Mit seinem Psychodrama „Die Jagd“ ist dem dänischen Regisseur Thomas Vinterberg nach „Das Fest“ erneut ein Meisterwerk gelungen. Mads Mikkelsen als Kindergärtner Lucas gerät in den Verdacht, sich an einem Kind vergangen zu haben. Eine gnadenlose Spirale der Angst und der Ächtung setzt ein. Nun ist einer der besten Filme des Jahres auch auf DVD und Blu-ray erschienen.
Lucas (Mads Mikkelsen) macht keine einfache Lebensphase durch: Nach seiner schwierigen Scheidung hat der arbeitslose Lehrer eine Anstellung als Kindergärtner bekommen und fasst gerade wieder Fuß in der dänischen Gemeinde. Doch als er ein Geschenk der kleinen Klara (Annika Wedderkopp), der Tochter seines besten Freundes Theo (Thomas Bo Larsen), milde aber bestimmt zurückweist, behauptet das Mädchen, Lucas hätte sie angefasst. Bei der Leiterin des Kindergartens stößt die Behauptung auf offene Ohren und ihre schlimmsten Befürchtungen werden wahr. Sie zieht einen Psychologen hinzu und schnell wird Lucas als schuldig abgestempelt, obwohl er seine Unschuld beteuert.
Doch die Behauptung ist in der Welt und zieht ihre unheilvollen Bahnen, während Lucas‘ Sohn Marcus (Lasse Fogelström) gerade beschlossen hat, zukünftig bei seinem Vater zu leben. Lucas und auch Marcus sind tagtäglich Anfeindungen ausgesetzt, kaum einer seiner Jagdkumpel, die ihn seit Kindertagen kennen, hält noch zu ihm.
Regisseur und Autor Thomas Vinterberg und auch Hauptdarsteller Mads Mikkelsen machten unmissverständlich deutlich, dass es ihnen nicht darum geht, Kindesmissbrauch oder Pädophilie zu verharmlosen. Doch es geht in „Die Jagd“ auch und vor allem um das Selbstverständnis und Funktionieren einer von Angst geprägten Gesellschaft, exemplarisch dargestellt an einer überschaubaren dänischen Dorfgemeinschaft. Hier kennt jeder jeden und die Gerüchte verbreiten sich ebenso rasant wie sie es heutzutage auch im weltweiten Internet tun. Dabei entwickelt sich ebenso schnell eine angsterfüllte Paranoia, die das Zusammenleben empfindlich stört und mit Sündenböcken schnell bei der Hand ist.
Lucas hat kaum die Möglichkeiten, sich gegen die haltlosen Vorwürfe zu verteidigen, eine ausweglose Situation, die zu gesellschaftlicher Ächtung führt. Doch da er gerade erst soviel in seinem Leben verloren hat, stellt er sich der Situation so gut er es eben vermag. Dabei wird die Stimmung immer bedrohlicher obwohl die Dorfgemeinschaft versucht, einen Anschein von Normalität aufrecht zu halten. Absurder Weise sind offene Auseinandersetzungen dabei die Ausnahme, vielmehr verselbstständigt sich die Anschuldigung zu einer Rechtfertigung.
„Die Jagd“ seziert in überschaubarem, alltäglichem Rahmen große gesellschaftliche Problemstellungen im Umgang mit unseren Kindern und im Zusammenleben mit anderen. Mit großartigen Darstellern, allen voran Mads Mikkelsen, der für seine grandiose Darbietung in Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet wurde, zieht Vinterbergs Film seine gesamte faszinierende Spannung aus dem Agieren der Charaktere, ohne dabei auf Effekthascherei angewiesen zu sein. Als Bonusmaterial sind Interviews mit Mads Mikkelsen und Thomas Vinterberg enthalten, sowie einige entfallene Szenen, unter anderem ein alternatives Ende.
Fazit: Das dänische Drama „Die Jagd“ ist eine eindrückliche Gesellschaftsstudie und ein großartiges Psychogramm über die Macht einer falschen Beschuldigung. Großes, einfühlsames und dramatisches Kino.
Film-Wertung: (9 / 10)
Die Jagd
OT: Jagten
Genre: Drama,
Länge: 120 Minuten, DK 2012
Regie: Thomas Winterberg
Darsteller: Mads Mikkelsen, Thomas Bo Larsen, Lasse Fogelstöm,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Wild Bunch / Universum
Kinostart: 28.03.2013
DVD & BD-VÖ: 23.08.2013