Gandahar: Paradies in Gefahr

„Gandahar“ wird bedroht von einer unbekannten Macht. Das Reich der Harmonie schickt einen Agenten los, der sich auf einer surrealen Mission wiederfindet. Für Animationsfans und Connaisseure rätselhafter Science-Fiction ist „Gandahar“ ein Fest. Der dritte und letzte Animationsfilm des Franzosen René Laloux datiert von 1987 und wird seit Jahrzehnten – wie die beiden anderen Werke – als Kultfilm verehrt. 2022 wurde „Gandahar“ in 4K restauriert und Drop-out Cinema bringt den Film nun erstmals als Deutschlandpremiere in die Kinos.

Auf einem Planeten, der von Humanoiden bewohnt wird, existiert das Reich Gandahar in Frieden und Einklang. Doch Gandahr, dessen Hauptstadt der Kopf eines frauenförmigen Bergwaldes ist, wird angegriffen. Aus dem Nichts treffen strahlen die Bewohner und verwandeln sie zu Stein. Der Rat der Frauen beschließt daraufhin den besten Agenten zu schicken um die Bedrohung zu identifizieren.

Sylvain, genant Syl, macht sich auf den Weg. Doch der Vogel, der ihn trägt wird angegriffen. so macht Syl die Bekanntschaft der Deformierten. Diese leben unterirdisch, und ihr Schicksal ist von Gandahar bestimmt. Von ihnen bekommt Syl Hinweise auf die unbekannte Bedrohung.

Eine Arme von Maschinenmenschen will Gandahar vernichten. Gesteuert und befehligt wird die Armee von Metamorphis, einem riesigen Gehirn, das ebenfalls durch Experimente in Gandahar zum Leben erweckt wurde. Um die Bedrohung zu bannen, muss Sylvain in tausend Jahren die Zerstörung Gandahars aufhalten.

Strahlenkanonen und Asseltierchen

Modernen Zuschauer:innen wird auffallen, dass der Beginn von „Gandahar“ in Luc Bessons „Valerian“ zitiert wird. Die seltsamen bläulichen Gestalten, die asselartigen Nutztiere und die perlenförmigen Feldfrüchte werden hier wie dort angegriffen. Das verwundert nicht weiter, gehen doch beide Filme auf eine franco-belgische Comic-Tradition zurück. Allerdings will „René Leloux mit seiner Roman-Adaption etwas ganz Anderes erzählen als „Valerian“ in seinem bilderstürmenden Sci-Fi-Abenteuer.

Der Animationsfilmer René Laloux hat nur drei Filme fertiggestellt, von denen „Gandahar“, der 1987 entstand, der letzte ist. Alle drei sind surreale Bildwelten, die Science-Fiction Romane adaptieren und deren Produktions-Szenarien zusammen mit französischen Comic-Künstlern entstanden. „La Planète sauvage“ entstand 1973. 1982 folgte „Les Maîtres du temps“ und schließlich Gandahar.

Phillipe Cazaumayou genannt Caza (u.a. „Die Welt von Arkadi“) ist kreativ mitverantwortlich für diese bizarre und surreale Gesellschaftsvision. Die Story ist in den Grundzügen letztlich schlicht und zivilisationskritisch. Im Grunde ist die Gesellschaft selbst verantwortlich für die Bedrohung, die ihre Zerstörung befeuert. Mit den Maschinen-Menschen kommt ein faschistisches Element ins Spiel, dass die Errungenschaften und Freiheiten der Zivilisation vernichten will.

Surrealismus und Utopie

Selbstredend wäre „Gandahar“ nicht so faszinierend, wären die Bilderwelten nicht so surreal und fantastisch, so bizarr und unvergleichlich (zumindest mit der Realität der Entstehungszeit). Selbiges gilt auch für die anderen Filme von Laloux. Wobei „Der wilde Planet“ in sich durchaus stimmiger und der stärkste der Filme ist, weil Laloux und Comic-Künstler Moebius so nahe am damaligen Zeitgeist und dem französischen Comic-Schaffen jener kreativen Epoche waren.

In den 1980ern war vieles davon stilistisch und auch im konservativer werdenden Zeiten bereits wieder zu anderen, neuen Ufern und Welten unterwegs. So komme ich nicht umhin, „Gandahr“ etwas aus der Zeit gefallen zu finden. Wenngleich der Surrealismus und die Bildmotive zeitlos sind.

Mein Anfang, dein Ende

Stilistisch sind die Hintergründe in „Gandahar“ sehr organisch, wuchernd und floral. Die Figuren eher kantig und hart, die Sequenzen mit viel Dynamik produktionstechnisch eher reduzierter. Das Publikum kommt nicht umhin die sexuellen und psychedelischen Motive zu bemerken, die Ausdruck jener damaligen Comic-Freizügigkeit waren, letztlich aber aus heutiger Sicht bisweilen deplatziert wirken. Anders beispielsweise als in dem experimentellen Anime „Die Tragödie der Belladonna“.

Ausgesprochen gelungen an dieser (Zeit-) Reise des Agenten ist die Gegenüberstellung der organischen, wuchernden Strukturen und später dann der Rohrleitungen im inneren des Moloch. Aber das mag jede:r selbst sehen. Für Interpretationen gibt es genügend Ansätze. Wobei ich bei bizarren, surrealen, fantastischen Sachen immer dazu rate, zunächst nicht mehr hineinzudeuten als es ist. Häufig sind die Inspirationen (für die Kreativen) erstaunlich naheliegend und nur deshalb schwer deutbar, weil der Zuschauende einen anderen Bezugsrahmen hat.

Film-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Gandahar
OT: Gandahar
Genre: Aniumation, Science-Fiction
Länge: 78 Minuten, F, 1987
Regie: René Laloux
Künstlerische Leitung:
Vorlage: Roman von Jean-Pierre Andrevon (1969)
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Dop-out Cinema
Kinostart: 19.09.2024

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