Mehr als 100 Jahre ist es inzwischen her, dass in Deutschland erste Demokratie-Bemühungen unternommen wurden. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg wird aus dem Kaiserreich die „Weimarer Republik“. Doch diese steht anfangs auf wackeligen Beinen. Kaum jemand hat den Kapp-Putsch von 1920 noch in Erinnerung, der beinahe zum umstürzlerischen Ende der jungen Republik führte. Der DDR-Zweiteiler „Brennende Ruhr“ erzählt nach dem gleichnamigen Roman von Karl Grünberg vom linken Widerstand gegen den Putschversuch und den Ruhraufständen, die daraus folgten. Die Verfilmung von 1967 wurde bereits 2011 in digital überarbeiteter Form für das Home-Entertainment veröffentlicht. Nun hat Onegate den Titel im Juli 2023 neu aufgelegt.
Im Jahr 1920 steht es schlecht im der neuen deutschen Republik. Nach dem verlorenen Krieg und der Abdankung des Kaisers mussten Reparationen geleistet werden und die Wirtschaft erholt sich nur langsam. Der ehrgeizige Student Karl Sukow (Klaus Bamberg) reist nach dem Ruhrgebiet um bei der Kohle-Förderung zu helfen.
Kohle wird als Brennstoff der Industrie dringend gebraucht, doch die Bergarbeiter kämpfen um bessere Arbeitsbedingungen. Aber „Sieben Stunden sind für die Wirtschaft zu wenig!“ weiß Karl. Im Zug lernt er den Vorarbeiter Peter Ruckers kennen, der ihn überredet mit nach Swertrup zu kommen, um Arbeit zu finden. Karl kommt nach vielen Ablehnungen als Hofarbeiter im Stahlwerk unter.
Nachkriegsdeutschland und die neue Demokratie
Die Zugbekanntschaft Gisela Zenk (Vera Oelschlaeger) verschafft dem Chemie-Studenten und ehemaligen Offizier Karl eine Arbeit im Labor. Auch weil sie glaubt, ihn für die nationale Sache gewinnen zu können. Karl kommt im Junggesellenwohnheim unter und freundet sich mit dem Arbeiter und Kommunisten Max Grothe (Hans-Peter Reinicke) an. Beide versuchen einen vernünftigen Umgang miteinander zu finden, obwohl ihre Weltanschauungen unterschiedlich sind und sie beide um dasselbe Mädchen werben, Rückers Tochter Marie (Anneliese Scheinert).
Dann bekommt Karl mit, dass etwas im Gange ist. Die Nationalen wollen den SPD-Führer Oversath diskreditieren. Gleichzeitig überschlagen sich die Ereignisse, als die national eingestellten Truppen und etliche Bürgerwehren um den General Lüttwitz und dem Beamten Kapp versuchen die Staatsmacht an sich zu reißen und den Kaiser wieder ins Amt zu hieven. Der Putschversuch währt nur kurz und wird niedergeschlagen.
Vor allem im Ruhgebiet kommt es durch den bereits begonnenen Generalstreik zu einem Aufstand sozialistischer und kommunistischer Kräfte, um eine Räterepublik zu gründen. Karl Sukow ist in nationalistische Machenschaften geraten und wird als Spion bei den Linken eingesetzt. Doch dort legt er seine Karten offen und wird seinerseits zur Desinformation benutzt. Karl muss sich entscheiden, ob er es mit den Arbeitern oder mit den Putschisten hält.
Der Roman „Brennende Ruhr“ gilt als Klassiker der DDR-Literatur, obwohl der Roman bereits 1928 entstand. Karl Grünberg war „der Inbegriff des engagierten Arbeiter-Korrespondenten“, so ein journalistischer Weggenosse in der kurzen biografischen Szene, die ebenfalls auf der DVD enthalten ist. Grünberg lebte nach dem 2. Weltkrieg in der DDR, wo er 1972 verstarb. Die Dreharbeiten zu „Brennende Ruhr“ hat er beraten und begleitet.
Literatur für die Arbeiter
Grünberg selbst hat an den Ruhraufständen nicht teilgenommen. Seinen Roman hat er bewusst als solchen angelegt, um die Lehren aus dem Kapp-Putsch und dem Aufstand einem breiten Publikum weiterzugeben. Tatsächlich geht die Tradition der Arbeiterliteratur weit über die DDR hinaus. In der Weimarer Republik gründete sich 1928 der Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller (BPRS, 1928 bis 1935) und es gab bereits längst „linke“ Verlage, die Literatur zur Volksbelehrung veröffentlichten, aber das würde an dieser Stelle zu weit führen. (Wikipedia hilft Interessierten weiter)
Seit der deutschen Einigung und dem weltweiten Zusammenbruch des Kommunismus scheint der Kapitalismus seinen Siegeszug ungebremst fortzusetzen. Sozialistisches Gedankengut scheint aus der Mode gekommen und während die „Letze Generation“ auf „Klima Kleben“ als (anarchistische) Direkte Aktion setzt, wird auf der Leinwand in „Oppenheimer“ immer noch die us-amerikanische Hatz auf Kommunisten thematisiert. Was kann der TV-Zweiteiler „Brennende Ruhr“ dem Publikum heute noch vermitteln? Wo doch Grünbergs Roman schon seit Jahrzehnten nicht mehr aufgelegt wird, antiquarisch aber durchaus in unterschiedlichen Ausgaben erhältlich ist.
Anfangs dachte ich, jüngere Zuschauer könnten sich in der Figur des Studenten Karl wiederfinden, der auszieht, das Arbeiten zu verrichten, nur um zu lernen, dass er der Aufgabe nicht gewachsen ist. Doch dann kommt die politische „Erweckung“ und Bewusstwerdung zum tragen und spätestens dann, wirkt der annähernd drei Stunden lange Zweiteiler deutlich aus der Zeit gefallen.
Dabei lässt sich Karl, der im Roman mit dem „bösen“ Fräulein Gisela verheiratet ist, hier aber um Marie werben darf, erstaunlich lange Zeit bis ihn die Sache der Arbeiter überzeugt. Tatsächlich widern ihn eher die Verlogenheit und Ehrlosigkeit der Putschisten an. So weit, so DDR erbauungsüblich. Letztlich lässt sich auch über Kapp-Putsch und Ruhraufstand besser und unterhaltsamer und lehrreicher informieren als mit diesem TV-Zweiteiler.
Generalstreik gegen die Putschisten
Handwerklich hingegen kann sich die TV-Produktion, die in 4:3 Format gedreht wurde, trotz Schwarz-Weiß-Film immer noch sehen lassen. Die Szenen sind dramaturgisch ausgefeilt und allein der Auftakt im Abteil des haltenden Zuges umreißt in wenigen Sätzen musterhaft die Ausgangssituation und zeigt vier der Hauptfiguren.
Auch später wissen einige der Außenaufnahmen handwerklich zu überzeugen. Es kommen etliche Statisten ins Bild und es werden Arbeiterlieder geschmettert während die Streikenden sich versammeln oder die vermeintlich nur durchziehende Armee zu stoppen versuchen. Sicherlich war der TV-Standard in der Bundesrepublik Ende der 1960er bereits etwas fortgeschrittener, aber handwerklich überzeugender waren die TV-Formate nicht unbedingt.
Die Bildqualität des Zweiteilers ist mittels digitaler Überarbeitung deutlich verbessert worden. Das lässt sich exemplarisch an jenen Filmszenen ablesen, die in dem Grünberg-Kurzporträt enthalten sind. Als Bonus-Material ist ein kurzes Porträt über Karl Grünberg beigefügt. Ebenso darf Vera Oelschlegel: „Geschichten und Lieder“ vortragen. Diese ca. 40 minütige TV-Spezial aus DDR-Zeiten hat mit „Brennende Ruhr“ nichts zu tun, zeigt aber die Schauspielerin von einer anderen Seite.
Wer sich für Arbeiterliteratur, sozialistische Kunst und Geschichtsbetrachtung aus sozialistischer Perspektive und „von unten“ interessiert, mag am DDR-Zweiteiler „Brennende Ruhr“ Gefallen finden. Das Thema sollte nicht in Vergessenheit geraten und zeigt, dass auch, das Demokratie ein anfälliges, keineswegs selbstverständliches Gut ist.
Serien-Wertung: (5 / 10)
Brennende Ruhr
OT: Brennende Ruhr
Genre: TV-Serie, Drama, Historie
Länge: 165 Minuten, DDR, 1967
Regie: Hans-Erich Korbschmitt
Roman-Vorlage: „Brennende Ruhr“ von Karl Grünberg
Darsteller:innen: Klaus Bamberg, Vera Oelschlägel, Annelie Scheinert, Hans-Peter Reinicke
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Onegate
In der Reihe: DDR-TV-Archiv, Große Geschichten
DVD-VÖ: 26.11.2011
DVD-WiederVÖ: 09.06.2023