„Das Dorf neben dem Paradies“ steht unter ständiger Gefahr aus dem Luftraum. Zwischen Strand und Wüstensand am Horn von Afrika sind vor allem Dürre und Krieg die austrocknenden Aspekte des Alltags. Darin eine Existenz aufzubauen bemühen sich Totengräber Mamargarde und sein Sohn Cigaal, genauso wie Tante und Schwester Araweelo. Das Drama aus Somalia hat die Ruhe weg und zeigt bisweilen mit Humor auf die Unwägbarkeiten des Lebens. Zu sehen im Exystent Filmverleih ab dem 30. Januar 2025 in den Kinos.
Sicherlich hätte der Filmverleih das Langfilmdebüt des aus Somalia stammenden Filmmachers Mo Harawe auch mit einem deutschen Titel ausstatten können. Aber da „The Village Next to Paradise“ auch nicht synchronisiert, sondern im Original mit Untertiteln ins Kino kommt, tut es auch der internationale Titel.
Immerhin hat es „The Village Next to Paradise“ 2024 als erster Film aus Somalia in den Cannes-Wettbewerb „Un Certain Regard“ geschafft. Aber das mag auch der guten Vernetzung des in Kassel ausgebildeten Mo Haware zu verdanken sein. Es tut wenig zur Sache. Filme aus Afrika und übe Afrika bleiben in der deutschen und europäischen Kinolandschaft eine Seltenheit und schon von daher betrachtungswürdig. Und „The Village next to Paradise“ ist sehenswert und poetisch ausgefallen. Aber der Reihe nach.
„Vielleicht in ein paar Tagen.“
Das Radio warnt vor einem Dronenangriff für das Küstengebiet um das Dorf Paradise an der Somalischen Küste an. Totengräber Mamargarde (Axmen Cali Faarax) geht trotzdem bestatten. Doch der Auftraggeber bezahlt zu wenig und so wird Mamargardes harte Arbeit nicht gerecht belohnt. Von dem knappen Geld auch noch Schnaps zu kaufen mag verständlich sein, vernünftig ist es nicht.
Und so muss sich Mamargardes Schwester Arweelo (Canab Axmed Ibraahin) am kommenden Morgen darum kümmern, dass ihr junger Neffe Cigaal (Ahmed Mohamoud Salleban) rechtzeitig zur Schule kommt. Doch eines Tages bleibt der Lehrer weg und die Gemeinde hat kein Geld mehr die Schule zu betreiben. Selbst wenn sie die einzige im Umkreis ist. Cigaal muss also doch in ein Internat. Für Vater und Sohn, die seit dem Tod der Mutter aneinander hängen, eine schwierige Situation.
Arweelo indes hat ganz andere Sorgen. Die Schneiderin, will sich selbständig machen, weil sie in der Näherei, in der sie arbeitet, nicht ausreichend bezahlt wird. Und Arweelo hat einen Plan. Sie will sich mit einem Mikrokredit selbständig machen, hat auch schon einen Laden-Schuppen ausgesucht und die Planung schreitet voran. Aber die Kredite sind nur für Ehepaare und Arweelo ist geschieden.
„Vielleicht?“
Ein festangestellter Arbeiter aus dem Nachbardorf hat noch Schulden bei der Schneiderin und es muss ein anderer Plan her. auch Mamargarde braucht einen Plan, denn das Krankenhaus schafft einen Schaufelbagger an, um die mittellosen, zum Teil unbekannten Toten der Dronenangriffe kostengünstiger zu bestatten.
„The Village Next to Paradise“ strahlt eine innere Ruhe aus, die angesichts der noch immer unruhigen und angespannten politischen Lage in Somalia beinahe Resignation ausstrahlt. Doch der erste Eindruck täuscht. Die auf dem engen Raum einer einfachen Hütte zusammenwohnende Patchwork-Familie bemüht sich Tag um Tag, das Leben etwas besser zu machen. Dabei stehen der Witwer, die Geschiedene und das Kind durchaus beispielhaft für die arme Landbevölkerung der Region.
„Treffen wir uns am Strand.“
Die Hungerkrise, die Armut und die Perspektivlosigkeit, die seit Jahrzehnten vorherrschen, haben Somalia zu einem „verlorenen Land“ gemacht. Eines, aus dem die Menschen wegstreben und sich dem globalen Migrationsstrom anschließen. In der Hoffnung auf ein besseres Leben. Das Filmtrio aber bleibt, vielleicht, weil selbst für eine Flucht die Mittel fehlen? Möglicherweise aber auch, weil an diesem Ort Heimat ist und Heimat bleibt.
Und so erzählt „The Village next to Paradise“ mit ruhigen Kameraeinstellungen, kleinen Gesten und wohlkomponierten, farbenprächtigen Bildern von einem Alltag, der dem hiesigen Publikum so fremd ist, dass die Vorstellungskraft für solch ein Leben kaum reicht. Darin liegt die große Kraft dieses ruhigen, ja gelassenen Films. Das ist schon erstaunlich, angesichts der mitwirkenden Laiendarsteller, des bewussten Verzichts auf langwierige Projektentwicklung und der eher spontanen Location-Suche vor Ort.
Bisweilen erreicht „The Village Next To Paradise“ die Stimmung und die Poesie, die auch dem Werk von Jim Jarmusch und Aki Kaurismäki innewohnt. Eine sehr französische, gelassene Betrachtung des Unvermeidlichen, um dann doch noch einmal nach dem Morgen zu streben. In Kombination mit dem Sound des hypnotischen Wüstenblues ist diese Anlandung neben dem Paradies schon sehenswert und hoffnungsvoll.
Film-Wertung: (7 / 10)
The Village Next To Paradise
OT: The Village Next to Paradise
Genre: Drama
Länge: 133 Minuten, D/F/A/SP, 2024
Regie: Mo Harawe
Schauspiel: Axmen Cali Faarax, Canab Axmed Ibraahin, Ahmed Mohamoud Salleban
FSK: ab 12 Jahren
Verleih: Exystent Films
Kinostart. 30.01.2025
offizielle deutsche Film-Seite
Wikipedia-Eintrag zu Somalia