Touch: Übungen in Haiku

In seinem jüngsten Film „Touch“ inszeniert Islands Star-Regisseur Baltasar Kormakur einen ausgezeichneten Roman von Ólafur Jóhann Ólafsson in dem ein alter Witwer auf die Suche nach einer Jugendliebe geht. Universal Pictures bringt „Touch“ am 8. August in die Kinos.

Auf Island bekommt der verwitwete Restaurantbesitzer und Koch Kristofer (Egill Ólafsson) eine schwerwiegende Diagnose. Statt seinen Arzt erneut zu konsultieren, erinnert er sich an seine Zeit als junger Mann in London. Kurzentschlossen macht sich Kristofer in der aufkommenden Corona-Pandemie auf zu einer Spurensuche.

Als junger Wirtschaftsstudent demonstriert Kristofer (Pálmi Kormákur) dagegen, die Auslandsstudenten abzuschieben. Er hadert ohnehin mit seiner Ausbildung und als er von einem Kumpel provoziert wird, wird er in einem japanischen Restaurant als Aushilfe vorstellig.

„Haiku (俳句) ist eine ursprünglich aus Japan stammende Form der Kurzformdichtung.

Restaurantbesitzer Takahashi-San (Masahiro Motoki) fragt den jungen Mann nach seinen Motiven und Erfahrungen und gibt Kristofer eine Chance, weil der in Island bereits beim Fischfang und der Fischverarbeitung gejobbt hat. Von der ersten Begegnung an ist der großgewachsene Gaijin allerdings auch fasziniert von Takahashis Tochter Miko (Kōki).

Mit der Zeit lernt der Isländer japanisch und wird Teil der Restaurantfamilie. Bis eines Tages abrupt alles vorbei ist. Kristofer wird gekündigt, das Restaurant wird geschlossen und die Familie verschwindet. Kristofer geht zurück nach Island.

Nun ist er der einzige Gast in einem Londoner Hotel. Und der Manger ist schon darauf bedacht, den kräftigen alten Herrn wieder loszuwerden, bevor ein Lockdown verhängt wird. Kurzentschlossen hilft das Hotel bei der Suche nach Menschen aus Kristofers Londoner Zeit.

„Touch“ ist eine bewegende Geschichte und eine gelungene Literaturverfilmung. Kein Wunder, wenn der Autor auch am Drehbuch mitwirkt. Inwieweit sich der Film vom Roman entfernt lässt sich nicht sagen, da nicht gelesen und hierzulande meines Wissens auch nicht verlegt. Aber die Story ist zumindest im Film gefällig konstruiert.

Traditionelle japanische Haiku bestehen aus drei Sätzen,

Wobei der Impuls seine letzten Dinge zu erledigen, oder noch einmal Verpasstes nachzuholen schon ein recht häufig benutztes literarisches und Filmisches Motiv ist. Es kommt darauf an, wie die Rückschau in Szene gesetzt wird und was es aus dem zeitlichen Abstand zu betrachten gilt. Das Romantische Motiv einer verlorenen Liebe trägt solide durch den Film ist aber auch gemächlich und altersmilde gefilmt.

Es sind zwei unerwartete Aspekte, die „Touch“ dann doch etwas Eigenes und zum Teil Herausragendes verleihen. Zum einen reist der alte Kristofer in Zeiten einer weltweiten Pandemie und Ausnahmesituation. Das führt immer wieder zu Reflektionen über die jüngere Vergangenheit und den weltweiten Ausnahmezustand. Gefühlt an der eigenen Erfahrung scheint die Covid19-Pandemie heute keine Rolle mehr zu spielen und ist ebenso blank vergessen wie der Lockdown einschneidend und das Virus anfangs tödlich war.

mit fünf Silben in der ersten Zeile, sieben in der zweiten und fünf in der dritten.“ (japanwelt.de)

De zweite und poetischere Aspekt in „Touch“ der mich sehr berührt hat, war die doppelt gebrochene „Shogun“-Perspektive. Kristofer kommt als Fremder in eine andere, sehr in sich geschlossene Kultur. Jedoch findet diese Begegnung nicht im Heimatland der Kultur statt, sondern in einer Stadt, die für beide fremd ist und auch bleibt. Sowohl das japanische Restaurant als auch der isländische Student sind hier fremd und finden dadurch schnell Gemeinsamkeiten.

Mikos Vater Takahashi-san wird mit lebenskluger Weisheit von Masahiro Motoko dargeboten, der als arbeitsloser Cellist in „Orkubito“ (deutsch: Nokan – Die Kunst des Ausklangs“) bleibenden Eindruck hinterlassen hatte. Demgegenüber kommt die gelassene Neugier des jungen Isländers hinreißend und mit großer innerer Ruhe rüber. Das hat an sich schon japanische Qualitäten.

Insofern weiß die Erinnerungsebene von „Touch“ mich mehr zu fesseln als die erzählerische Gegenwart. Aber das mag jede:r anders sehen. Einen Gang ins Kino ist der unaufgeregte, aber gelungene isländische Film auf jeden Fall wert. Wie eigentlich alle Filme von Baltasar Kormakur.

Film-Wertung: 6 out of 10 stars (6 / 10)

Touch
OT: Touch
Genre: Drama, Romanze
Länge: 121 Minutne, ISL, 2024
Regie: Baltasar Kormakur
Vorlage: Roman „Snerting“ von Ólafur Jóhann Ólafsson (auch Drehbuch)
Darsteller:innen: Egill Ólafsson, Kōki, Pálmi Kormákur, Masahiro Motoki,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Universal Pictures International
Kinostart: 08.08.2024