Die Farben der Zeit: Bunte Ahnenforschung

Auf den Spuren ihrer Ahnin Adéle lernen sich einige Menschen kennen, die bislang nichts voneinander wussten. Gemeinsam erkunden sie ihre Familiengeschichte und zugleich auch eine prägende Phase in der französischen Kultur und Kunst. Das ist von Filmmacher Cédric Klapisch erneut meisterhaft komponiert und hinreißend in Szene gesetzt. „Die Farben der Zeit“ kommt am 14. August 2025 in die Kinos.

Der Notar hat eine ganze Weile gebraucht um die vielen Leute aufzuspüren, die sich nun in einem Saal in einer kleinen Stadt in der Normandie treffen. Sie alle sind Nachfahren von Adèle Meunier née Vermillard, die um 1900 herum gelebt hat. Nun steht ihr Haus am Rand des Ortes seit Jahrzehnten leer und die Gemeinde möchte das Land kaufen um dort ein Einkaufszentrum zu bauen. Die Erbengemeinschaft muss darüber entscheiden.

Die Gemeinschaft bestimmt vier Vertreter, die sich das verfallene Anwesen anschauen sollen und dann eine Empfehlung abgeben, was mit dem gemeinsamen Erbe geschehen soll. So treffen sich der junge Fotograf Sep (Abraham Wapler), die stets überarbeitete Céline (Julia Piaton), der Aussteiger Guy (Vincent Macaigne) und der Lehrer Abdelkrim (Zinedine Soualem), der demnächst in Rente geht um das Haus zu untersuchen.

Ein verfallenes Landhaus

In dem Landhaus findet sich ein Gemälde und viele alte Fotografien. Immer wieder träumen die Nachfahren daraufhin von Adéle (Suzanne Lindon). Die macht sich anno 1895 als 21jährige auf den Weg nach Paris. Denn ihre Großmutter, bei der sie aufwuchs, ist gestorben und Adéle will nun ihre Mutter suchen. Unterwegs macht sie auf dem Seine-Boot die Bekanntschaft zweier junger Männer, die ebenfalls in Paris ihr Glück suchen wollen.

Anatol (Paul Kircher) will Kunstmaler werden und Lucien (Vassili Schneider) Fotograf. Die beiden sind seit Kindheitstagen beste Freude und bieten Adéle an, sich in Paris doch mit ihnen zusammenzutun. die Wirtin auf Mont Martre hat nichts dagegen. Schließlich lungern hier genug Künstler herum und solche die sich dafür halten. Und während sich die vier gegenwärtigen Nachkommen langsam kennenlernen, erkundet Adéle auf der Suche nach ihrer Mutter Paris.

Der französische Filmmacher Cédric Klapisch mag seine Schauspieler:innen und sie mögen ihn auch. Warum sonst sollte sich Cécile de France („Rebellinnen“) in der kleinen aber feinen Rolle als Kunstexpertin sehen lassen? Immerhin war sie zusammen mit Vincent Macaigne (hier wieder mit Bart) erst jüngst in den Hauptrollen in „Die Bonnards“ zu sehen, der in einer ähnlichen Zeit und Kunstphase handelt. Das ist insofern schön, weil es die ohnehin schon irrwitzige Ausbreitung von Zusammenhängen in „Die Farben der Zeit“ quasi über den Film hinaus weiterträgt.

Und ganz nebenbei haben die Kunstexpertin und die Nachkommen gegen Ende des Films eine kollektive Traumsequenz, die die Grenzen von Raum und Zeit weiter hinter sich lässt und zu dem impressionistischsten zählt, was heutigentags im Film zu sehen ist.

Auf nach Paris

Wie so häufig in Filmen von Cédric Klapisch („L’auberge Espaniol“, Der Wein und der Wind“, „Das Leben ein Tanz“) muss das Publikum sich einlassen auf die zunächst eher eigenwillige Ausgangsituation der Geschichte. Und immer wieder nimmt der Filmverlauf unerwartete Wendungen. So wie die Traumsequenzen in „Die Farben der Zeit“ und die hinreißenden Übergänge zwischen Zeiten und Orten. Aber das mag jede:r selbst sehen.

Das Drehbuch von „Die Farben der Zeit“ der im Original „La venue de l’avenir“ heißt, also „Die Ankunft der Zukunft“ porträtiert eine Epoche in der sich künstlerisch und gesellschaftlich und technisch Einiges getan hat und sowohl der Impressionismus als auch der Film als Medium die Sicht auf die Welt veränderten. Das ist von Klapisch und seinem langjährigen Ko-Autoren Santiago Amigorena sehr kenntnisreich und detailfreudig erzählt ohne belehrend zu werden. Auch spiegeln sich die damalige Erzählebene und die gegenwärtig auf kunstvolle und unterhaltsame Art und Weise. Das ist schon meisterlich erzählt und den Gang ins Kino allemal wert.

„Die Farben der Zeit“ ist ein großer und großartiger Film. Mit hinreißender Leichtigkeit und großem zwinkernden Charme entführt Filmmacher Cédric Klapsisch das Publikum in die Welt der Kunst und der Erfindungen, zugleich aber auch in ein faszinierendes Familiengeheimnis. Darin kann mensch sich verlieren und auch wiederfinden. Und wie so oft bei Klapisch geschieht das weniger über den V erstand als über eine emotionale Verbundenheit des Publikums mit der Geschichte. So lebendig war die Vergangenheit lange nicht mehr.

Bewertung: 9 von 10.

Die Farben der Zeit
OT: La venue de l’avenir
Genre: Drama, Komödie
Länge: 124 Minuten, F, 2025
Regie: Cédric Klapisch
Schauspiel: Suzanne Lindon, Julia Piaton, Vincent Macaigne, Zinedine Soualem, Abraham Wapler
FSK: ab 12 Jahren
Verleih: Studiocanal
Kinostart: 145.08.2025

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