Leonora im Morgenlicht: Tiere im Nebel

Die englische Malerin Leonora Carrington gilt heute als eine der wichtigsten Vertreterinnen des magischen Surrealismus. Das biografische Drama „Leonora im Morgenlicht“ zeigt die frühen Jahre der Künstlerin, die auch mit Max Ernst liiert war und erst spät Ankerkennung bekam. „Leonora im „Morgenlicht“ ist ab dem 17. Juli im Kino zu sehen.

Durch eine Plansequenz majestätischer Berge windet sich eine entfernte Straße auf der ein Auto durchs Bild fährt. Die Kamera begegnet dem Auto als es eine Pause macht und begleitet die beiden Leute auf ihrem Weg zu einem Refungium. Hier, im Skulpturengarten „Los Pozas“ des exzentrischen Kunstsammlers Edward James (Ryan Gage), soll sich die Malerin Leonora Carrington (Olivia Vinall) zu Beginn der 1950er Jahre erholen.

Während sich ihr Mann, der Fotograf Chicki Weisz, und der Kunstsammler über Leonoras Zustand unterhalten, verfällt die Malerin in Erinnerungen. Und findet sich im Paris der 1930er Jahre wieder. Hier hat sie als Geliebte von Max Ernst (Alexander Scheer) Zugang zu den surrealistischen Kreisen um André Breton. Während einer Soiree trägt Kurt Schwitters seine Urlaute vor, die noch keine Sonate sind, und die Künstler ergehen sich über Sinn und Zweck von Ausdruck und Existenz.

Leonora und Max gehen auf das südfranzösische Anwesen ihrer Familie, nachdem sich Ernst von seiner Frau getrennt hat. Doch das Glück währt nicht ewig und zu Beginn des zweiten Weltkriegs wird Max Ernst inhaftiert und Leonora bleibt alleine zurück. Ihre Künstlerfreundin Remedios Varo (Cassandra Chiangherotti) findet die Britin erst Monate später verwahrlost und verwirrt vor. Auf der Flucht vor den Deutschen nach Spanien verlieren sich die beiden Frauen und Leonora landet auf unbekannten Wegen in psychiatrischer Behandlung.

Der Tod und das Pferd

Im Abspann des künstlerischen Porträts über Leonora Carrington, die von 1917 bis 2011 lebte, sehen wir Leonora bei den Vorbereitungen zum Malen. Die Frau, die ab den späten 1950er Jahren in Mexiko zu ihrer künstlerischen Bestimmung kam, grundiert die Leinwand, zerdrückt Pigmente, mischt Farben an und begibt sich in Positur; allein malen sieht das Publikum sie nicht. Und darin spiegelt sich auch die Krux mit dem ganzen Film „Leonora im Morgenlicht“.

Die Künstlerin selbst bleibt seltsam blass und schweigsam. Es sind die Männer um sie herum, die sie zu bestimmen scheinen und ihr Leben in Richtungen lenken. In Mexiko zu Filmbeginn soll sie sich erholen, in Paris ist sie vor allem Geliebte, Muse des „großen“ Max Ernst. Sicher, Leonora malt auch, aber ihr Schaffen bleibt seltsam ungesehen. Das führt dazu, dass zumindest mich die Person dieser Frau seltsam gleichgültig lässt. Später dann, quasi mit der Verwirrung und der Psychiatrie ändert sich das, allein dann hat der Film seine Hälfte bereits überschritten.

Die Hyäne und die Alchemistische Küche

Das ist insofern wirklich schade, weil diese künstlerisch und visuell bisweilen außerordentliche Werk einen emotionalen Mittelpunkt verdient hätte. Die Anfangssequenz in dem mexikanischen Bergen ist große Kamera-Kunst, und die späteren langen beinahe Tableau-artigen Einstellungen sind von sehr dynamischer Bildkonstruktion. Das ist schon ein großes visuelles Vergnügen. Auch wissen die Darsteller:in ihren Rollen zu überzeugen.

Die Pariser Surrealisten-Salons werden bewusst so manieriert überzeichnet angelegt sein, die südfranzösische Sonne absichtlich gleißend und hell eingefangen sein. Im Grunde wird bereits in Souddesign des Filmanfangs Leonoras Verhältnis zu Tieren angedeutet, wenn die Vogelstimmen klar aus dem Waldesrauschen herauszuhören sind. Leonora hat von Kindheit an den Eindruck mit Tieren reden zu können. Besonders mit Pferden und der Hyäne, die fiese lachend noch zu ihren surreal fantastischen Auftritten kommt. Aber das mag jede:r Kunstinteressierte selbst sehen.

Das Künstlerinnenporträt „Leonora im Morgenlicht“ ist eine zwiespältige Angelegenheit. Während der Film in Bildsprache und Optik eindrücklich ist, bleibt die Annäherung an die titelgebende Künstlerin seltsam farblos. So prächtige und kunstvolle Szenen um eine sprachlose Person, die sich auch nonverbal kaum mitteilt? Schade eigentlich.

Bewertung: 5 von 10.

Leonora im Morgenlicht
OT: Leonora in the Morning Light
Genre: Drama, Biografie
Länge: 103 Minuten, D/MEX/GB/RUM, 2025
Regie: Thor Klein, Lena Vurma
Schauspiel: Olivia Vinall, Ryan Gage, Cassandra Chiangherotti, Alexander Scheer,
Vorlage: Roman „Leonora“ von Elena Poniatowska (Deutsch: „Frau des Windes“
FSK: ab 12 Jahren
Verleih: Alamode Film
Kinostart: 17.07.2025

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