Angeregt durch den Dokumentarfilm „The Substance – Albert Hofmann’s LSD“ der Mitte Mai 2012 in die Kinos kam und eine Kulturgeschichte der „Wunderdroge“ erzählt, erschien mir eine Vertiefung des Themas naheliegend. Vor allem die Interview-Sequenzen mit dem klugen Albert Hofmann haben ihren Eindruck hinterlassen. Was liegt da näher, als sich seine 1979 erschiene Schrift „LSD –mein Sorgenkind“ vorzunehmen. Hofmann war zeitlebens von der Nützlichkeit seiner „Entdeckung“ überzeugt und hat sich der Thematik auch außerhalb seiner Arbeit gewidmet. Seine Abhandlung über LSD führt in eine erstaunliche Richtung und ist keineswegs eine Abrechnung mit einer unheiligen Erfindung.
Hofmanns erster Selbstversuch mit Lysergsäuredietyhlamid (LSD) ist nicht nur in der chemischen Forschung legendär, seine Fahrradfahrt im Rausch ist mehr oder weniger legendär. Doch weg von den Anekdoten, hin zur ernsthaften Auseinandersetzung: 1979 erscheint LSD mein Sorgenkind erstmals und ist inzwischen in der dritten Auflage erschienen (2010), mit dem Untertitel „Die Entdeckung einer „Wunderdroge“. Auf gut 200 Seiten schildert der Schweizer Chemiker nicht nur die Forschungsarbeit, die schließlich zur Entdeckung der psychoaktiven Substanz LSD führt, sondern auch seine lebenslange wechselhafte Beziehung zu seiner Substanz.
„Andererseits muss ich gestehen, dass mich die Frage sehr beschäftigt, ob die Verwendung dieser Art von Drogen, also von Stoffen die so tief eingreifen, nicht schon an sich eine Grenzüberschreitung darstellen könnte.“ (S.171)
Hofmann beobachtet die psychologische Forschung interessiert und ist entsetzt, dass die hochwirksame Substanz in den USA frei in Umlauf kommt und unter von weiten, vornehmlich jungen Teilen der Bevölkerung missverstanden und missbraucht wird. Das Verbot von LSD, das daraufhin ausgesprochen wird, lässt jegliche ernsthafte Forschung zum Erliegen kommen.
Doch im Laufe seines Forscherlebens kommt Hofmann immer wieder mit psychoaktiven Substanzen in Kontakt. Und bei der Analyse einiger mittelamerikanischer Pflanzen, die für rituelle Zwecke gebraucht werden, entdeckt er regelmäßig chemische Verwandtschaften zum LSD. Und so begibt sich der Chemiker auf eine Reise, die eher spirituelle Ausmaße annimmt, setzt sich mit Wirkungen und Traditionen indigener Kulturen auseinander, die mittels psychoaktiver Substanzen den Kontakt zu ihren Göttern suchen. Diese Forschungsreisen und Beschäftigung mit dem metaphysischen Überbau lassen Hofmann zu einer erweiterten Sichtweise auf das LSD kommen. Die gesundheitlichen Risiken und Vorbehalte bleiben dabei allerdings bestehen.
„Aber im Grunde genommen gehören die Fragen, die durch halluzinogene Drogen aufgeworfen werden, in die Kirche, in erster Linie in die Kirche, denn es sind sakrale Drogen.“ (S. 196)
Sein gesamtes Arbeitsleben lang war Albert Hofmann bei der Firma Sandoz beschäftigt und der 1906 geborenen Chemiker starb 2008 im Alter von 102 Jahren. Für einen Wissenschaftler bedient sich Albert Hofmann einer sehr verständlichen Sprache und die chemischen Ausführungen sind so populärwissenschaftlich wie möglich gehalten. Und im weiteren Verlauf vermischt sich Forschungsbeschreibung und Biographie, Reisebeschreibungen und Gespräche mit prägenden Zeitgenossen zu einem munteren, aber sehr gehaltvollen Diskurs, vor allem über sakrale Drogen.
„In der Möglichkeit, die auf mystisches Erleben ausgerichtete Meditation von der stofflichen Seite her zu unterstützen, sehe ich die eigentliche Bedeutung von LSD. Eine solche Anwendung entspricht ganz dem Wesen und Wirkungscharakter von LSD als sakrale Droge“ (S. 218)
Fazit: Albert Hofmanns Schrift „LSD –mein Sorgenkind“ gibt sowohl vertiefende Einblicke in die Entdeckung und Forschung dieser psychoaktiven Substanz als auch Einblick in das Leben und Denken eines passionierten Forschers, der zeitlebens neugierig geblieben ist und sich mit der Welt auseinandergesetzt hat. Das ist nicht nur für Wissenschaftler höchst lesenswert.
Buch-Wertung: (7,5 / 10)
Albert Hofmann: „LSD – Mein Sorgenkind“
Verlag: Klett-Cotta, 224 Seiten, gebunden, bedrucktes Leinen,
ISBN: 978-3-608-94618-5
VÖ: Erstauflage 1979, 3. Auflage 2010,
Weiterführende Links:
Albert Hofmann bei Klett-Cotta
Albert Hofmann bei Wikipedia
LSD bei Wikipedia
Filmkritik zu „The Substance“