Ansichten am Donnerstag #64: Die Unsterblichen

Und noch eine wiedergefundene Kolumne aus dem Archiv. Seinerzeit 2011 ging es darum, dass sich ein Film der Kritik entzog. Hier also der Text: Man kann nicht gerade behaupten, dass die antiken Heroen und Götter sich unangekündigt ins Kino stehlen würden, genügend bombastische Vorschauen und Trailer gab es ja. Und jetzt werden die Titanen entfesselt! Seltsam nur, dass sich das Action-Spektakel der Kritik entzieht. Sind da etwas Memmen am Start?

Nein, ich bin nicht beleidigt, dass ich als Film-Presse nicht zu einer Pressevorführung von „Krieg der Götter“ geladen wurde, wie das normalerweise üblich ist. Aber dass vorab überhauptkeine Möglichkeit besteht, sich im Namen der Informationspflicht ein eigenes Bild von dem vermeintlichen Leinwand-Spektakel zu machen, verwundert schon.

Deutschlands Filmstar Til Schweiger hatte das auch einst exerziert, als er einen neuen Blockbuster abgedreht hatte und den einfach so in die Kinos bracht, ohne die Presse vorab einen Blick drauf werfen zu lassen. Was sonst das Schicksal kleiner unabhängiger Filmverleihe ist, ihren Film mit extrem wenig Presseaufmerksamkeit in die Kinos zu bringen, wurde hier bewusst instrumentalisiert. Schweigers Begründung war auch konsequent: Die Kritikermeute verreiße den Film sowieso, wozu solle er die da noch umsonst reinlassen. Die Leute kämen sowieso. Der Erfolg gibt ihm Recht.

Krieg der Götter

Ähnliches mögen auch die Macher und der Verleih von „Krieg der Götter“ gedacht haben. Statt sich auf eine Berichterstattung einzulassen, wird die große Werbetrommel gerührt, man beruft sich auf den zugkräftigen, publikumswirksamen Verweis zu „300“ und veröffentlichen das Spektakel einfach. Die Medien stehen dumm da und keiner kann den Göttern und Titanen auf der Leinwand an den Karren fahren. Die Leute kommen sowieso. Ja, das werden sie wohl tun.

Aber von großem Selbstvertrauen zeugt das Auftauchen der antiken Helden und Götter nicht gerade. Und wenn die Götter (und ihre Macher) schon selbst nicht mehr an sich glauben, warum sollen wir das tun? Es war der Religionsphilosoph René Girard, der das Sterben der antiken Götter auf schwindenden menschlichen Glauben zurückführte, schlicht weil diese keine passende Antwort auf die sich verändernde menschliche Gesellschaft mehr geben würden.

Krieg der Kritiker

Beim „Krieg der Götter“ (OT: „Immortals“) ist das zu verschmerzen, weil es sich erstens nur um ein Kino-Spektakel handelt und die dargestellten Unsterblichen ihre Relevanz schon längst verloren haben. Blieben noch die Gewalt und das Pathos, an die wir uns später erinnern werden. Girards These lautet, Religion sei nur ein Weg die ursprüngliche Gewalt in einer sozialen Gruppe stellvertretend zu kanalisieren, das gelingt die Krieger auf der Leinwand ganz bestimmt ausgesprochen eindrucksvoll.

Nein, ich bin nicht beleidigt, dass ich als Film-Presse nicht zu einer Pressevorführung von „Krieg der Götter“ geladen wurde. Und ja, aller Voraussicht nach hätte ich den Film verrissen.

Viel Spaß im Kino.

P.S: René Girard: Das Heilige und die Gewalt, Neuauflage im Patmos Verlag, September 2011 (OT: „La Violence et le sacré”, 1972)

(ursprünglich veröffentlicht bei cinetrend,.de, 10.11.2011)