Ansichten am Donnerstag #63: Sommerkino und die Quote

Passend zum #Partysommer24 auf brutstatt.de stieß ich im Archiv auf eine Kolumne über das ARD-Sommerkino; das seit 2012 erfolgreich Kinohits ausgestrahlt. Hier also der Archivtext: Neulich las ich in einer Fachzeitschrift eine ernüchternde Bilanz des ARD Sommerkinos, bei dem mit gutem Erfolg zur Primetime Kinofilme gesendet wurden. Dennoch soll es vorerst bei diesen Aktionswochen bleiben. Der Grund: Es gibt nicht genug (erschwingliche) Filme.

Sicher ist der Kostenfaktor ein Argument, wenn es darum geht Kino-Highlights ins Fernsehen zu bringen. Gerade internationale Filme werden häufig in Paketen verkauft. Das geht ins Geld und der Sender bekommt auch noch Spartenware mit. Aber insgesamt sei man mit dem Marktanteil der sieben Kinoproduktionen zufrieden. Da Liefen „Soul Kitchen“, „Wüstenblume“, „Willkommen bei den Schti’s“, „Burn after Reading“, „Der Vorleser“, „Briefe an Julia“ und „P.S. Ich liebe dich“.

Soweit, so gut: Mitten im Sommerloch und in der Urlaubszeit unter der Woche mal eine Spielfilm-Erstaustrahlung zu zeigen, hört sich nicht gerade verwegen an. Und wenn man dann noch erfährt, dass „Soul Kitchen“ und „Burn after Reading“ in der Reihe die wenigsten Zuschauer ziehen konnten, fragt man sich schon, wie das ARD-Publikum denn zusammengesetzt ist?

Verglichen mit dem, was sich sonst auf dem 20:15 Uhr Sendeplatz tummelt sind die beiden allerdings extravagant. Aber bei der Konkurrenz klappt‘s doch auch mit den Blockbustern für ein jüngeres Publikum. Kann mir keiner erzählen, dass Zuschauer auf ein Lieblingsprogramm abonniert sind. Normalerweise sitzt der Zuschauer vor der Glotze und wählt aus dem zeitgleichen Angebot von zig Sendern das aus, was ihn am meisten anspricht.

Kinohits zur Wochenmitte im TV

Das Argument zieht also irgendwie nicht. Bliebe das monetäre Kalkül, das gegen ein jährlich durchgehendes, wöchentliches Kino-Highlight spricht. Dazu lässt sich wenig sagen, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender ihre Gebühreneinnahmen programmtechnisch im Wesentlichen für sportliche Großevents und den „Tatort“ verjuxen. Man sollte von der alten Dame ARD auch nicht zuviel Innovation erwarten und mit dem „Event-Zweiteiler“ „Der Turm“ nach Uwe Tellkamps Bestseller ist die ARD auch wieder in vertrauten Gefilden gelandet.

Jetzt kommt noch die Primetime-Prise Nationalsozialismus (das Thema geht immer – Guido Knoop hat‘s durchexerziert) in Form der Film-Biografie „Rommel“ und das im Sommer in der Multi-Kulti-Küche verschreckte Publikum fühlt sich wieder sicher.

Was mir als passioniertem Filmfan allerdings nicht in den Sinn will, ist, warum die inhaltlich anstrengende Filmbio von Waris Dirie (Genitalbeschneidung), die mich echt gestresst hat, aber sehr herkömmlich erzählt ist, eher Akzeptanz findet als die aufmüpfige Feel-Good –Komödie über eine Kultkneipe, die vom inzwischen allgemein bekannten Regisseur Fatih Akin, ebenfalls konventionell aber etwas überdrehter und temporeicher erzählt wird. Beide Lebewelten sind dem ARD-Stammpublikum, wie auch immer das aussehen mag, gleich fremd. Ist das ein Generationenkonflikt?

Vielleicht liegt es an der Dramaturgie, vielleicht an der Bildsprache, vielleicht an den Schauspielern, oder vielleicht ist es einfacher sich über Geschehnisse in weit entfernten Ländern eine Meinung zu bilden als vor der eigenen Haustür.

Beim nächsten „Sommerkino“ geht noch was, bis dahin muss der Filmfreund auf den öffentlich rechtlichen später als 22 Uhr nach Filmperlen tauchen.

Oder gleich ins Kino gehen. Viel Spaß dabei.

(ursprünglich veröffentlicht bei cinetrend.de am 01.11.2012)