zu finden, sich gegebenenfalls neu zu erfinden. Die Vergangenheit wirkt in die Gegenwart und so kommt jemand wie Stefan Schützler, der keinen Hehl daraus macht, damals von der DDR überzeugt gewesen zu sein, erst nach der Wende zu Union Berlin. Und auch Quierings nicht eben überlegter, abfälliger Kommentar über die Wessis nach einem Stadtderby gegen Hertha BSC zeigt, dass das Thema noch lange nicht abgeschlossen ist.
Andererseits mache sich aber auch ein (neues) Selbstbewusstsein breit, das die Filmmacher vor allem im Ostteil Berlins ausgemacht haben wollen, und vor allem mit dem Club Union Berlin und seinem Selbstverständnis als trotzige Schicksalsgemeinschaft in Zusammenhang stellen. In wie weit dem tatsächlich so ist, lässt sich schwer beurteilen. Aber die filmischen Streifzüge durch Ostberliner Stadtteile sind schon aussagekräftig, wenn man sich mit deutscher Gegenwart beschäftigt.
Fazit: Das Sehenswerte an „Union fürs Leben“ ist eben jenes Lockere und zugleich fast Sozialstudienmäßige, das über den Sport hinaus geht und auch denen, die nichts mit Fußball am Hut haben, mehr als zwanzig Jahre nach der Wende etwas über die Befindlichkeit im Land zu erzählen weiß. Darum ist es auch wieder komplett unverständlich, dass diese Kinodoku nur (wenn überhaupt) im Ostteil des Landes in den Kinos läuft. Leute, da muss noch Einiges zusammenwachsen, wenn es zusammengehört!
Film-Wertung: (7 / 10)
Union fürs Leben
Genre: Dokumentarfilm,
Länge: 98 Min., D 2014
Regie & Drehbuch: Rouven Rech & Frank Marten Pfeiffer
Mitwirkende: Stefan Quiering, Mario Czaja, Stefan Schützler, Alexander Grambow, Chris Lopatta
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Weltkino
Kinostart: 03.04.2014
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