Jubiläen sind immer wieder ein Anlass Künstler in die Gegenwart zu holen. So auch Bernhard Hoetger, der in diesem Jahr 150 Jahre alt geworden wäre. Möglicherweise ist der Name des renommierten Bildhauers etwas in Vergessenheit geraten, aber seinen Plastiken (etwa im Platanengarten in Darmstadt) werden immer noch geschätzt, ebenso seine Architektur in der Böttcherstraße in Bremen und in der Künstlerkolonie Worpswede. Das Doku-Fiktion-Format „Bernhard Hoetger – Zwischen den Welten“ kommt am 25. Juli 2024 in die Kinos.
Der gelernte Steinmetz Berhard Hoetger studiert in Düsseldorf Bildhauerei und macht mit der Meisterklasse eine Exkursion zur Weltausstellung in Paris 1900. Während die Kollegen wieder nach Deutschland zurückkehren, bleibt Hoetger gleich da, so angetan ist er von der Stadt, den Impulsen, die er bekommt und der lebendigen Künstlerszene.
Ohne Sprachkenntnisse und Kontakte etabliert sich der junge deutsche Bildhauer mit kleinen Plastiken der arbeitenden Bevölkerung. Später findet Hoetger Förderer und die Formate werden größer. Im Jahr 1906 besucht ihn die junge Malerin Paula Modersohn-Becker den Bildhauer und er wird ein Ermutiger und Bewunderer der ambitionierten Frau.
„Es rauscht durch mein Innerstes eine undefinierte Hingabe.“
(Hoetger als er Lee erstmals trifft)
Durch sie bekommt er aber auch neue Impulse und Eindrücke asiatischer Tempelanlagen, die ihn nachgerade inspirieren nach Urformen zu fahnden. Später dann verlassen Hoetger und seine Frau Paris, leben eine Zeitlang in der Darmstädter Künstlerkolonie Mathildenhöhe, die seinerzeit ein Zentrum des Jugendstils war und auch neue architektonische Impulse aufnahm. Hoettger schuf hier Statuen für einen Platanenpark, die noch heute zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt gehören.
Doch Darmstadt wird zu eng für den umtriebigen Kreativen. In Worpswede fühlt er sich befreit und inspiriert, hier gehört er zu den wichtigsten und renommiertesten Künstlern. Er freundet sich mit Heinrich Vogeler (Florian Lukas) an, doch die Freundschaft überdauert nach dem Krieg nicht, weil sich die beiden politisch in unterschiedliche Richtungen entwickeln.
Durch Vogeler lernt Hoetger nach dem Hannoveraner Bahlsen einen weiteren Förderer kennen, den Bremer Kaufmann Ludwig Roselius (Ulrich Gebauer) kennen. Der übergibt ihm die Gestaltung einer Häuserzeile in der Bremer Böttcherstraße, die heute ein Kulturdenkmal ist. Auch in Worpswede hinterlässt Bernhard Hoetger architektonische Spuren und eigenwillige Bauten.
„Die Majoliken im Platanengarten waren seinerzeit „Cutting Edge“; echte Avantgarde“ (Kritiker über die glasierten Keramiken Hettgers)
Fragt man die Experten in der Doku-Fiktion „Bernhard Hoetger – Zwischen den Welten“ so lässt sich Hoetger nur schwer in Kategorien packen. Tatsächlich behauptet er von sich selbst, keinen Stil haben zu wollen, sondern seine Weltanschauung in Form zu übertragen. Die Spielszenen mit Moritz Führmann in der Titelrolle basieren auf Originalzitaten. Kunstinteressierte mögen den Schauspieler Florian Lukas („Weißensee“) bereits in dem Doku-Fiktion-Format „Heinrich Vogeler“ in eben jener Rolle gesehen haben, das 2022 ebenfalls von Kinescope Film produziert und von Farbfilm verlegt wurde.
Etwas ungewöhnlich ist, dass die Spielszenen auch Recherchen zur Ausstellung zum 90. Geburtstag Hoetgers integrieren. Doch durch posthumes Zeitzeugnis und damaliges Interesse entsteht sowohl eine differenziertere Betrachtung wie auch der Eindruck einer durchgehenden Relevanz des Künstlers und nicht der einer Wiederentdeckung. So lassen sich auch konträre Aspekte Hoetgers wie seine nordisch germanische Kunstausrichtung und seine Sympathie für den Nationalsozialismus für das Filmpublikum anders diskutieren.
Winuwuk – Wege im Norden und Wunder und Kunst
Allerdings wollten die Nazis ebenso wie bei Emil Nolde wenig von dem Künstler wissen, dessen Werk sie als entfremdet empfanden. Hoetger lässt sich von der Fehldeutung seiner Kunst nicht entmutigen und tritt in Rom der Auslands-NSDAP bei. Nazi-Kunst hat er allerdings nicht geschaffen, wenngleich der Niedersachsenstein, als Gedenkstein für im Ersten Weltkrieg gefallenen, schon in Richtung protofaschistischen Monumentalismus geht.
„Die Böttcherstraße ist Kunst der Verfallszeit.“
(Nationalsozialistische Meinung zur Bremer Häuserkunst)
Die aktuellen Experten in der Doku befassen sich großteils mit bestimmten Phasen in Hoetgers Leben und Schaffen. Das ist durchaus plausibel, weil seine Kunst mit jedem Umzug auch andere Impulse bekommen und eine neue Facette und Ausrichtung entwickelt hat.
Das Doku-Fktion-Format von Regisseurin Gabriele Rose kommt ohne große Spannungsmomente aus. Es geht nicht darum das Leben eines Künstlers impulsiv und packend zu verbildlichen, sondern darum ein Gefühl für die damalige Zeit, den Charakter und dem Umgang der Menschen miteinander zu verbildlichen. Das geschieht oft in theatherhafter Kulisse der vor der Fototapete eines Stadtpanoramas, auch kommen zeitgenössische Dokumentaraufnahmen des damaligen Lebens zu Einsatz.
Tatsächlich ist die Doku-Fiktion „Berhard Hoetger – Zwischen den Welten“ recht unterhaltsam und lehrreich ausgefallen. Wer etwas über den Künstler erfahren möchte, ist hier richtig. Die Spielszenen sind solide und die Experten-Interviews und Expertisen ordnen das kreative Oevre Hoetgers ein in den großen Rahmen. Allein, das Format ist recht sachlich ausgefallen und füllt die Kinoleinwand nicht unbedingt. Das ist wohl eher für fachlich Interessierte von Belang.
Film-Wertung: (6 / 10)
Bernard Hoetger – Zwischen den Welten
OT: Bernard Hoetger – Zwischen den Welten
Genre: Doku-Fiktion
Länge: 90 Minuten, D, 2024
Regie: Gabriele Rose
Mitwirklende: Moritz Führmann, Florian Lukas, Katharina Stark, Esther Marie Pietsch
FSK: ?
Vertrieb: Farbfilm
Kinostart: 25.07.2024
Offizielle Filmseite
Berhard Hoetger bei Wikipedia
Hoetger-Ausstellungen in Worpswede in 2024