Bodies – Graphic Novel: Vorlage zur Netflix-Serie

Es bleibt eine mysteriöse Angelegenheit, wenn eine Leiche nicht identifiziert werden kann. Falls sich dann noch herausstellt, dass in der Vergangenheit identische Verbrechen am selben Ort begangen und nicht gelöst wurden, stellt sich entweder Neugier oder Verzweiflung ein. Beides steht Ordnungshütern nicht sonderlich gut zu Gesicht. Die Graphic Novel „Bodies“ von Si Spencer erzählt einen fantastischen Thriller und war vor rund 10 Jahren bereits als Comic-Serie ein Hit. Nachdem Netflix die Graphic Novel Ende 2023 zur TV-Serie gemacht hat, veröffentlicht Panini-Comics die Vorlage nun erstmals auf deutsch in einem Sammelband.

Das Londoner East End war schon immer eine umtriebige Gegend. Im Jahr 2014 tut Detective Sergeant Shahara Hasan hier Dienst. Nachdem die Polizei Straßen-Unruhen eingedämmt hat, findet sich in der Longharvest Road eine mit Schnitten übersäte, nackte Männerleiche. Niemand weiß, woher der Tote stammt. Die Forensik bleibt lange ergebnislos und DS Hasan beginnt anderweitig zu recherchieren.

Anno 1890 patrouilliert Inspektor Hillinghead im East End auf dem Schwulenstrich, als er an derselben Stelle der Longharvest Road auf eine nackte Männerleiche stößt. Zunächst nimmt die Polizei an, es könne sich um einen weiteren Ripper-Mord handeln, auch wenn ein Mann getötet wurde. Aber Hillinghead ist skeptisch und geht der Sache weiter nach.

„Wisse, du wirst geliebt.“

Im Jahr 2053 ist London ein seltsam leerer Ort. Scheinbar hat eine Art von Katastrophe stattgefunden, die sich auch auf das Erinnerungsvermögen der Überlebenden auswirkt. Die erste Frage, die Polizistin Maplewood stellt, lautet stets: Wer bist du und was weißt du noch? Auch Maplewood findet in der Longharvest Road eine nackte Männerleiche. Doch die Polizistin hat ganz anderer Probleme. Das Mädchen Bounce steht ihr zur Seite und hilft ihr, sich zu erinnern. Doch etwas ist seltsam.

Mitten im Kriegsjahr 1940 hat der deutschstämmige Inspektor Weißmann, der seinen Namen hat in Whiteman anglisieren lassen, Probleme mit irischen Banden. Doch gerade als er den Neffen des Iren-Häuptlings bearbeitet, geht der Fliegeralarm los und das Gebäude explodiert. Erstaunlicher Weise ist der Tote, der anschließend in der Longharvest Road gefunden wird, nicht jener Lennon, sondern ein nackter Unbekannter. Zumindest bleibt Weißmanns windiger Nebenerwerb unentdeckt.

Die Leserschaft sollte schon ein Faible für fantastische Geschichten und einen gewissen „erwachsenen“ Leseansatz zu würdigen wissen, um an „Bodies“ Spaß zu haben. Die unterschiedlichen Zeitebenen stehen über die gesamte Handlung hinweg parallel zueinander und auch allen vier Zeitebenen entfalten sich die Geschichten vor allem um die jeweiligen Ordnungshüter:innen. Das ist schon vertrackt, mysteriös und clever erzählt und gibt jeweils einen Blick frei auf zeitgenössische Themen.

„Die Moorleiche, die Brosche, die verschleierte Frau…

Die Leiche(n) sind nicht nur das verbindende Handlungselement, sondern auch der Anlass der ganzen Verwirrung, aber das mag jede:r selbst herausfinden. Auch deckt sich die Erzählhaltung nicht notwendiger Weise mit jeder der TV-Adaption, zumindest sofern das im Trailer angedeutet ist. Aber auch das mag jede:r selbst herausfinden.

Si Spencer war als Comic-Autor unter anderem für „Hark & Burke“ „Judge Dredd“ und „Hellblazer“ tätig und der Brite ist 2021 im Alter von 50 Jahren verstorben. Oft genug hat er mit Zeichner Dean Ormston zusammengearbeitet. So auch in „Bodies. In dieser Comic-Serie übernehmen vier Kreative jeweils einen Zeitstrang. Das sorgt für Abwechslung und sehr unterschiedliche Looks.

Es mag anfangs etwas irritieren, sorgt aber für schnelle Orientierung und ist die eigentliche graphische Stärke der Serie. Ormston ist für das Jahr 1890 zuständig. sein Stil ist einerseits filigran und strickgeprägt aber auch von großen Schatten geprägt. für das geheimbündlerische Horror-Setting im Stile von Lovecraft und Co ist das ziemlich stimmig.

„…die reiche Ernte ist nah.“

Konsequenter Weise kommt das futuristische London auch zeichnerisch sehr modern daher. Helle, gelbe Hintergründe, skizzenhafte Figurenkonturierung und buntstiftartige Schraffuren aus der Feder von Tula Lotay sorgen für eine beinahe naive Anmutung, die allerdings inhaltlich konterkariert wird.

Die Seriengegenwart des Jahres 2014 (als die Serie auch startete) wird von Meghan Hetrick mit moderner Optik ausgestattet. die Hintergründe sind häufig ausformuliert und die Farbgebung ist eher unbunt und die Charaktere wirken bewusst zweidimensional. Das hat auch etwas Abstraktes und erinnert etwas an Adrian Alphonas „Runaways“.

Und schließlich kommen die 1940er Kriegsjahre in klassischem Graphic Novel Gewand daher. Opulente Farbgebung, starke Schraffuren und Schattenwürfe und immer wieder zeichnerische Ausflüge ins künstlerische. So etwa die Erinnerung Whitemans an seine Jahre in Deutschland, die bewusst an Will Eisnern Graphic Novels angelehnt sind.

Kolorist Lee Loughride sorgt für jeweils angemessene Farbgebung und macht in jeder Zeitschiene einen erstaunlich variablen, aber passenden Job.

Die Graphic Novel „Bodies“ ist sicherlich nicht für jeden zu empfehlen, aber wer mit fantastischen bisweilen expliziten Comics etwas anfangen kann, wird an der vertrackten Story ordentlich zu kniffeln haben. Oder einfach mal bei Netflix reinschauen. Oder beides.

Comic-Wertung: 8 out of 10 stars (8 / 10)

Bodies
OT: Bodies 1-8, DC Vertigo, 2014-15
Genre: Comic, Thriller, Sci-Fi, Mystery
Autor: Si Spencer
Zeichner:innen: Dean Ormonston (1890), Phil Winslade (1940), Meghan Hetrick (2014), Tula Lotay (2053)
Farben: Lee Loughride
Übersetzung: Frank Rehfeld
ISBN: 9783741638312
Verlag: Panini Comics, 220 Seiten, Softcover,