Zeichentrickfilme haben es hierzulande immer noch schwer, wenn sie nicht gerade von Pixar, Disney oder Dreamworks kommen. Der irische Animationsfilm „Das Geheimnis von Kells“ war bereits 2010 für einen Oscar nominiert. Jetzt endlich hat Pandastorm den großartigen Bildersturm auch in Deutschland veröffentlicht, auf DVD und Blu-ray. Dabei vertrüge dieser Ausflug in das mittelalterliche Irland sehr wohl eine große Leinwand, um seine faszinierende Wirkung zu entfalten.
Im neunten Jahrhundert wird Irland von den Wikingern bedroht. Der Waisenjunge Brendan wächst im Kloster Kells mitten in einem abgelegenen Wald auf. Der Klostervorsteher Abt Cellach ist sein Onkel. Aus Furcht vor der Bedrohung lässt der Abt hohe Schutzwälle rings um das Kloster errichten, obwohl die Mönche selbst viel lieber ihrer normalen Tätigkeit nachgingen: dem Illustrieren von Büchern. Auch Brendan ist fasziniert von dieser Kunst. Eines Tages trifft der berühmte Illustrator Aidan im Kloster ein und bringt ein legendäres Buch mit. Heimlich hilft Brendan dem Mönch Aidan bei der Arbeit daran. Doch dazu muss er den Schutz des Klosters verlassen und in den unheimlichen Wald hinaus. Dort trifft er das Feenwesen Aisling, das als Wolfsfrau durch die unberührten Wälder streift, neugierig freundet sie sich mit Brendan an.
Brendans Geschichte ist direkt mit dem Buch verwoben. Regisseur und Animationskünstler Tomm Moore entwickelte jahrelang die Idee, einen Film über die Entstehung des sagenhaften „Buches von Kells“ zu machen. Ein Meisterwerk frühmittelalterliche Buchmalerei, das tatsächlich existiert. In kongenialer Weise verwendet der Animationsfilm „Das Geheimnis von Kells“ die christlichen Inhalte und die keltische Ornamentik des Buches, um daraus einen beinahe magischen Trip in die Vergangenheit zu starten. Es sind erstaunliche, perspektivische Animationen entstanden, die den Stil der frühmittelalterlichen Ornamentik heraufbeschwören und trefflich umgesetzt sind. Mit welcher Konsequenz man sich der damaligen Malereiperspektive verschrieben hat und es schafft, die damalige Zweidimensionalität im Film abzubilden ist mehr als herausragend. Dazu kommt ein stimmiger folkloristischer Soundtrack und die Bilder entfalten eine fast magische Sogwirkung.
Das Manko von „Das Geheimnis von Kells“ liegt in der eher simplen Story, die mit dem jungen Brendan einen kindlichen Protagonisten hat und häufig dessen Erzählperspektive einnimmt. Der Film ist als Familienunterhaltung konzipiert und soll auch ein junges Publikum ansprechen, doch genau dort liegt die Krux mit der Handlung. Denn die ist nicht durchgehend kindgerecht: Es gibt einen Überfall der Wikinger, der nicht nur stilistisch aus dem Rahmen fällt und wahrlich furchteinflößende Bilder findet. Das ist illustratorisch und szenisch mehr als gelungen, aber eben nicht für junge Zuschauer geeignet, die vielleicht auch mit der perspektivischen Verzerrung ihre Schwierigkeiten haben mögen. Insofern hätte Tomm Moore seinen Animationsfilm gleich für eine ältere Zielgruppe konzipieren sollen, oder auf dem Wikingerangriff verzichten. Eine etwas erwachsenere Handlung hätte dem „Geheimnis von Kells“ jedenfalls gut getan.
Angesichts der großartigen, originellen Bilderwelten fällt diese Kritik allerdings wenig ins Gewicht, denn „Das Geheimnis von Kells“ sucht visuell seinesgleichen und ist eine echte Offenbarung, die nicht nur Zeichentrickfans begeistern sollte, sondern durchaus auch Kunsthistoriker beeindrucken mag. Im Making of gibt es noch Einblicke in den Entstehungsprozess und diverse Skizzen zu bestaunen. Regisseur Tomm Moore plaudert aus dem Zeichenkästchen.
Fazit: „Das Geheimnis von Kells“ ist einer der originellsten und prächtigsten Animationsfilme der letzten Jahre. Das hätte eigentlich eine große Leinwand verdient.
Film-Wertung: (8 / 10)
„Das Geheimnis von Kells“
OT: The Secret of Kells
Genre: Animation /Trickfilm , Historienfilm
Länge: 79 Minuten, IR, 2009
Regie: Tomm Moore
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Pandastorm / Ascot Elite
DVD- & BD-VÖ: 23.10.2012