Zum Abschluss des #bildungsherbst auf brutstatt.de gibt es auch noch ein paar erhebende Filme. So wie das kanadische Drama „Monsieur Lazhar. Aus dem Archiv von 2012. In dem leisen kanadischen Drama „Monsieur Lazhar“, muss eine Schulklasse mit einem Trauma fertig werden. Der Film schaffte es bis auf die Shortlist der Oscar-Nominierungen für fremdsprachige Filme. Ein ungewöhnlicher Lehrer hilft den Schülern. „Monsieur Lazhar“ erzählt weniger aus der Schule, als auf wunderbare Weise von der Hoffnung, die Trauer zu überwinden.
An einer Schule im kanadischen Montreal bringt sich eine Lehrerin in einem Klassenraum um. Die Schüler sind verstört und die Schuldirektorin und das Kollegium tun ihr Möglichstes die Kinder psychologisch zu betreuen. Nur, wer soll den Unterricht übernehmen? Dann erscheint Bashir Lazhar bei der Direktorin und bietet aushilfsweise seine Dienste an. Monsieur Lazhar ist algerischer Herkunft und wartet in Montreal darauf, als politischer Asylant anerkannt zu werden.
Spontan sei er vorbeigekommen, betont Monsieur Lazhar, er habe in Algier als Lehrter gearbeitet. Nun hat er eine neue Aufgabe und die Klasse der Verstorbenen hat einen neuen Lehrer. Herr Lazhar krempelt erstmal alles um. Von moderner Pädagogik und gruppendynamischer Sitzordnung will der Algerier nichts wissen und auch mit der kindgerechten Benennung von Wortgruppen kann der gebildete Mann nicht viel anfangen. Und auch wenn sich die Klasse gegen einen Balzac-Text als Diktat sträubt, so langsam baut sich zwischen den Schülern und den neuen Lehrer eine stabilisierende Beziehung auf.
Selbstmord einer Lehrerin
Nur will in der Schule niemand über den Selbstmord der Lehrerin reden, obwohl die Klasse und vor allem Simon und Alice, die die Lehrerin entdeckt haben, noch immer schwer darunter leidet. Monsieur Lazhar läuft mit seinen Versuchen den Tod zu thematisieren gegen Mauern.
Schon in seinem dritten Spielfilm „Ich schwör’s, ich war’s nicht“ (OT: C’est pas moi, je le jure!“, 2008) beschäftigte sich Regisseur und Autor Phillippe Falardeau mit dem Thema des Aufwachsens. Sein zehnjähriger Held versucht sich das Leben zu nehmen. Das brachte dem Film einige Anerkennung und auch auf der Berlinale eine Auszeichnung. Nur ein Vertrieb wollte sich für den sehenswerten Film nicht finden. So ist „Monsieur Lazhar“ der erste Film Falardeaus, der auch in Deutschland in den Kinos läuft.
Mit leisen Tönen und warmen Humor nähert sich der Film in Gestalt der Hauptfigur Bashir Lazhar einem schwierigen Thema. Es geht weniger um den Schulalltag als solchen, als um die modernen Tabus, um die mangelnde Auseinandersetzung mit Tod und Trauer. In der kanadischen Großstadt Montreal braucht es den Algerier Lazhar, um den Kindern einen Weg zu zeigen, mit ihrer Trauer fertig zu werden. Dabei ist der Unterricht für den Asylbewerber selbst ein Weg aus der Trauer, denn in Algier wurden seine Frau und seine Kinder getötet.
Trauma-Bewältigung im Unterricht
Und obwohl „Monsieur Lazhar“ keineswegs ein Kinderfilm ist, ist es genau der kindliche, der naive Ansatz mit dem der Aushilfslehrer versucht die komplexen Gefühle hervorzuholen und zu thematisieren. Das hat universelle Gültigkeit und lässt sich aus dem frankokanadischen Montreal auch auf unsere Gesellschaft übertragen.
Neben Mohammed Fellag sind es vor allem die Kinderdarsteller Sophie Nélisse als Alice und Èmilien Néron als Simon die in dem Film beeindrucken. Der Algerier Fellag ist in seiner Heimat als Komödiant und Autor ein großer Star. Als Schauspieler war er bisher in Nebenrollen in einigen französischen Produktionen zu sehen. „Monsieur Lazhar“ ist seine erste Hauptrolle und Fellag begeistert mit großer Tiefe, die in der Figur zum Ausdruck kommt.
Dabei braucht es keine großen Gesten oder große Worte, um das Leid des Monsieur Lazhar zu zeigen. Hinter einem demütigen Lächeln zeugen wache und traurige Augen von dem eigenen Verlust. Erst wenn Bashir Lazhar unterrichtet, verschwindet der Schmerz für einige Zeit. Dadurch ist er in der Lage, das Leid der Kinder zu erkennen und zu lindern.
Doch vor allem weiß das Drama „Monsieur Lazhar“ filmisch zu überzeugen: Das Drehbuch ist von seltener Tiefe und es gelingt dem Drehbuchautor Falardeau eine anrührende Geschichte ohne Pathos und mit viel Feingefühl zu erzählen. Die bildliche Umsetzung schafft es, den Räumlichkeiten der Schule erstaunliche atmosphärische Vielfalt abzugewinnen und so in einem Mikrokosmos eine ganze Welt auszubreiten.
„Monsieur Lazhar“ ist ein stilles Drama mit leisem Humor, das mit seiner großen Menschlichkeit überzeugt und beinahe nebenbei schafft, gesellschaftlich relevante Fragen zu stellen (…und vielleicht zu beantworten). Zurecht heimst der absolut sehenswerte Film international etliche Preise ein.
Film-Wertung: (8 / 10)
Monsieur Lazhar
OT: Monsieur Lazhar
Genre: Drama
Länge: 95 Minuten, CAN, 2011
Regie: Philippe Falardeau
Darsteller:innen: Mohammed Fellag, Sophie Nelisse, Emilien Neron
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Arsenal Film, Indigo
Kinostart: 11.04.2012
DVD-& BD-VÖ: 12.10.2012