Weiter geht das Ausloten deutscher mehr oder minder Komödien mit „Ob Ihr wollt oder nicht“ von 2009.„Na, wenn das mal was wird!“ war mein erster Gedanke, nachdem ich mich (zum Kinostart) mit „Ob ihr wollt oder nicht“ beschäftigt habe. Angesichts der Thematik ist Skepsis durchaus angesagt, doch als die Lichter im Saal ausgehen, entfaltet sich ein wunderbarer Film. Ja, das wird was. Um Was geht’s? Eine krebskranke junge Frau bricht die Therapie ab und stresst damit die Familie. „Ob ich wollt oder nicht“ kam 2009 in die Kinos.
An der idyllischen Schleswig-Holsteinischen Ostsee lebt Laura Karstens (Katharina Schubert) mit ihrem Mann Peter (Jan-Gregor Kemp) ganz in der Nähe ihrer Eltern Dorothea (Senta Berger) und Henning (Jan Declair). Doch die junge Frau hat Krebs, der nach langer Behandlung nicht mehr therapierbar ist. Als zieht Laura wieder zu ihren Eltern, besetzt quasi ihr altes Zimmer und besteht darauf, dass der Rest der Bagage, die Schwestern Antonia (Julia-Maria Köhler), Corinna (Anna Böger) und Susanne (Christiane Paul), sich herbequemen.
Natürlich werden die ganz unterschiedlichen Schwestern aus ihrem Alltag gerissen und denken eigentlich nur an einen Kurztrip, um Laura dazu zu bringen, sich wieder in Behandlung zu begeben. Doch die weigert sich standhaft. Sie hat die Nase voll und plant nun ihren eigenen Tod: Der soll selbstbestimmt und im Kreis der lieben Familie sein.
Wahnsinn oder, alle zusammen auf einem Haufen.
Durch das Leiden und den Psychoterror, den Laura mit bissigen, zynischem Humor auf den Rest der Familie ausübt, bleiben die Schwestern länger im Haus der Eltern, als allen Beteiligten lieb ist. Zu viele ungeklärte Konflikte untereinander. Die eigenen Unzulänglichkeiten, die niemand gerne eingesteht, obendrauf. Beides wird zunächst durch die Hilflosigkeit der Familienmitglieder im Angesicht des sicheren Todes kaschiert.
Jede:r versucht auf seine Weise mit der Situation umzugehen. Susanne flüchtet sich in blinden Aktionismus. Besessen von der Absicht eine neue Therapie für Laura klarzumachen und sich nicht weiter mit dem eigenen Kaufrausch auseinanderzusetzen. Corinna muss sich um ihre Kinder kümmern und um ihre nicht gerade optimale Ehe. Antonia befindet sich im Dauerzoff mit ihrer Mutter, die den beziehungslosen Lebensstil der Tochter nicht sonderlich gutheißt. Doch ausgerechnet hier und jetzt lernt Antonia Paul (Mark Waschke) kennen. Lauras Mann Peter ist heillos überfordert, weil ihn seine totkranke Frau verlassen hat und ihn auch nicht sehen will. Den Schutzmechanismus dahinter kann er nicht erkennen.
Es dauert nicht lange, bis einen die Familienkonstellation von Ben Verbongs („ Das Sams“) Dramödie in ihren Bann zieht. Wer Geschwister hat, erkennt bald die universellen Mechanismen und Konflikte eines jeden Familienalltags. Dennoch sind die Figuren individuell genug, um nicht als stumpfe Stereotypen zu enden. Im Gegenteil gerade die eigenständigen Persönlichkeiten machen den Film so wirkungsvoll.
Kurz vor’m Ende soll man ja nochmal aufblühen.
Der Humor in dieser tragischen Konstruktion wirkt nicht aufgesetzt, sondern fügt sich natürlich, sozusagen als letztes Bollwerk gegen das Leiden in den Kontext. So begleitet der Zuschauer fasziniert und mitfühlend das Ballett auf der Leinwand. Bis zum unausweichlichen Ende.
Das Ende ist den auch der schwierigste Part dieser Familiengeschichte: Wie geht man damit um, dass ein geliebter Mensch selbst bestimmt, wann es zu Ende geht? Hier bezieht der Film eindeutig Stellung zur Sterbehilfe. Doch nicht alle Familienmitglieder akzeptieren diese Entscheidung einfach so, zumal ihnen allen dabei eine Aufgabe zukommt, die nicht leicht zu bestehen ist.
Der Abschied selbst ist dann doch ein bisschen zu theatralisch ausgefallen, zumindest für mich, der ich noch nie ein Freund großer Abschiede war. Doch abgesehen von meiner persönlichen Sichtweise, schließt der Film von Regisseur Ben Verbong hier seine losen Enden und fängt den Verlust auch tröstend ab. Die Familie ist enger zusammengerückt und teilt eine, wenn auch leidvolle, Erfahrung.
Lebendige Figuren bevölkern eine bewegende Geschichte. Das Drehbuch funktioniert nicht nur aufgrund der Darstellerinnen traumwandlerisch sicher. „Ob ihr wollt oder nicht“ ist eine sehr sehenswerte Auseinandersetzung mit dem Sterben und dem Leben. Eine Antwort auf die Frage, was im Leben wichtig ist.
Ob ihr wollt oder nicht
OT: Ob ihr wollt oder nicht
Genre: Drama, Komödie
Länge: 112 Minuten, D, 2009
Regie: Ben Verbong
Schauspiel: Katharina Schubert, Anna Böger, Julia-Maria Köhler, Christiane Paul,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: 3L Entertainment, KNM Home Entertainment
Kinostart: 30.04.2009
DVD-VÖ: 10.12.2009