Franks Flimmer-Fest 2010: Dienstag – Alles inklusive

Filmfest Hamburg Logo 2010Heute geht’s wieder in die Vollen: Ich habe fünf Filme auf dem Zettel und bei der Verschiedenheit lässt sich kein gemeinsamer Nenner erkennen. Südamerika rückt mit „Viking“ und „Norberto’s Deadline“ auf meine cineastische Landkarte, „Last Cowboy Standing“ und „Simple Simon“ bilden den skandinavischen Gegenpool und am Ende des Tages folge ich den „Spuren des Bösen“ in die Gefilde des TV-Krimis. Ein buntes Programm mit Höhen und Tiefen.

Den sonnigen Oktobertag mit einem argentinischen Bikerfilm zu beginnen, mag gewöhnungsbedürftig sein, setzt die Messlatte für den Tag aber unerwartet hoch an.

Alte Rocker und abgefuckte Straßenkids

Viking„Viking“ ist ein argentinischer Biker in der Mitte seines Lebens. Der Familienvater bestreitet seine Lebensunterhalt als Scherenschleifer. Er bekommt Probleme mit einer jugendlichen Straßengang, weil sein drogensüchtiger Neffe mit denen abhängt. Dann taucht ein unbekannter Biker in der Stadt auf und der Wikinger nimmt ihn bei sich auf. Doch Aguirre flieht vor seiner Vergangenheit und die Konflikte spitzen sich zu.

Oberflächlich betrachtet ist „Viking“ einfach ein exzellentes  Genre-Stück, das authentisch den Lifestyle der Motorrad-Verrückten zeigt. Doch der Film geht deutlich weiter und verknüpft dies Porträt mit einer gelungenen Milieustudie am unteren Rand der argentinischen Gesellschaft. „Viking“ ist alles andere als Mainstream, aber ein wahrhaft sehenswerter Film, der mich  überrascht hat (8/10).

Von Argentinien springe ich nach Finnland, wo eine dysfunktionale Familie auf mich wartet.

Der Brief, der alles auslöst…

„Last Cowboy Standing“ erzählt die Familiengeschichte zweier Brüder, die in den 1970ern aufwachsen. Als Rupert, der ältere, zufällig einen Brief von der Geliebten seines Vaters findet, beginnt der systematische Zerfall der bis dato glücklichen Familie: Streit, Scheidung, psychische Probleme und Alkoholismus, geschildert aus der Sicht der betroffenen Kinder.

Zaida Bergroth schafft es in ihrem Spielfilmdebüt, Zeitgeist und familiäre Zerrüttung überzeugend auf die Leinwand zu bannen. Dabei gibt es immer wieder sehr gelungene komische Szenen aus der Kindheit, doch am Ende sind die Brüder auf sich gestellt. Bei aller Komik doch mehr Drama. Farbfilm Verleih bringt „Last Cowboy Standing“ im Frühjahr 2011 in die deutschen Kinos (6/10).

Talentfrei durch die Midife-Krise

Mit „Norberto’s Deadline“ begebe ich mich zurück nach Südamerika. Die Filmproduktion aus Uruguay ist das Kino-Debüt des Theatermannes Daniel Hendler: Norberto geht auf die Vierzig zu, hat gerade seinen Job verloren und ist nun als Immobilienmakler auf Provision auch nicht glücklich. Sein Chef schlägt ihm sein  Seminar zur Steigerung seines Selbstbewusstseins vor, Norberto  besucht einen Schauspielkurs.

Schnell wird klar, dass sich der blasse Norberto in einer Sinnkrise befindet und mit leisem aber offensichtlichem Humor wird sein lebloses Bemühen um Veränderung inszeniert. Das ist in sich zwar stimmig, aber insgesamt nicht gerade auf den Punkt gebracht. Am Ende bin ich als Zuschauer so klug wie vorher. Am 7. Oktober ist „Norberto’s Deadline“ nochmals auf dem Filmfest Hamburg zu sehen (4/10).

Auf der Suche nach der perfekten Freundin

Simple SimonBei „Simple Simon“ (OT: „I rymden finns inga känslor „) ist der Kinosaal proppevoll und die schwedische Feel-good-Komödie weiß das Publikum zu unterhalten. Habe ich mich eigentlich schon mal über penetrante Zu-Spät-Kommer ausgelassen? Dann hülle ich auch diesmal den Mantel des Schweigens über dieses enervierende Phänomen. Warum man sich allerdings mit vermeintlich wenig griffigen Filmtiteln so schwer tut, werde ich nie begreifen. Was ist an „I rymden finns inga känslor“ (so der Originaltitel) denn schlechter als „Simple Simon“? Vor allem, weil Protagonist Simon alles andere als simpel gestrickt ist.

Simon ist 18 und leidet am Asperger-Syndrom, einer Form von Autismus. Er ist intelligent, routinefixiert und weltraumbegeistert, nur mit Emotionen und Überraschungen kann er nichts anfangen. Als Simon seine Eltern mal wieder überfordert, nimmt sein Bruder Samuel ihn in seiner neuen Wohnung auf. Das führt allerdings dazu, dass dessen Freundin Schluss macht und auszieht. Um die tägliche Routine wieder herzustellen, geht Simon mit wissenschaftlicher Akribie daran, eine neue Freundin für Samuel zu finden.

Regisseur Andreas Öhmann gelingt eine liebevolle und sehr witzige Komödie, die mit vielen kleinen Gags und enormer Lebensfreude überzeugt. „Simple Simon“ macht einfach gute Laune. Der Film ist gerade erst in Schweden angelaufen, aber ich bin sicher, Simon in absehbarer Zeit auch in hiesigen Kinos wieder zu treffen (8/10). (UPDATE: Hierzulande kommt der Film unter dem Titel: „Im Weltraum gibt es keine Gefühle in die Kinos“

Gewohnt souverän – Heino Ferch

Spuren des BösenZum Tagesabschluss gehe ich mal wieder mit meiner Liebsten ins Kino. Teenagermäßig ausgestattet mit Getränk und Mega-Popcorntüte machen wir uns auf die „Spuren des Bösen“. Viel Andrang herrscht allerdings nicht. Vielleicht lag’s an der späteren Stunde, vielleicht am vorher angesetzten Stuttgart-Tatort, definitiv aber auch am Alternativprogramm „Tamara Drewe“ von Stephen Frears.

Wir wurden jedenfalls solide und spannend unterhalten, als Heino Ferch als Verhörspezialist der Wiener Polizei in Mordermittlungen unterwegs ist, die in Zusammenhang mit einem großen Baukonzern stehen. Die österreichisch-deutsche Fernsehproduktion setzt vor allem auf ihren Hauptdarsteller und bietet für TV-Verhältnisse gute Krimi-Unterhaltung. Ein Sendetermin steht für „Spuren des Bösen“ noch nicht fest (6/10).

So abwechslungsreich der Dienstag auch war, er war auch durchwachsen. So langsam keimt in mir die Frage,wohin die mutigen Filme verschwunden sind?  Aber dazu morgen mehr.

Die Top 5 des Filmfests Hamburg

Spork

1. „Spork“

2. „Poetry“

3. „Viking“

4. „Das Labyrinth der Wörter““

5. „Simple Simon“

Bis morgen.

Ein Kommentar

nofrank 2010/10/28

hi, will be online for the next 30 minutes. than tomorrow again.