Heute ist die Vorfreude groß, denn es gibt nicht nur den Abschlussfilm „Monsieur Lazhar“ zu sehen, bevor ich am Freitag die Gelegenheit habe, mit dem Regisseur zu sprechen, der bei der Deutschlandpremiere am Sonnabend (8.10.) anwesend sein wird, sondern es steht auch „Detachment“ auf meinem Zettel, Adrien Brody ist einer meiner Leinwandlieblinge. Nach zwei großen Filmen lasse ich es einfach gut sein.
„Monsieur Lazhar“
„Monsieur Lazhar“ ist ein algerischer Asyl-Bewerber, der in Montreal auf seine Anerkennung wartet. Als er in der Zeitung liest, dass sich an einer Schule eine Lehrerin umgebracht hat, ergreift er die Chance und stellt sich als Übergangslehrer vor. Und tatsächlich bekommt er den Job. Der höfliche und stille Mann will so gar nicht in den modernen Schulbetrieb passen, hält absolut nichts von gruppendynamischer Sitzordnung und lässt Diktate zu Balzac-Texten schreiben. Doch nach und nach bekommt Monsieur Lazhar Zugang zu der traumatisierten Klasse. Allerdings wird der Selbstmord der Lehrerin an der Schule wie ein Tabu-Thema behandelt und Lazhar läuft mit seinem Vorschlag, die Trauer zu thematisieren immer wieder gegen Wände.
Dem hierzulande (fast) unbekannten frankokanadischen Regisseur Philippe Faradeau gelingt mit „Monsieur Lazhar“, seinem vierten Spielfilm, ein wunderbares, ruhiges filmisches Kleinod, das mit seiner einfühlsamen Art und dem lakonischen Humor trotz eines schwierigen Themas nur gewinnen kann. Der grandiose algerischen Hauptdarsteller Mohammed Fellag erfüllt die Rolle des Aushilfslehrers dabei mit zurückhaltendem, aber gewinnenden Charme. Ein toller Film, der schon einige internationale Auszeichnungen erhalten hat und als aussichtsreicher kanadischer Beitrag um den Oscar für fremdsprachige Filme konkurrieren wird.
„Monsieur Lazhar“ ist als Abschlussfilm des Filmfestes Hamburg am 8.10 um 20:00 im Cinemaxx zu sehen und ist der erste Film von Regisseur Faradeau, der hierzulande auch in die Kinos kommen wird, ein Termin steht allerdings noch nicht fest. Ein ausführliches Interview mit Philippe Faradeau gibt es spätestens zum Deutschlandstart von „Monsieur Lazhar“.
Update Januar 2012: Inzwischen ist die internationale Film-Homepage zu „Monsieur Lazhar“ online und der Arsenal Filmverleih wird den Film im Frühjahr (momentaner Stand 12.04.212) in die deutschen Kinos bringen. Jüngst wurde „Monsiur Lazhar“ von der amerikanischen Filmakademie in der Kategorie „Foreign Language Film“ nominiert.
Film-Wertung: (8 / 10)
Detachment
In gewisser Weise knüpft der nächste Film inhaltlich an: Regisseur Tony Kaye („American History X“) setzt sich in „Detachment“ (übersetzt etwa Distanz, Abgrenzung) mit dem US-amerikanischen Bildungssystem auseinander. Aushilfslehrer Henry Barthes (Adrien Brody) kommt an eine der schlimmsten Schulen der Stadt und trifft nicht nur auf komplett durchgeknallte und desinteressierte Schüler, sondern auch auf ein Lehrerkollegium, das am Rande der Erschöpfung arbeitet. Die Schule soll demnächst geschlossen werden, weil die Leistungsquoten der Schüler so schlecht sind, dabei ist es die Politik gewesen, die hier die „Problemkinder“ zusammengelegt hat.
Mit einer großartigen, namhaften Besetzung zeichnet Regisseur Tony Kaye mit intensiver Kameraarbeit und stimmiger Kulisse ein desaströses Bild des amerikanischen Bildungssystems und der auseinanderfallenden Gesellschaft. Das ist ebenso frustrierend wie filmisch absolut beeindruckend. Doch Kaye geht in seiner schonungslosen Schilderung weiter und beklagt mangelnde gesellschaftliche Kompetenz in der Erziehung, die sich flächendeckend durch die Gesellschaft zeiht und Kinder und Jugendliche gnadenlos sich selbst überlässt. Eine Ignoranz, die letztlich in Verwahrlosung enden muss. „Detachment“ ist ein großartiges – stellenweise sogar lustiges – aber immer intensives Filmerlebnis, das mich schlicht umgehauen hat.
Hier gibt es den Trailer zu „Detachment“. Der Film hat wie auch die letzten Werke Kayes noch keinen deutschen Vertrieb. Ein Missstand, der schleunigst behoben gehört. Mein Festivalgewinner, wenn nicht noch eine Überraschung kommt.
Update Juli 2013: Endlich kommt „Detachment“ auch hierzulande auf den Markt. Alamode (Vertrieb Alive) bringt Tony Kayes Film am 30.August 2013 als DVD und blu-ray auf dem Markt.
Film-Wertung: (9 / 10)
Womit wir wieder bei den Top 5 wären:
5.“Whistleblower“
4. „Monsieur Lazhar“
3. „The Look“
2. „Bingo -zuletzt entscheidet immer das Glück“
1. „Detachment“
Viel Spaß im Kino.