Nightwatch – Demons Are Forever: Von Vätern und Töchtern

Vor ziemlich genau 30 Jahren gelang dem dänischen Regisseur Ole Bornedal mit „Nightwatch – Nachtwache“ ein Überraschungserfolg im Horror-Thriller. Nun wird die Geschichte weitererzählt mit einem Generationswechsel und weitergegebenen Traumata. Nachdem der Film bereits auf dem letztjährigen Fantasy Filmfest zu sehen war, bringt Capelight Pictures den dänischen Thriller am 16. Mai 2024 in die Kinos.

In Kopenhagen hat es die Medizinstudentin Emma (Fanny Leander Bornedal) nicht immer leicht. Ihr Vater Martin (Nikolaj Coster Waldau) kann den Suizid seiner Frau auch nach Jahren nicht verwinden und lebt zurückgezogen und verängstigt in einer eigenen Welt. Emma weiß grob, dass ihre Eltern und ihr Patenonkel Jens (Kim Bodnia) in jungen Jahren beinahe Opfer eines psychopathischen Mörders geworden sind. Doch der Rest ist Schweigen.

Doch langsam wird es der jungen Frau zu bunt und sie beschließt etwas zu unternehmen. Zunächst nimmt sie denselben Studenten-Job an wie ihr Vater: Nachtwächterin in der Pathologie. Dort erfährt sie, dass der Mörder von damals noch am Leben ist. Emma erschwindelt sich Zugang zur Geschlossenen Psychiatrie und konfrontiert den fast blinden und vor sich hin vegetierenden Ex-Kommissar Wörmer.

Der hatte damals eine ganze Serie von Sexualmorden begangen, bei denen er seinen Opfern das Haupthaar entfernt hat. Mit dem Besuch löst Emma ein Wiederaufleben des alten Horrors in Gang. Und Vater Martin ist alles andere als amüsiert, er gerät in Panik. Sogar Jens taucht aus Thailand wieder auf.

Beliebter Studenten-Job: Nachtwächter:in

Mit „Nightwatch -Nachtwache“ war Ole Bornedal und den jungen dänischen Darstellern Kim Bodia, Nikolaj Coster Waldau und Sofie Gråbøl („Kommissarin Lund“) eine echte Horror-Überraschung gelungen, zu Zeiten als aus Dänemark vor allem experimentellere Dogma Filme zum cineastischen Exportschlager wurden. Der Thriller wusste zu packen und sorgte dafür, dass Bornedal seinen eigenen Film drei Jahre später mit Ewan McGregor, Anais Evans und Nick Nolte für den amerikanischen Markt noch einmal drehen dürfte.

Nun also geht es auch inhaltlich weiter. Drei Jahrzehnte sind vergangen und die Handlung wird weitgehend von Emma und den jungen Medizinstudenten getragen, die sind modern und auch ein bisschen divers ausgerichtet. Jugendliche sorglose Arroganz inbgriffen. Dass die Tochter glaubt, ihrem Vater mit einer Konfrontationstherapie aus der Starre zu helfen, ist ebenso löblich wie küchenpsychologisch fragwürdig. Anyway, für einen Horrorthriller mag das hinreichen und es gibt dem vermeintlichen Pathologie-Thriller eine andere Ausrichtung.

Das personifizierte Böse

Wäre da nicht der Psychopath, der maulwurfsblind aus dem Dunkel ins Licht gezerrt wird, als in einer von Beginn an parallelen Handlung die Polizei mit einem scheinbar durchgeknallten jungen Nachahmungstäter konfrontiert wird. Erst gemächlich laufen die Parallelen aufeinander zu. Was nicht nur physikalisch unmöglich ist, sondern auch im Film nicht funktioniert. Selbst wenn das Vorgänger-bewusste Publikum den Hammelsprung macht, Wörmers Existenz zu akzeptieren, so wirkt der selbstbezogene Zwangseremit alles andere als bedrohlich in seiner vermeintlichen Gebrechlichkeit und Gebrochenheit.

Oder ist das alles gespielt? Seit 30 Jahren? Irgendwo muss da eine Erklärung lauern und eine reale Gefahr. Möglicherweise ahnt das Publikum davon etwas, aber so originell ist die überraschende Wendung nun auch wieder nicht ausgefallen. Überzeugend geht leider anders, auch wenn der eine oder andere Schockmoment alter Schule zu gefallen weiß.

Familientraditionen

Tatsächlich könnte die Vater Tochter Dynamik funktionieren, wenn Nikolaj Koster-Waldaus Rolle nicht die eingeschlafene Lethargie in Person wäre. Auch das Auftauchen von Kim Bodnias „Lars“ macht es nicht besser. Im Gegenteil, die miteinander fremdelnden Originalcharaktere wirken wie Fremdkörper. Beinahe so als wären sie in der Filmidee nur Staffage. Die Tochter des Regisseurs hingegen macht ihre Sache gut und nimmt das Publikum mit auf eine Reise in die Abgründe, die sie selbst aufgerissen hat.

Es ist nicht so, als würde ich das Filmschaffen von Ole Bornedal nicht zu schätzen wissen. Der jiddische Exorzismus-Thriller „Possesion“ wusste mir ebenso zu gefallen wie die historische TV-Serie „1864“. Die „Small Town Killers“ nun wieder waren weniger fesselnd und vor allen von einem rückwartsgewandten, nostalgischen Impuls geprägt, der es nie schaffte an die Hochzeiten der schwarzen dänischen Komödie anzuknüpfen. So auch „Nightwatch – Demons Are Forever“. Das ist schon ziemlich austauschbar und lässt Klasse vermissen.

Dem Publikum wird in Sachen Plausibilität schon Einiges abverlangt, um in „Nightwatch – Demons are Forever“ bei der Sache zu bleiben. Die alten Recken des dänischen Kinos wirken müde. Wenngleich die psychologische Komponente im Familienzusammenhang durchaus interessant ist, wirken die Thriller und Horror-Momente eher altbacken und irgendwie an den Haaren herbeigezogen. Aber Wörmer war ja bekannt dafür, seine Opfer zu skalpieren.

Film-Wertung: 4 out of 10 stars (4 / 10)

Nightwatch – Demons Are Forever
OT: Nattevagten – Dæmoner går i arv
Genre: Thriller, Horror
Länge: 110 Minuten, DK, 2023
Regie: Ole Bornedal
Darsteller:innen: Fanny Leander Bornedal, Paprika Stehen, Nikolaj Koster-Waldau
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Capelight Pictures
Kinostart: 16.05.2024