Die Welt wird immer unübersichtlicher, die Technik wird immer schlauer. Warum sich das nicht zu Nutze machen und eine intelligente Stadt designen, in der die Bewohner:innen sicher und umsorgt leben? Sicher, Privatsphäre gibt es nur in homöopathischen Dosen, aber die Vorteile überwiegen. In der vom ZDF koproduzierten Sci-Fi-Thriller-Serie „Concordia – Tödliche Utopie“ geschieht das Undenkbare: Ein Mord in einer verbrechensfreien Stadt! Das gefährdet die Expansion des Konzeptes. Aufklärung tut not. Edel Motion veröffentlicht die Serie am 22. November 2024 als DVD.
Vor 20 Jahren gab es in einer schwedischen Stadt einen Amoklauf an einer Schule. Einige technikaffine Menschen um die Software-Entwicklerin Juliane Ericksen (Christiane Paul) gründeten daraufhin eine komplett überwachte Stadt, Concordia, in der mittels künstlicher Intelligenz und vollkommener Überwachung, Verbrechen praktisch ausgeschlossen ist. Das Konzept ist erfolgreich und die Bewohner von Concordia fühlen sich sicher und umsorgt.
Nun soll das Stadtkonzept in eine Stadt in Ostdeutschland übertragen werden. Die Bürgermeisterin von Kopwitz, Hanna Bremer (Caroline Eichhorn) hat ihre politische Karriere an dieses umstrittene Projekt geknüpft. Ausgerechnet zum Launch des Projektes wird in Concordia ein Programmierer tot aufgefunden. Es scheint, als wäre er ermordet worden. Um die Sache, die eigentlich unmöglich ist, zu untersuchen, wird eine externe Krisenmanagerin engagiert.
Mord in einer Stadt ohne Verbrechen
Thea Ryan (Ruth Bradley) lässt ihre Familie in London zurück, wo ihr Mann sich nicht nur um die Tochter kümmert, sondern auch um Theas demente Mutter. Für die Troubleshooterin ist der Zugang nach Concordia schon ein schräger Trip. Bei der Ermittlung stellt sich heraus, dass die KI von Concordia gehackt wurde. Nun ist das System korrumpiert und die Gemeinschaft ist bedroht. Eine Spur führt zu einer Freundin des Ermordeten, die von außerhalb zum Arbeiten nach Concordia kam. Möglicherweise ist auch eine Hackergruppe mit Verbindungen nach Ostdeutschland involviert. Gründerin Erickson und ihr Sohn und Stellvertreter Noah (Steven Sowah) versuchen die Probleme in den Griff zu bekommen.
Die großen und kleinen Themen der internationalen Sci-Fi-Thriller-Serie „Concordia“ sind nahe am Puls der Zeit. Gerade zeigt uns eine mehr oder minder frei verfügbare künstliche Intelligenz, was an Arbeitserleichterung und Kreativität von einer lernenden Maschine zu erwarten ist. Das Thema Terror und öffentliche Sicherheit sind spätestens seit den Anschlägen auf das World Trade Center immer wieder Gegenstand politischer Diskussion und fiktiver Gedankenspiele.
Als logische Konsequenz wird häufig genug auf totale Überwachung verwiesen. Die ist zwar technisch schon längst möglich und wird bereits in öffentlichen Räumen eigesetzt, etwa im Central Business District in Zentral-London und weltweit in ähnlichen Stadtbezirken. Immer wieder kommt dabei jedoch auch der Aspekt der Privatsphäre der Bürger:innen zum Tragen. Datenschutz und Privatsphäre als Teil der Menschenwürde sind hohe Güter, die in demokratischen Gesellschaften geschützt werden sollten. Selbst wenn viele von uns in sozialen Medien quasi freiwillig darauf verzichten. Aber das ist eine andere Spielwiese.
Orwells „1984“ oder „Smart Houses“?
Interessante Thematik also für ein utopische Thriller-Serie. Und dennoch weiß „Concordia“ eigentlich nur in der Auftaktfolge zu überzeugen. Die Figuren und Handlungselemente werden eingeführt und die Stadt der Zukunft wird vorgestellt. Mit interaktiven gläsernen Bildschirmen und einer mütterlich besorgten KI, die sich sogar um die Blutwerte und den Stresslevel der Bewohner kümmert. Für Thea, die zuhause in London einen eher anstrengenden familiären Alltag zurücklässt, entpuppt sich die Aufgabe der Privatsphäre als eher theoretisches Problem.
In der Serie stellen sich zwei Fragen: 1. Wie konnte der Mord geschehen? 2. Wer hätte ein Interesse daran, die KI zu hacken? Diese Ausgangslage ergibt zusammen mit einem möglichen Machtmotiv schon eine solide Basis für eine sehenswerte Sci-Fi-Serie.
„Ich bin mehr an der Zukunft als an der Vergangenheit interessiert.“
Doch gerade im Bereich der Spannung bleibt „Concordia“ etliches schuldig und inszeniert die Bedrohung und die Suche nach der Zeugin als Schildkrötenrennen, das gleichzeitig nicht sehr opulent inszeniert ist. Zwar ist die Stadt „Concordia“ schon utopisch ausgefallen, doch einiges in der skandinavisch kühl designten Umgebung erinnert mich durchaus an die erfolgreiche Sci-Fi-Serie „Humans“. Der Gegensatz zu den heruntergekommenen Bauten in Ostdeutschland ist prägnant, aber auch klischeehaft.
Auch die Charaktere bleiben vergleichsweise oberflächlich und schematisch. Die Gespräche beharren auf Kernbehauptungen, kommen aber selten in eine philosophische Tiefe, die angesichts der Thematik schon wünschenswert gewesen wäre. Als gelungen auf persönlicher Ebene empfand ich die Versuchung beziehungsweise Verheißung, die das Leben in Concordia auf die Krisenmanagerin ausübt. Hier wäre für Betreuung und Pflege gesorgt, es wäre mehr Zeit für die Beziehung und das alltägliche Chaos würde sich verflüchtigen. Doch um diese Geschichte zu erzählen ist „Concordia“ zu breit erzählt und zu episch angelegt.
„Wir sind als Gesellschaft immer dann am Stärksten, wenn wir unsere Schwächsten schützen.“
Ermittlungstechnisch, um mal im Kriminaljargon zu bleiben, schlurft „Concordia“ durch alle Untiefen, die ein Drama, das im Krimiformat erzählt wird, mit der Gartenschippe so ausheben kann. Und da ist es auch gleichgültig, dass in Schweden eigentlich nicht mit Euro bezahlt wird. Statt erzählerisch Tempo oder Tiefgang zu erzeugen, kommen in der Story von Nicolas Racz und Mike Walden zuviele Gemeinplätze zum Tragen: „Das Problem ist niemals die Technologie. Es ist die Absicht der Menschen, die sie nutzen. Am Anfang hat doch niemand eine böse Absicht.“
Die Bildwelten in „Concordia“ wissen mit allen Effekten und Kontrasten durchaus zu überzeugen. Die deutsche Regisseurin Barbara Eder inszenierte bereits 2019 eine internationale Koproduktion: „West of Liberty“. Auch die Darsteller:innen sind durchaus sehenswert, was von den Charakteren nicht durchgängig behauptet werden kann.
Beim ZDF lief „Concordia“ in einem themenschwerpunkt Künstliche Intelligenz und wurde unter anderem Mit einer Doku begleitet, die explizit darlegte, wo verschieden Aspekte von „Concordia“ heute bereits Realität sind, oder ihr reales Vorbild finden, etwa im koreanischen Busan. Das Bonus-Material der DVD-Box umfasst lediglich Interviews mit Cast & Crew.
Und letztlich läuft es wieder wie beim Zauberlehrling: „Die ich rief, die Geister, wird ich nun nicht los.“ Regisseurin Barbara Eder inszeniert stilsicher aber auch etwas statisch, was als temporeicher Science Fiction Thriller funktionieren soll. Möglicherweise ist beim internationalen Dreh oder der Nachsynchro etwas Momentum verloren gegangen. Hauptsächlich lahmt „Concordia – Tödliche Utopie“ aber daran, dass unter der glänzenden Oberfläche keine packende Zukunftsvision und sei es eine Dystopie zu sehen ist.
Serien-Wertung: (5 / 10)
Concordia – Tödliche Utopie
OT: Concordia
Genre: TV-Serie, Science-Fiction, Thriller
Länge: 270 Minuten (6 x 45), D/S/GB, 2024
Idee: Nicolas Racz, Mike Walden
Regie: Barbara Eder
Schauspiel: Ruth Bradley, Steven Sowah, Jonas Nay, Christiane Paul,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Edel Motion, ZDF Enterprises
Digital-VÖ: 21.10.2024
DVD-VÖ: 22.11.2024