„Meinen Sohn Franz schließe ich von der Erbschaft aus, da er ein unordentliches Leben führt[…]“ Glücklicherweise hat der junge Mann, dem dies beschieden wurde, es dann doch noch zu Etwas gebracht; auch wenn sich das Rastlose, Unstete im Leben des Autors Franz Jung als Leitmotiv etabliert hat. Vor etwas mehr als 100 Jahren, 1912, da war Franz Jung schon enterbt, erscheint sein literarisches Debüt „Das Trottelbuch“, welches nun in der Edition Nautilus anlässlich des 50. Todestages von Franz Jung neu aufgelegt wurde. Das Ausrufezeichen eines Autors, der so vieles war: Mitbegründer des Dadaismus, Journalist, Wirtschaftswissenschaftler und vor allem Revolutionär.
Wer als Autor, als Künstler sich an der Sprache reibt und mit ihr ringt, hat es zu keiner Zeit leicht gehabt, Leser zu finden. Da macht auch „Das Trottelbuch“ keine Ausnahme, wie Herausgeber Lutz Schulenberg in seinen Nachwort darlegt, die Avantgarde hat sich vor allem selbst bespaßt. Fernab dessen, was man heutzutage wohl literarischen Mainstream nennen würde, oder eben „bürgerlichen Realismus des Romans“. Franz Jung versucht mit seinen expressionistischen frühen Schriften etwas anderes als bloßes Geschichtenerzählen. Er will den menschlichen Beziehungen mittels Sprache auf den Grund gehen und so Raum geben für ein Mitdenken, Miterleben des Lesers.
„Das Trottelbuch“ besteht auf seinen rund 90 Seiten aus vier Teilen, von denen „Die Erlebnisse der Emma Schnalke“ den Großteil ausmachen. Geschildert werden scheinbare Alltäglichkeiten in einer unmittelbaren, klaren, rauen und einfachen Sprache. Wenn es Zusammenhänge, Assoziationen zwischen den unterschiedlichen Schilderungen gibt, muss der Leser sie selbst herstellen. Zusammenhangserlebnisse sind denn auch worauf Jung es anlegt. Und immer auch die Frage, die so floskelhaft unendlich viele Deutschaufsätze begleitet: Was will uns der Autor damit sagen? Das muss jeder selbst herausfinden. Kunst, die sich zum Ziel setzt, den Menschen zu verändern, ist allemal die Auseinandersetzung wert. Ein derart rasantes Leben wie das von Franz Jung mehr als schlicht interessant.
Der Testamentstext geht übrigens noch weiter: „Meinen Sohn Franz schließe ich von der Erbschaft aus, da er ein unordentliches Leben führt und uns nicht bloß großen Kummer und Sorgen gemacht, sondern auch eine große Summe gekostet hat, die ich auf seinen Erbteil anrechne, so daß er keinerlei Anspruch gleich welcher Art von meinem Nachlass hat.“ (Zitiert nach Franz Mieraus Leben und Werk Abriss in Franz Jung: Werkausgabe, Band 1/1, Feinde Ringsum, Edition Nautilus, 2003)
Glücklicher Weise kümmert sich die Edition Nautilus darum, das literarische Werk des einst enterbten Franz Jung am Leben zu halten, auf das alle teilhaben können an diesen höchst lesenswerten Schriften. Die revolutionären, innovativen Impulse sind auch heutzutage von Belang. Nicht nur in literarischer sondern auch in gesellschaftlicher Hinsicht und so hat Franz Jung über die Jahre kaum etwas von seiner Kraft und Ausdrucksstärke verloren.
Fazit: Das schmale Buch sollte man als Anlass und Einstieg in das Werk eines großen Autors nehmen, dessen literarisches Vermächtnis in der Edition Nautilus gehegt und gepflegt wird. Die Werkausgabe und die lesenswerte Biographie „ Das Verschwinden des Franz Jung“ sind ein opulenter Schatz, den es zu entdecken oder zu bergen gilt.
Buch-Wertung: (8,5 / 10)
Franz Jung: Das Trottelbuch
Genre: Experimentelle Prosa, Expressionismus
ISBN 978-3-89401-773-6
Verlag: Edition Nautilus,Gebunden, 96 Seiten
VÖ: 21.01. 2013
Weiterführende Links:
Franz Jung in der Edition Nautilus
Franz Jung bei Wikipedia
Franz Jung im Dadaweb
Das Trottelbuch in der Edition Nautilus