Poolhead – Seaside Chronicles: Album Review

Zum Wochenende noch mehr neue Musik. Zur Abwechslung mal eine Mixcassette. Die „Seaside Chronicles“ des Hamburger Trios Poolhead, wurden mir von der Band selbst zugespielt. Das ehrt mich. Nach eigener Aussage sehen sich die drei Jungs folgendermaßen: „POOLHEAD ist eine entspannte, instrumentale Meisterleistung, die der wilden Freiheit der klassischen Surf-Rock-Tradition eine psychedelische Perspektive verleiht.“ Na, dann ab ins Becken.

Poolhead bestehen seit 2021 aus Schlagzeuger Davide Herde und den beiden Gitarristen Benjamin Bode und Tim Rinka. Tim ist auch für die Aufnahmen zuständig und nach einer flotten EP, die als Vinylsingle 2022 im Selbstverlag rauskam, folgte nun Ende 2024 ein Mixtape als Kassette. Selbstredend sind die Songs auch digital bei Bandcamp zu kriegen. Wer hat denn heute noch ein Kassettenrekorder am Start? Doch nur die Drei Fragezeichen Nerds.

Womit ich unelegant beim ebenso einprägsamen wie abstrusen Bandnamen angekommen bin. Meine Englisch-Kenntnisse und –Lexika brachten mich einer etwaigen Bedeutung kaum näher. Am ehesten fallt mir dazu Deadpools Taxifahrer Dopinder ein, der sich den Namen des Helden nicht merken kann und immer wieder zwischen Mister Pool und Pool-Boy hin- und her scharwenzelt.

Möglicherweise, und der Schriftzug legt das nahe, geht es eher um die Bubbles im Kopf, die der Sound hervorruft -wie Luftblasen unter Wasser. Ist aber letztlich auch nicht wichtig. Poolhead kann ich mir merken und die Musik mag ich auch. Im Frühjahr 2025 ist ein Gig im Komet in Hamburg angekündigt, das mag als Veranstaltungstipp durchgehen (näheres im Insta-Account von Poolhead).

Surfing with the Schietwetter

Nun aber ans Wesentliche: die Musik. Entspannte Instrumentalmusik zwischen Surf und Psychedelic ist ja aktuell nicht gerade hitparadentauglich. So wie das einst in der ersten Hälfte der Sechziger bei The Shadows, The Ventures, The Tornados oder The Spotnicks war. Da gab’s auch Bands mit Gesang wie etwa die Sonics und es ging schon ganz flott zur Sache. Im weitesten Sinne ließe sich das musikalisch durchaus als Prä-Punk verstehen. Das Energielevel der Hits (wie „Wipe Out“) war bisweilen hysterisch, die Bühnenoutfits schräg wie bei den Spotnicks („Rocket Man“).

Diesem instrumentalen Sound haben sich die drei Hamburger Jungs (eventuell mag einer oder mehrere zugezogen sein, egal) verschrieben und sie zelebrieren ihn überzeugend. Erstaunlicher Weise wirkt das gar nicht so nostalgisch wie mensch meinen möchte, sondern hat mit seinem Twang-Sounds und seiner Rhythmik durchaus etwas szeneaffine Punkiges oder zumindest sehr Indie-Rock-iges.

Auf der „Küsten Chronik“ sind in knapp 25 Minuten 8 Stücke zu hören. Und die passen ebenso auf einen altgedienten britischen Amüsierpier („Seaside Special“) wie in ein alternatives JZ („Freie Räume“). [Vergebt mir die eigennützige Erwähnung von Filmen.] Auf „Seaside Chronicles“ sind zwei so titulierte Zwischenspiele, die mit gesampletem Monolog schon eine andere Klangwelt aufschließen. Das hört sich beinahe an wie die Enablers um Poeten Peter Simonelli. Ich mag das sehr. Der (musikalische) Anschluss an die folgenden Songs wäre noch ausbaubar, aber Interludien können und sollen ja auch für sich stehen.

„Shake’n’Spill“ statt „Surf’n’Turf“

„Shake’n‘ Spill“ eröffnet den Liederreigen flott und mit gehörigem Drive. Da kommt der Motor auf Touren und beginnt zu rollen. Eine flotte Gitarrenmelodie leitet durch die Rhythmen und in einen alten Sound, der sich ziemlich aktuell anfühlt. „Panoramas“ hat wieder so einen sehr einnehmenden Gitarrensound. Dazu Meeresrauschen und zurückgelehnter Rhythmus und der Blick auf den Horizont eröffnet sich von ganz alleine. Nach 2:30 Minuten trudelt der Song aus wie die Welle aufläuft.

„Leavel Headed“ ist das erste Interlude und mein heimlicher Liebling. „Heatcatcher“ hat anschließend beinahe Ska zu bieten und offenbart mit den einsilbigen Rufen im Refrain eine prima Tanzeinlage für jede Feier. Möglicherweise wäre das ein Hit, aber mit dererlei Prognosen bin ich vorsichtig. Auf jeden Fall ein Ohrwurm.

„The Siren Song“ gemahnt an einen bekannten Blues und Folk-Klassiker, entwickelt aber ein Eigenleben. Und im bewegten Mittelteil wird der löckende Einfluss der Sirene hörbar, die den Seefahrer ganz benebelt macht. Da braucht es derbe Rock-Power um sich aus der Hypnose zu befreien. Musikalisch vielleicht der stärkste, weil abwechslungsreichste, Song und fast schon progressive Psychedelic.

Nach dem zweiten Interlude „Liquid Lullaby“ geht es mit „Yacht“ entspannt dem Sonnenuntergang entgegen. Nur um dann doch noch in Brettsport-Gewässer zu kommen. Da geht es tempomäßig und in Sachen Energie schon sehr punkig ab. Selbstredend lassen sich nicht nur Wellen surfen, sondern auch Flammenzungen. „Surfing the Hellfire“ ist ein flotter und bissiger Abschluss für eine sehr charmante Single-Kollektion, die ganz dringlich eine größere Hörerschaft benötigte.

Poolhead aus Hamburg legen mit den „Seaside Chronicles“ eine flotte Lieder-Kollektion vor, die eindrucksvoll zeigt, dass 60er Instrumental-Rock und melodischem Punk in der Luftlinie nur ein paar Klafter auseinander liegen. Bonuspunkt gibt’s für’s Selber Machen.

Album-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Seaside Chronicles
Genre: Surf-Rock, Instrumeal Rock, Psycheldelic
Länge: 8 Songs, 25 Minuten, D, 2024
Interpret: Poolhead
Label: Beachclub 162 DIY (Selbstverlag)
Format: Digital, Kasette
VÖ: 05.12.2024

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