Mit dem Sammelband „Before Watchmen: Crimson Corsair“ ist die Prequelreihe zu Alan Moores Kult-Comic „Watchmen“ komplett. Zu allen Hauptcharakteren ist eine eigene Vorgeschichte erzählt und namhafte Comickünstler haben sich an die Umsetzung gemacht. Paninis Finalausgabe versammelt nun die Lebensgeschichten von eher untergeordneten „Watchmen“-Figuren.“. Das aber auf sehr überzeugende Weise.
Edgar William Jacobi alias der Moloch, als Superschurke in Alan Moores ursprünglicher Story bekannt, wächst als Waisenkind auf und ist früh von der Zauberkunst fasziniert. Kein Wunder, dass sich das äußerlich anomale Kind mit den Varieté-Tricks beschäftigt. Doch er gerät auf die schiefe Bahn und wird von den Minutemen eingesackt. Später bekommt der Kriminelle von Adrian „Ozimandias“ Veit eine zweite Chance. Von den drei Geschichten in „Crimson Corsair“ ist die über Moloch am aktuellsten mit der eigentlichen „Watchmen“-Handlung verzahnt und stilsicher und dramaturgisch in Form einer Lebensbeichte beginnend, breitet Autor J. Michael Straczynski die Lebensgeschichte des Edgar Jacobi stimmungsvoll aus. Doch erst wenn Veidt sich des ehemaligen Kriminellen annimmt, wird die Story richtig finster. Eduard Risso findet dafür gelungene Bilder, die in dunkeln Tönen gehalten und auf das Wesentliche reduziert die Einsamkeit der tragischen Figur herausstellen.
William Brady wird eigentlich eher zufällig zu „Dollar Bill“, weil die Bank, für die er arbeitet, einen Werbegag braucht und auf den Superheldenzug aufspringen will. Mit fingierten Überfällen wird „Dollar Bill“ schnell berühmt und die Legende verselbständigt sich tragischer Weise soweit, dass die Bankmanager Brady für einen echten Helden halten. Als Mitglied der originalen „Minutemen“ spielt er auch dort nur eine Nebenrolle. Autor Len Wein ist seit einer gefühlten Ewigkeit in der Comicbranche unterwegs, insofern ist er für diese klassische Heldentragödie der perfekte Autor. Das ist Comic-erzählen der alten Schule und wird von Zeichner Steve Rude kongenial in Bilder umgesetzt, die wirken, als stammen sie aus den 1930er Jahren. Schöne, tragische Geschichte.
Der junge Seemann Gordon McLachlan wird als Junioroffizier an Bord der Pendragon befohlen. Das Kriegsschiff segelt in der Flotte von König George III und gerät an das Geisterschiff „Fliegender Holländer“. Dessen Kapitän, der rote Korsar, nimmt den jungen Offizier auf und gewährt ihm die Möglichkeit, einen Ausweg aus seinem Schicksal zu suchen: McLachlan muss drei scheinbar unlösbare Aufgaben bewältigen, um seine Seele zu retten. Die Story der Altmeister Len Wein und John Higgins, der für die originalen „Watchmen“ die Kolorierung besorgte, ist packend und macht dem „Fluch der Karibik“ alle Ehren. Mit ordentlich Seemannsgarn und beinahe grau gehaltenem Artwork vermittelt die düstere Story gruseliges Piratenfeeling. Ganz so wie es auch der „Black Frighter“-Geschichte in „Watchmen“ tut. Das noch einmal am Stück zu genießen, macht einfach nur Spaß und ist literarisch wie grafisch sehr überzeugend ausgefallen.
Was sagt nun Original-Autor Alan Moore zu dieser Reihe von Vorgeschichten, die DC Comics herausgebracht hat? Moore und Gibbons hatten ursprünglich selbst die Absicht, eine Prequel-Reihe zu schreiben. Daraus ist irgendwie nichts geworden. 2010 hat DC Comics ihm die „Watchmen“-Rechte wieder angeboten, wenn er für weitere „Watchmen“-Projekte zu haben wäre. Doch nun wollte Moore nicht mehr. Selbstredend bezeichnet die Comic-Legende das Prequel-Projekt nun als schamlos und ist alles andere als amüsiert. Dieser Einschätzung kann man trotz aller Absicht, mit den „Watchmen“ noch einmal Geld verdienen zu wollen, schlicht nicht teilen. Alle beteiligten Künstler haben sich redlich Mühe gegeben, dem Andenken und dem Stellenwert der kultigen „Watchmen“ gerecht zu werden. Die Fans werden das zu schätzen wissen.
Fazit: Man könnte „Crimson Corsair“ vorschnell als nachrangige „Watchmen“-Veröffentlichung erachten, da die Piratengeschichte ja in den bislang erschienenen Bänden auch jeweils auf einigen Seiten erzählt wurde, aber weit gefehlt. Hier gibt es auch noch die sehr gelungenen Stories von Moloch und von Dollar Bill. Insgesamt zählen die drei Stories von „Crimson Corsair“ sicher zu den Highlights der Prequel-Serien. Das mag an den routinierten Autoren liegen, oder auch daran, dass die Charaktere in diesem Sammelband in dem ursprünglichen „Watchmen“-Universum eher eine untergeordnete Rolle spielen. Dabei wäre die Seeräubergeschichte allein schon grandios.
Comic-Wertung: (8 / 10)
Before Watchemen: Crimson Corsair
OT: Before Watchmen: Dollar Bill, Before Watchmen: Moloch 1-2, The Curse of the Crimson Corsair
Autoren: Len Wein, J. M. Straczynski
Zeichner: Eduardo Risso, Steve Rude, Kyle Higgins
Übersetzung: Carolin Hidalgo
Verlag: Panini Comics, Softcover, 148 Seiten,
VÖ: 17.12.2013