The Big Short: Wetten auf Ausfälle

Der von den USA Zollankündigungen ausgelöste Aktienwirbel vor ein paar Wochen gab bei brutstatt.de noch einmal Anlass hinter die Kulissen der Finanzwelt zu blicken. „The Big Short“ kam bei uns 2016 in die Kinos und betrachtetet die weltweite Finanzkrise von 2008, die mit dem Platzen der US-amerikanischen Immobilienblase begann. Das adaptierte Drehbuch wurde mit einem Oscar ausgezeichnet und der Film hat etliche Nominierungen aufzuweisen. Angesichts der Starbesetzung des Ensemblefilms werden wohl auch finanzwirtschaftliche Zusammenhänge zweitrangig. Und dennoch, hier eine Filmkritik.

An Wirtschaftskompetenz mangelt es „The Big Short“ nicht. Zumindest versucht der Film auf recht anschauliche Weise zu verdeutlichen, was sich seinerzeit auf dem amerikanischen Immobilien- und Finanzmarkt abgespielt hat. Und weil „The Big Short“ auf dem gleichnamigen hochgelobten Sachbuch-Bestseller von Michael Lewis basiert, der auch die Buchvorlagen für „Moneyball“ und „The Blind Side“ verfasste, sind die Zusammenhänge recht fundiert. Wie weit der durchschnittlich finanzinteressierte Zuschauer dem Auf und Ab der Spekulationen allerdings folgen kann oder mag, steht auf einem anderen Blatt. Wer es nicht so genau wissen will, sollte die nächsten drei Absätze überspringen.

„Short“ bezeichnet im englischen Finanzjargon anhaltend sinkende Kurse auch Baisse genannt. Und eben aus solchen sinkenden Kursen versucht der eigenwillige kalifornische Hedgefond-Manager Michael Burry (Christian Bale) im Jahr 2005 für seine Anleger Kapital zu schlagen. Seinen Berechnungen nach müsste der amerikanische Immobilienmarkt und die damit verbundenen Finanzprodukte in absehbarer Zeit den Bach runtergehen. Leider steht Burry mit seiner Analyse recht alleine dar. Als er Credit Default Swaps, also Kreditderivate, die mit Ausfallrisiken des Immobiliensektors handeln, in Millionenhöhe kaufen will, hält ihn die Bank für komplett verrückt, lässt sich aber darauf ein.

Heavy Metal zur Konzentration

Davon bekommt der Wall Street Händler Jared Vennett (Ryan Gosling) zufällig Wind und beginnt nachzuforschen. Er kommt zu derselben Einschätzung wie Burry und sieht ebenfalls die Chance den großen Reibach zu machen. Er wendet sich an Mark Baum (Steve Carrell), den Vermögensverwalter einer Unterabteilung der Bank Morgan Stanley. Baum und sein Team von Finanzanalysten halten es für komplett unmöglich, dass Vennett Recht haben könnte, beschäftigen sich aber dennoch mit dem Thema.

Zeitgleich versuchen auch zwei junge Börsenmakler aus Boulder in Colorado an der Wall Street in New York mitzumischen. Leider ist ihre Firma nicht finanzstark genug. Aber der ausgefuchste Finanzexperte Ben Rickert (Brad Pitt), der sich eigentlich zur Ruhe gesetzt hat, tut den Jungs einen Gefallen. Auch die beiden Börsenmakler werden auf die minderwertigen Finanzprodukte auf dem Immobiliensektor aufmerksam und wollen daran verdienen.

Regisseur Adam McKay ist bislang für seine albernen Komödien wie „The Anchorman“, „Die etwas anderen Cops“ oder „Stiefbrüder“ bekannt. Mit deren Level an Klamauk hat „The Big Short“ allerdings nicht viel gemeinsam. Stattdessen lebt der turbulente Ausflug in die Finanzwelt von dem Wissen, wie die Sache ausgeht. So kann „The Big Short“ seine Handvoll ungehörter Mahner in der Wüste als Outsider inszenieren, die als einzige den Durchblick haben. Das sorgt schon mal für Sympathien und auch die lockere Art und Weise wie Ryan Goslings Charakter immer wieder den Zuschauer direkt anspricht, um ihm das Geldverdienen zu erklären, wirkt entspannt und auf unterhaltsame Weise besserwisserisch.

Rufer in der Finanzwüste

Neben dem großartigen und großartig aufspielenden Cast, der in den parallel montierten Handlungen für Abwechslung sorgt, verursachen das hohe Tempo und der ständige Wechsel der Handlungsorte eine gewisse Turbulenz, die das eigentlich ernste Thema humoristisch bricht. Dazu dürfen Prominente, die mit Finanzen nichts am Hut haben, in unpassenden Situationen Grundbegriffe der Finanzspekulation mittels lustiger Vergleiche erklären. Und das Konzept geht auf: Ähnlich wie in „Anchorman“ beleuchtet Adam McKay eine selbstverliebte, selbstherrliche Männerwelt, die sich selbst durch ihre Großspurigkeit ins Lächerliche zieht. Selbstbräumer inklusive.

Dabei darf man allerdings nicht vergessen, dass auch die Anti-Helden in „The Big Short“ fast alle ausschließlich auf Profit aus sind; selbst wenn man gegen die eigene Wirtschaft wetten muss. Insofern ist „The Big Short“ auch von großem Zynismus geprägt, den man nicht notwendiger Weise teilen muss. Da macht nur der von Zweifeln geplagte Mark Baum eine kleine Ausnahme. Er hat ob seiner nicht gehörten Warnungen schlicht resiginiert. Die katastrophalen Ausmaße der Finanzkrise und die komplette Ignoranz der Finanzakteure überraschen die Protagonisten in „The Big short“ dann aber doch.

„The Big Short“ warten neben großen Stars in kauzigen Rollen auch mit viel Tempo und Biss auf. Alle, die schon immer wussten, dass der Aktienmarkt irgendwann kollabieren musste, bekommen die höchst unterhaltsame Bestätigung, dass sie nicht allein im Universum sind – es aber auch leider versäumt haben, so richtig abzusahnen.

Bewertung: 7 von 10.

The Big Short – Dies ist eine wahre Geschichte
OT: The Big Short
Genre: Komödie, Drama
Länge: 130 Minuten, USA, 2015
Regie: Adam McKay
Vorlage: Sachbuch „The Big Short“ von Michael Lewis
Schauspiel: Christian Bale, Karen Gillan, Steve Carell, Ryan Gosling,
FSK: ab 6 Jahren
Vertrieb: Paramount / Universal
Kinostart: 14.01.2016
DVD- & BD-VÖ: 02.06.2016

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