
Die Alpakazucht in der Lausitz läuft nicht gerade gut. Wilmas Ehe auch nicht. Dabei ist das Leben ist Mitte Vierzig doch noch lange nicht zu Ende. „Wilma will mehr“ und fährt nach Wien. Zu sehen im Kino ab dem 31. Juli 2025.
Ende der 1990er Jahre arbeitet die ehemalige Maschinistin eines Energie-Kombinats in der DDR als Verkäuferin im Elektrofachgeschäft im Nachbardorf. Außerdem züchtet Wilma (Fritzi Haberlandt) heute Alpakas. Doch Gatte Alex lässt mit schöner Regelmäßigkeit das Gatter offen und schläft seinen Rausch aus. Wilma fängt die Tiere dann wieder ein und verpasst die eine oder andere Probe der Kolleginnen zum Ehemaligentreffen. Das Maschinistinnen-Ballett schafft sie sich aber noch drauf.
Beim Ehemaligentreff ist auch Vorarbeiter Martin (Stephan Grossmann) da, der lebt jetzt in Wien und hat was aus sich gemacht. Als Wilma dann ihrem Ehemann intim mit einer anderen Frau sieht, beschließt sie kurzerhand Martin in Wien zu besuchen. Alleine und ohne Abschiedsworte.
Martin ist etwas perplex, bietet aber seine Schrebergartenlaube als Basis an. Wilma ist gekommen um zu bleiben. Oder doch nicht? Sie macht sich auf Arbeitsuche, doch ihre Qualifikationen und Zertifikaten machen wenig Eindruck, und auf der Behörde klappt die Anmeldung auch nicht, weil nie einer da ist.
Die Lage wird besser als Wilma sich zu den ausländischen Tagelöhnern stellt und für die Elektrik eines Hotels arbeiten kann. Dort lernt sie auch einen jungen Maler kennen, der ihr einen WG-Platz anbietet. Ganz schön boheme in der Wohngemeinschaft.
„Allet wird anders“
Das Publikum meint die anfängliche Situation von Wilma zu kennen, Ost-Tristesse nach der Wende. Perspektivlosigkeit in der Lausitz und doch war hier Heimat, zuhause, das ganze Leben gewesen. Mit unverzagtem Pragmatismus hat sich Wilma gegen die Resignation gestemmt. Ihr erwachsener Sohn lebt mittlerweile andernorts im Westen, ihr Gatte trinkt zu oft zu viel und so richtig Freude kommt im Arbeitsalltag auch nicht auf. Vor allem, wenn der Elektroladen dicht machen muss.
Es wirft ein erstes Fragezeichen in den Raum, wenn der Chef zu Wilma meint: „Sie kennen doch unsere Bilanzen. Sie wollten sich ja nicht beteiligen. Sie hätten uns retten können.“ Wieso denn, wovon denn, möchte mensch meinen und mit welcher Perspektive? Außerdem, die Zukunft des Einzelhandels wird im Internet verspielt.
Jetzt also alles neu und ausgerechnet nach Wien. Das ist aus filmischer Sicht ein pfiffiger Schachzug, denn so entkommt Wilma und mit ihr die Frauenthemen des Films dem ewigen ost-west-deutschen Befindlichkeiten. In Österreich ist Wilma aus der DDR ebenso ausländisch und ungewollt wie die Fremdarbeiter aus dem Osten.
Und dennoch trägt der unverzagte Fortschrittsglaube die eigenwillige, wortkarge Frau auch durch diese Phase ihres Lebens. An dieser Stelle von Optimismus zu sprechen würde bedeuten der Prämisse des Verleihs zu folgen, dass „Wilma will mehr“ eine Komödie sei. Dem wage ich entschieden zu widersprechen. Auch und gerade weil der Trailer was Humoriges verspricht, wenn Wilma Qualis aufzählt. Aber das einzulösen bleibt die eher lange, eher elegische Erzählung schuldig. Eben keine launige Erzählhaltung.
Monika Marons „Flugasche“ verstaubt auf dem Nachttisch
Stattdessen hat diese von Fritzi Haberlandt großartig dargebotene Wilma eine Sprachlosigkeit um sich herum, die sie wie einen Panzer trägt. Der wird durch die trockene Aufzählung der eigenen Meriten als vorzeigbare Zertifikate nicht eben dünner und zugewandter. Erst als Wilma eine verwandte Elektrikerseele trifft, wagt sie sich der Welt zu öffnen. Wenn auch nur für einen kurzen, geselligen Moment.
Das alles ist von Filmmacherin Maren-Kea Freese fein beobachtet und souverän in Szene gesetzt. Allerdings mit deutlichem Hang zur Langmut und alltäglicher Bodenständigkeit. Da helfen auch die drei bis fünf surrealen Traumsequenzen nicht um abzuheben. Bleib mal auf den Teppich, Wilma, und zieh die nächste Pfütze uff Null. Schade eigentlich.
„Wilma will mehr“ und macht sich wie einst „Herr Rossi sucht das Glück“ auf den Weg. Von der Lausitz nach Wien und zurück, sozusagen „to hell and back“. Das ist realistisch und fein beobachtet dargestellt und ein bisschen dröge vorgetragen. Bisweilen will da auch das Publikum mehr und wünscht sich, dass Wilma mal aus ihrer Haut kann.

Wilma will mehr
OT: Wilma will mehr
Genre: Drama
Länge: 112 Minuten, D, 2025
Regie: Maren-Kea Freese
Schauspiel: Fritzi Haberlandt, Stephan Grossmann, Thomas Gerber
FSK: ohne Altersbegrenzung, Ab 0 Jahren
Verleih: Neue Visionen
Kinostart: 31.07.2025