Die Logline des Thrillers „Abigail“ bringt es schlicht auf den Punkt: „Kinder können solche Monster sein.“ Doch wer sich an Kindesentführung heranmacht, rechnet wohl mit so einigen Schwierigkeiten. Aber so richtig vorbereitet sind die Gauner nicht und es gibt noch einige Überraschungen in „Abigail“. Zu sehen ab dem 18. April 2024 im Kino.
Ein angeheuerter Haufen Kleinkrimineller soll die Tochter eines reichen Typen entführen. Das Mädchen namens Abigail (Alisha Weir) kommt gerade von einem einsamen, abendlichen Ballettvergnügen auf einer großen Bühne vor leerem Saal zurück, als die Kidnapper zuschlagen. Abigail wird in ein altes, verwunschen wirkendes Anwesen außerhalb der Stadt gebracht. Hier sollen die Entführer, die sich gegenseitig nicht kennen, das Mädchen 24 Stunden bewachen. Dann sollte das Lösegeld übergeben sein.
Doch kaum ist Auftraggeber Lambert (Giancarlo Esposito) um die Ecke, setzen erste Disziplinlosigkeiten ein. Obwohl die Truppe sich nicht kennt und kennen soll, hat Lambert widerwillig „Rat Pack“-Decknamen verteilt. Jetzt stellt Fahrer „Dean“ (Angus Cloud) nervtötende persönliche Fragen. Was also haben „Frank“ (Dan Stevens), „Peter“ (Kevin Durant), „Rickles“ (William Catless), „Sammy“ (Kathryn Newton) und „Joey“ (Melissa Barrera) vorher denn so gemacht?
Kleine Tänzerin ist unterwegs
Joey kommt zumindest schlecht klar, wenn sie keine Übersicht hat. Als sich herausstellt, dass Abigail die Tochter eines berüchtigten Unterwelt-Bosses mit gefürchtetem Leibwächter ist, setzt ein Fluchtmechanismus ein. Doch das ist nicht das eigentliche Problem. Noch 22 Stunden bis zur Wachablösung.
Sowohl das Plakat als auch der Trailer von „Abigail“ geben die Pointe, dass die kleine Ballerina ein Monster ist bereits preis. Daher sollte es nicht weiter verwundern, dass die Kidnapper in dem Anwesen in der Falle sitzen und selbst zu Gejagten werden. Die Ursachen dafür scheinen ebenso nebensächlich wie die Frage, warum der Horror-Thriller so lange mit der Gaunerclique herumtrödelt?
Denn der erste Teil des Films konzentriert sich voll und ganz auf die Entführer und ihre erstaunlich unprofessionelle Vorbereitung. Das Publikum kennt das möglicherweise aus anderen Genrebeiträgen: Die Gauner stellen sich bei ihrem Coup so dermaßen amateuerhaft an, dass ziemlich viel auf brutal lustige Weise in die Hose geht. Und das scheinbar wahllos zusammengecastete halbe Dutzend macht wirklich nicht den hellsten Eindruck.
Klassisches Ballett zu Danzigs „Blood & Tears“
Es ist immer wieder eine Gratwanderung, ob Charaktere und Szenen als cool oder klischeehaft empfunden werden, sobald jemand das Sprücheklopfen anfängt. Und während der Entführung sind die „Rat Packer“ Floskelmäßig ganz vorne mit dabei. Ehrlicherweise funktioniert das für mich als Zuschauer nicht sonderlich gut. Tempo, Timing und Tonlage kommen bei mir nicht cool rüber.
Insofern kann die bestialische Ballerina ruhig auf die Jagd gehen. Doch auch das ist nur leidlich unterhaltsam und kommt aus genreüblichen Spannungsmomenten kaum heraus. Es hilft zur Atmosphäre, dass die Gauner nicht fliehen können, weil sie in dem schaurigen, viktorianischen Gemäuer festsitzen. Wahnwitzig ist nur der Anteil an künstlichen Innereien.
Das Regieduo Matt Bettinelli-Olphin und Tyler Gillett ist zusammen als „Radio Silence“ bekannt und wurde aufgrund der letzten beiden „Scream“-Teile und des Überraschungs-Shockers „Ready or Not“ (2019) abgefeiert. Doch „Abigail“ wird dem Ruf als originelle Erneuerer des Horror-Genres nicht gerecht. Und so richtig humorig geht es auch nicht gerade zu. Hinzu kommen noch Storytwists, die meines Erachtens eher Potential verschleudern. Vielleicht habe ich auch einfach nur zuviele Filme gesehen.
Der Horror-Thriller „Abigail“ gibt seine Vampir-Natur bereits vorab zu erkennen, bleibt dann aber doch lange den Beweis seiner Bissigkeit schuldig. Was in der ersten Filmhälfte als halbgarer Gaunerposse aufkocht, wird dann zu einem rohen und exzessiven Vergnügen. Das hat seine Momente, muss aber fehlenden Spannungsaufbau kompensieren.
Film-Wertung: (5 / 10)
Abigail
OT: Abigail
Genre: Horror, Thriller
Länge: 110 Minuten, USA, 2024
Regie: Bettinelli-Olphin, Tyler Gillett
Darsteller:innen: Melissa Barrera, Dan Stevens, Alisha Weir
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Universal Pictures
Kinostart: 18.04.2024