Das französische Drama „Besties“ erzählt von erster Liebe und Freundschaft, vom Erwachsenwerden und Loyalität. Dabei verlegt die Regisseurin Marion Desseigne Ravel ihre Liebesgeschichte in die Pariser Vororte und in rivalisierende Mädchengangs. Das ist ebenso charmant wie lebendig. Im Kino ab dem 29. Juni 2023.
Nedjma (Lina El Arabi) ist algerischer Herkunft und lebt in einem Pariser Vorort. Zusammen mit ihrer jüngeren Schwester hat sie eine Gruppe Freundinnen, die immer zusammen abhängen. Gerade sind Ferien und in dem Jugendclub taucht ein neues Gesicht auf. Zina (Esther Rollande) macht Nedjma gleich die Favoritenrolle beim Musikquiz streitig.
Wie sich herausstellt, ist Zina die gerade zugezogenen Cousine von Yousra. Die gehört leider zu einer anderen Mädchengang. Und als Zina dann unwissentlich noch die Parkbank von Nedjmas Mädchen besetzt, kommt es zum Zoff. Die Mädels werden von Yousra und Freundinnen vertrieben und wollen sich rächen, indem sie Zinas Ruf demolieren. Nedjma gelingt es nicht rechtzeitig einzugreifen, dabei ist sie doch in die Neue verknallt. Dann läuft alles eher dusselig und Nedjma muss sich über ihre Gefühle klarwerden.
„Das sind Schlampen.“ „Vielleicht bin ich auch eine?“
Rivalisierende Banden oder Familien, die durch eine unerlaubte Liebe in Konflikt gebracht werden, erinnern zwangsläufig an Shakespeares „Romeo und Julia“. Wobei in „Besties“ Julia und Julia treffender wäre und die Familien durch rivalisierende Gangs ersetzt werden. Die Konflikte sind ähnlich, doch für Nedjma kommt noch das „Unaussprechliche“ dazu, anders zu sein und sich zu Mädchen hingezogen zu fühlen. Das hatte sie so weder erwartet, noch kann sie damit auf der Stelle umgehen.
Als Zina eines Nachts zu Nedjma sagt, sie wäre so weich, ist diese verwundert. Denn in ihrer Vorort-Realität sind Nieten weich. Nedjma ist keine Niete. Und doch versucht sie ihre Liebe zu verbergen, geheim zu halten. Wohl wissend, dass nicht nur der „Feindkontakt“ Stress bedeutet, sondern auch die Liebe unter Frauen einen Anlass zur Ausgrenzung bietet.
Von ihrer Mutter nach ihren Problemen gefragt, antwortet das Mädchen, es würde Mist über sie erzählt und sie müsse auf ihren Ruf achten. Die Mutter antwortet: „Ich verstehe eure Generation nicht. Deine Tante und ich sind wegen der Freiheit hierher gekommen. Ihr schwört auf den Koran und überwacht euch.“ Dies deutet ein weiteres Problem an, das nur am Rande in „Besties“ auftaucht und nicht tiefer ausgelotet wird.
Die Aussicht von Dach des Wohnsilos
Mit erstaunlicher und einnehmender Lockerheit gelingt es Filmmacherin Marion Desseigne Ravel ein Jugendgefühl am Rand der Pariser Gesellschaft einzufangen. Dabei stehen Mädchen im Vordergrund, die sich wie die Jungs in Straßengangs organisieren, denn allein machen sie dich auch auf diesen Straßen ein. Es gibt so etwas wie neutrale Zonen, etwa im Jugendtreff, den alle Kids der Gegend besuchen. Aber es gibt auch ganz klare Reviermarkierungen.
Die eigene Sexualität zu entdecken und auch das eigene Anderssein wurde in anderen Filmen vielleicht nachdrücklicher und intensiver thematisiert, doch es ist immer noch selten genug Gegenstand eines „Mainstream“-Films. „Besties“ ist ganz klar ein kraftvolles Jugenddrama, dass für ein breites Publikum nachvollziehbar ist. Vor allem die natürlichen und energetischen Schauspielerinnen verleihen dem Film seinen Charme.
Nicht alles an „Besties“ ist perfekt inszeniert oder originell umgesetzt, aber die Energie stimmt und springt über. Die jungen Darstellerinnen wissen alle zu überzeugen. Diese Lebensfreude und der jugendliche Überschwang sind ansteckend und so typisch französisch. Das Ende überrascht dann doch und kann über den Film hinaus beschäftigen. Dass die Regisseurin dafür bereits mehrfach kritisiert wurde, spricht eher für den Film als dagegen.
Film-Wertung: (7 / 10)
Besties
OT: Les Mellheures
Genre: Drama,
Länge: 80 Minuten, F, 2021
Regie: Marion Desseigne Ravel
Darstellerinnen: Lina El Arabi, Kiyane Benamara, Esther Rollande,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Salzgeber
Kinostart: 29.06.2023