Neuigkeiten aus Lappland: No Future im Frost

In Finnlands Norden leben wenig Leute und es passiert auch selten was. Und als dann was passiert, will keiner drüber reden. Ist aber auch peinlich, dass die UdSSR versehentlich einen Marschflugkörper auf Finnland gefeuert haben soll. Für die Nachwuchsjournalistin ist das eher Stress als eine Karrierechance. Die weihnachtliche dramatische Komödie „Neuigkeiten aus Lappland“ entführt das Publikum zurück in den Kalten Krieg und mitten in die 1980er Jahre. Zu sehen im Kino ab dem 14. November 2024.

Es geht auf Weihnachten zu und die alleinerziehende Niina (Oona Airola) geht, besser stapft durch tiefen Schnee auf einen Nadelbaum zu. Schließlich braucht es einen Weihnachtsbaum. Der landet auf dem Rückweg allerdings in der Fensterscheibe der „Lappland News“, als der nicht fachgerecht angekoppelte Anhänger Niinas Auto überholt.

Nina bietet dem Chef der Zeitung, Esko (Hannu-Pekka Björkman) an, den Schaden abzuarbeiten. Doch mit ihrer journalistischen Erfahrung ist es nicht weit her und Esko will die Leserschaft nicht mit schlechten Nachrichten beunruhigen. Es passiert ja ohnehin nichts.

Doch dann hört Niina einen lauten Knall und wundert sich. Als dann kurz darauf haufenweise finnisches Militär in jenem Hotel aufkreuzt, in dem Niinas Schwester heiratet, wird die alleinerziehende Mutter hellhörig. Irgendwas ist da im Gange.

Wahre Hintergrundgeschichte, absurd genug

„Neuigkeiten aus Lappland“ beginnt als klassische Retro-Komödie, die das Publikum direkt in die neonwirren Achtziger Jahre zurückschmeißt. Die Provinzposse jenseits des nördlichen Polarkreises hat allerdings einen realen Hintergrund. Der UdSSR ist seinerzeit ein Marschflugkörper abhandengekommen.

Vor diesem eiskalten Weihnachtssetting entwickelt sich „Neuigkeiten aus Lappland“ in diverse Richtungen, in deren Mittelpunkt Niina steht. Die militärische Politposse nimmt für die journalistische Novizin karrierebedrohliche Dringlichkeit an. Einerseits will Esko, der Zeitungsbetreiber lieber über die Qualität der örtlichen Krapfen berichten, als sich in Geopolitik einzumischen.

Andererseits macht der angereiste Militärberater Pertti Keinänen (Tommy Korpela) unmissverständlich klar, dass weitere Nachforschungen nicht erwünscht sind. „Überlass das mal wieder den Männern.“ bekommt Niina gesagt. Tut die alleinerziehende Mutter aber nicht. In dem Lieutenant Kai (Pyri Kähkönen) findet sie einen Komplizen.

„Warum wehrt sie sich nicht?“- „Vielleicht fühlt sie sich wehrlos und schwach.“

Allerdings hat Niina auch noch familiäre Probleme, denn ihr gewalttätiger Ex-Mann ist gerade aus dem Knast entlassen. Und um der lieben Familie willen, lässt Niinas Mutter den mit Kontaktverbot belegten Schläger wieder ins Haus. Selbstverständlich ist der Ex geläutert und gibt sich Kinderlieb, was Niina zumindest zweifeln lässt.

Autorenfilmerin Miia Tervo hat mit „Neuigkeiten aus Lappland“ sicherlich vor allem eine Komödie geschaffen, aber wie echten Leben geht es auch dramatisch und ersthaft zu. Das mag nicht jedermanns Sache sein, aber es führt zu einer emotionalen Achterbahnfahrt, die das Publikum gerne mit Niina unternimmt.

Dabei trifft „The Missile“, so der internationale Verleihtitel, den Zeitgeist der 1980er Jahre ziemlich genau. Gruselige Vokuhila-Frisuren (auch und gerade in Finnland sehr beliebt) wie auch schäbbige Ballonseide und synthetischer Radiopop fühlen sich ebenso zeitgemäß an wie das damalige politische und gesellschaftliche Klima, bis hin zum riesigen Iro von Niinas Punk-Bruder. Die Finnen waren damals die derbsten Punks.

Inwieweit das Publikum die damalige Militär- und Atombedrohung des Kalten Krieges rund um die Pershing II Stationierung in Europa und sowjetischer Mittelstreckenraketen auf die aktuelle europäische Lage übertragen mag, bleibt jede:m selbst überlassen. Der damalige No Future Zeitgeist in den stickig überheizten Räumen des „nuklearen“ Winters scheint mir ziemlich gut getroffen.

„Neuigkeiten aus Lappland“ beginnt als launige Winterkomödie, entwickelt ich aber auch dramatisch, ohne die Absurdität der damaligen, realen Situation aus dem Auge zu verlieren. Die emotionale Achterbahnfahrt ist sicherlich nicht für jede:n unterhaltsam, aber wer einen Hang zu skandinavischer Skurrilität hat, wird mit einem der Überraschendsten Filme der Saison belohnt.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Neuigkeiten aus Lappland
OT: „Ohjus“ aka „The Missile“
Genre: Komödie, Drama
Länge: 110 Minuten, SF/EST, 2024
Regie: Miia Tervo
Schauspiel: Oona Airola, Pyri Kähkönen, Hannu-Pekka Björgman
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb:
Kinostart: 14.11.2024

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