Früher als in Sachen Musik noch alles besser war, gab’s so‘ne Faustregel, dass ‚ne Band mit ihrem dritten Album den Durchbruch klarmacht. Im Fall der schwedischen Psych-Rocker:innen MaidaVale wäre der längst fällig. Und dennoch ist „Sun Dog“ anders als der Vorgänger und die Band hat ihren Sound charismatisch umgeformt. Auf „Sun Dog“, das bereits im Mai 2024 erschien, ist alles Rhythmus und alles Flow. Die Bass läuft. Die Band tourt. Es gibt „neues“ Ohrenfutter.
Das groovy psychedelische Cover von „Sun Dog“ stammt von Alex Khabbazi und sieht aus wie ein 70er Lampenschirm. Es setzt aber die „Sun Dogs“ kongenial in optischen Rhythmus um. Sonnenhunde benennen flapsig eine Halo-Erscheinung, die bei uns „Nebensonne“ genannt wird.
Die Zielgruppe darf also aus dem Cover und dem Titel schließen, dass es musikalisch mit Hall und Echo und wenig bodenständigen, eher sphärischen Sounds zur Sache geht. Tatsächlich ist das auch irgendwie der Fall. Aber dazu gleich mehr.
MaidaVale ist ein Quartett aus der Nähe von Göteborg in Westschweden. Hier geht’s schon mal rauer und windgebeutelter zur Sache und seit 2012 sind MaidaVale in identischer Besetzung am Start. Mit „Sun Dog“ hat die Band nach „Tales of The Wicked West“ (2016) und „Madness is Too Pure“ (2018) ihr drittes Album veröffentlicht und das auf inzwischen auf dem eigenen Label.
„Everthing we want we take“
Die Band macht psychedelischen Rock, der aber auch Einflüsse anderer Sounds integriert und durch den Gesang immer wieder eine eingängige Poppigkeit erreicht. Allerdings auch durch das vermieden ewiger Dudeleinen (gegen die ich persönlich nix hätte). Die Songs sind knackig und auf den Punkt.
Aktuell gehen MaidaVale auf ausgedehnte Europatour und sind ab März 2025 auch in Deutschland zu sehen (Tourdaten unten). (Die Performance-Qualitäten der Band lassen sich unter anderem in einem Rockpalast Auftritt von 2020 bestaunen.) Aus diesem Anlass haben MaidaVale noch einen Song in das weltweite Netz entlassen. „Perplexity“ war ursprünglich ein Vinyl Only Song zum aktuellen Album, nun gibt’s den auch digital. Und weil er zum Album gehört, gibt’s dazu auch noch meine zwei Cent.
MaidaVale haben sich Zeit genommen und merklich an ihrem Sound geschraubt. Bislang waren es vor allem knackige Gitarren und bestimmender Gesang, der zuerst ins Gehör sprangen. Jetzt ist alles wesentlich rhythmusbetonter und Schlagzeugerin Johanna Hansson und Bassistin Linn Johannesson weben für jeden der neun Songs einen roten Teppich, der schlicht und ergreifend groovt und wie ein beständiger Flow durch das Album führt.
„Out of your control now“
Vor allem der präsente, bisweilen verzerrte Bass ist stilprägend und intoniert zum Teil auch die Riffs mit. Auf dieser Grundlage wirken der Gesang von Matilda Roth und die Gitarre von Sofia Ström eher zurückhaltend. Aber wer genau hinhört, merkt dass das Gegenteil der Fall ist. Statt anspringender, mackernder Rock-Elemente ist der Bandsound ausgewogener, reifer und demokratischer. Ich würde sogar sagen weiblicher, wenn sich das nicht so derbe blöd anhören wurde. Allein, mir fehlt ein treffenderer Begriff.
„Faces“ eröffnet das 34-minütige Vergnügen auf „Sun Dog“ (Ohne 4:04 Minuten Perplexity) mit einem lässigen Riff und einem coolen Gesang. Zum Refrain hin stimmen alle aufmunternd mit ein und schleudern die Parole „Loose Control“ ins Tanzvolk. „Faces“ war bereits als Video/Single ausgekoppelt und ist einfach ein Hit.
„Fools“ lässt den Bass pumpen und entwickelt eine Flow, der ganz erheblich tanzbar ist. „Gimme Your Attention“ hat meine, nachdem das blumige Intro einen spacigen Gitarrenausflug loslässt. Ganz weit hinten säuselt in meinem Kopf Sally Oldfield „Moonlight Shadow“, aber das bleibt nur ein flüchtiger Gedanke.
„Finally we know how“ (Control)
„Daybreak“ fährt entspannt riffend durch die Nacht und dem Sonnenaufgang entgegen. Ein sehr einnehmendes Motiv markiert einen weiteren Hit, der an Siebziger Rock erinnert und sehr gefällt. Inklusive melodischem Gitarrensolo und furiosem Finale. Wobei mir erneut auffällt wie sehr es MaidaVale gelingt die Songs kompakt zu halten. Das ist im Genre psychedelischer Rockmusik keineswegs Gang und Gäbe. Macht die Musik aber sehr viel zugänglicher.
„Wide Smile, All is Fine“ rockt ganz erheblich mit funky komprimiertem Gitarrensound und ist der schwerste Song auf dem Album. „Control“ wirkt beinahe wie ein flotter instrumentaler Krautrocksong. Der Text beschränkt sich auf drei geflüsterte, gesprochenen, variierte Zeilen. Sehr hypnotisch das Ganze.
„Pretty Places“ ist eine sirenenhafte Ballade, die mit mehrstimmigem Gesang und sehr fettem Bass begeistert. „Alla Dagar“ ist nicht nur wegen des schwedischen Textes außergewöhnlich, sondern auch in der musikalischen Ausrichtung. Der Song ist sehr folkig ausgefallen. Irgendwie skandinavisch und dennoch hat das trillernde Gitarrenmotiv etwas von Wüstenblues und fügt sich perfekt ein. Vielleicht die überraschendste Kombi auf dem Album. Möglicherweise hat Tinariwen-Gitarrist Said Ag Ayat hier die Gitarre beigesteuert.
„Forget the night, the sun is out“ (Daybreak)
Zum Abschluss rocken MaidaVale nochmal ab und wenden sich mit „Vultures“ gegen all die Nervtöter aus der Vergangenheit, die der Veränderung und Entwicklung entgegenstehen. Erneut wird die entspannte Tanzbarkeit der Band deutlich hörbar. Bisweilen kommt auch die Freiburger Band „Sound of Smoke“ an solche Groove-Qualität heran. Konsequent ist der Album-Abschluss mit 4:30 Minuten der längste Song des Albums.
Ach und dann wäre da noch der Vinyl Only“-Track „Perplexity“, der im Promomaterial konsequenter Weise auch nicht enthalten war. Nun ist der psychedelische Rocker also auch digital verfügbar und gefällt. Musikalisch ist „Perplexity“ so etwas wie die Brücke zum alten Material der Band. Es geht rockiger zu, der Song hat eine sich steigernde Dynamik zu bieten, wird quasi immer komplexer, was die sehr große Überraschung und Verwirrung durchaus erklären könnte. Guter Song, aber unterschiedlich genug, um nicht zwangsweise auf dem Album zu sein.
„Sun Dog“ wurde von Kalle Gustafsson Jerneholm und György Barocsai aufgenommen und produziert. Ersterer war Bassist bei „The Soundtrack of Our Lives“ und ist in zwischen gefragter Produzent (unter anderem PJ Harvey). Auf Instagram bezeichnet er „Sun Dog“, an dem er über ein Jahr lang immer wieder gearbeitet hat, zurecht als eine seiner besten Produktionen. Was soll ich da ergänzen?
MaidaVale haben sich auf „Sun Dog“ nicht neu erfunden, aber ihren Sound neu austariert und dabei eine ganz neue musikalische Einheit definiert. Dass muss eine Band erstmal ohne Verwerfungen hinbekommen. „Sun Dog“ ist sicher ein der Überraschungen des vergangenen Musikjahres und sollte der Band ausverkaufte Konzerte bescheren. Wir hören uns.
Album-Wertung: (9 / 10)
MaidaVale: Sun Dog
Genre: Psychedelic Rock,
Länge: 34 Minuten, S, 2024
Interpret: MaidaVale
Format: CD, digital, Vinyl
Label: Silver Dagger Records
Vertrieb: Border
VÖ: 03.05.2024
Maidavale bei Bandcamp
Instagram mit MaidaVale
MaidaVale-Homepage
Und hier kommen schon mal die Maida Vale Tourdates für 2025
Februar 2025
20 February / Brussels / Cheval Marin / BE
21 February / Munich / Import Export / DE
22 February / Innsbruck / p.m.k. / AT
23 February / Chambéry / Brin de Zinc / FR
25 February / La Clusaz / Le Lion d’Or / FR
26 February / Tours / Festival Bruissements d’Elles / FR
27 February / Angers / Joker’s / FR
28 February / Pessac / Le Royal / FR
März 2025
01 March / Nantes / Cold Crash / FR
02 March / Arthez-de-Béarn / Le Pingouin Alternatif / FR
03 March / Capbreton / Le Circus / FR
04 March / Rouen / Le 3 Pièces / FR
06 March / Stuttgart / Wagenhallen / DE
07 March / Seewen / Gaswerk / CH
08 March / Viechtach / Altes Spital / DE
09 March / Marburg / KFZ / DE
10 March / Binche / La Binchoise / BE
11 March / Lille / La Bulle Café / FR
12 March / Mannheim / Altes Volksbad / DE
13 March / Karlsruhe / P8 / DE
14 March / Frankfurt / Dreikönigskeller / DE
15 March / Schwerin / Komplex / DE
18 March / Berlin / Cassiopeia / DE
19 March / Dresden / Chemiefabrik / DE
20 March / Bochum / Die Trompete / DE
21 March / Rotterdam / Lab Grounds / NL
22 March / Bielefeld / Extra Blues Bar / DE