Träumt nicht jeder Junge irgendwann einmal davon, ein Superheld zu sein? Die Graphic Novel „A God Somewhere“ erzählt von den Schattenseiten einer solchen ungewollten Berufung und von den menschlichen Problemen, die die übermenschliche Macht nach sich ziehen kann. Die beindruckende und drastische Story von Autor John Arcudi wird von Zeicher Peter Snejberg und Kolorist Bjarne Hansen eindrücklich und mit wuchtigen und emotionalen Bildern inszeniert. „A God Somewhere“ blickt in den Abgrund…und der Abgrund blickt zurück.
Sam und die Brüder Eric und Hugh sind seit High School Zeiten Freunde. Damals standen die Brüder dem farbigen Neuen zur Seite, als er von ein paar halbstarken Idioten verprügelt wird. Doch das ist lange her. Und während Hugh seine große Liebe Alma geheiratet hat und ein glückliches Leben führt, hängen Sam und Eric immer noch miteinander ab und leben in den Tag hinein. Dass Sam und Eric noch Single sind, mag daran liegen, dass sie heimlich in Alma verknallt sind.
Eines Nachts ereignet sich in dem Häuserblock, in dem Eric wohnt, eine Explosion, doch wie durch ein Wunder entsteigt er den Trümmern unverletzt. Mehr noch, er verändert sich, seine Haut wird undurchdringlich und er besitzt übermenschliche Kräfte. Den Medien bleibt dieses Wunder nicht lange verborgen und während Eric langsam zum Helden stilisiert wird, entfremdet er sich immer mehr von seinem Kumpel Sam, der sich eine Zeitlang in Erics Ruhm sonnt, und auch von Alma und Hugh.
Eric erfährt aber auch schnell von der Schattenseite der übermenschlichen Kraft: Die Leute fürchten ihn. Und Hugh kommt definitiv nicht mit Erics gut gemeinter Bevormundung zurecht. Eric beginnt zu verbittern…und ein Desaster beginnt.
Viel Trost lassen Autor John Arcudi und Zeichner Peter Snejberg ihren Lesern nicht und erzählen ihre Story mit aller Drastik und Härte, aber auch mit viel Menschlichkeit und einer gelungenen Dramatik. Sam ist so etwas wie der Erzähler, der dem Leser durch seine Freundschaft mit den Brüdern gleichzeitig eine erzählerische Nähe aber auch eine Distanz ermöglicht. Dieser erzählerische Clou gibt Arcudi den Freiraum, seine gelungene und fesselnde Story so zu erzählen, dass Erics Wandlungen gleichzeitig als Bedrohung wahrgenommen werden können und der Leser dennoch Mitgefühl empfinden kann.
Neben der Konsequenz mit der die Geschichte des unfreiwilligen Superhelden, der sich in einen manischen Gott verwandelt, ist es vor allem das gelungen dramaturgische Gleichgewicht, das die Qualität von „A God Somewhere“ ausmacht. Actionreiche und finstere Sequenzen wechseln immer wieder mit ruhigen Dialogen und szenischer Aufbereitung der allgemeinen Stimmung, so dass dieses persönliche Drama auch als jenes gesellschaftliches Phänomen zum Tragen kommt, das es ist. Snijbergs flächiger Stil arbeitet dabei geschickt und effektiv mit der Dunkelheit und auch die optische Wandlung Erics vom smarten Surfer hin zu einem barbarischen Gott ist ziemlich eindrucksvoll.
Wenn man es genau bedenkt, kommt diese meisterhafte und menschliche Erzählunghaltung nicht von ungefähr: Arcudi ist als Autor von Mike Mignolas Hellboy-Ablegers „B.P.R.D.“ ebenso daran interessiert, Geschichten zu erzählen, die über das reine Genre-Comic hinausgehen, wie auch Zeichner Snejberg, der schon früh in seiner Karriere eine von Garth Ennis geschriebene Hellblazer-Story ins rechte Bild rückte. Jetzt haben Arcudi und Snejberg selbst einen fast ikonenhaften Meilenstein geschaffen, der sie zu den Höhen des modernen Comic-Olymp führt. Den Einfluss der großartigen Farbgebung von Bjarne Hansen sollte man allerdings nicht unterschätzen.
Fazit: Die finstere Superheldenparabel „A God Somewhere“ zeigt die Abgründe des Superhelden-Daseins auf sehr menschliche Weise, ohne dabei den Actionfaktor außer Acht zu lassen. Autor John Arcudi hat eine absolut lesenswerte Story erdacht, die Zeichner Peter Snejberg kongenial umsetzt. Großes Kino, aber man sollte es lieber nicht so machen wie der Verkäufer am Ende der Story und auf dem Film warten, statt das Buch zu lesen.
Comic-Wertung: (8,5 / 10)
Arcudi & Snejberg: A God Somewhere
OT: A God somewhere, Wildstorm 2010
Autor: John Arcudi
Zeichner: Peter Snejberg
Farben: Bjarne Hansen
Übersetzung: Bernd Kronsbein
ISBN: 978-3-86201-204-6
Verlag: Panini, Softcover, 204 Seiten
Comic-VÖ: 13.02.2012
Weiterführende Links:
A God Somewhere bei Panini
Leseprobe bei Mycomics
Interview (englisch) mit Arcudi & Snejberg bei Craveonline.com