In der Bibel gibt es zwei Isebels. Die in der Offenbarung des Johannes gilt als Verführerin zur Unzucht, diejenige im Alten Testament hat König Ahab von Glauben abfallen lassen. In diesem venezolanischen Erotik-Thriller steht „Jezabel“, so die internationale Namensvariante, für ungehemmtes Ausleben des Exzesses. Das Publikum weiß, dass so etwas selten gut ausgeht. So auch in der Home-Entertainment-Premiere, die Busch Media am 9. März 2023 für das Heimkino veröffentlicht.
Gerade noch filmt Alain (Gabriel Agüero) seine drei Freundinnen mit dem Smartphone und kaum einige Filmminuten später ist eine von ihnen tot. Cacá (Shakti Maal), hatte in der Schule Berufsberatung und schwadroniert darüber vielleicht Kindegärtnerin zu werden, Loló (Johanna Gonzales) weiß nicht was sie werden will und Eli (Eliane Chipia) will schnell viel Geld verdienen. Eventuell mit einer Pornoseite im Internet, die hieße dann „Jezabel“. Da muss frau nicht viel tun, außer geil posieren, das Ganze streamen und schwupps ist der aufwändige Lebensstil gesichert.
Sagt sie, bevor die nächste Tüte rumgeht und Cacá Alain auffordert, endlich mit den Filmen aufzuhören. Das jugendliche Quartett stammt mehr oder minder aus reichem Haus und hängt ständig zusammen ab. Ernsthaft geht es eigentlich nie zu, dafür aber eingeschworen und lust- und triebgesteuert. Drogen und Sex, Hauptsache Exzess. Bis Eli tot ist und sich keiner erinnern kann.
Jahre später arbeitet Alain mehr oder weniger als Grafik Designer oder etwas in der Art. Im Fernsehen erfährt er von der Buchpremiere eines Journalisten, den er von früher kennt. Alain macht sich an Salvador (Erich Wildpret) heran und wirft scheinbar zufällig die Frage nach dem damaligen Todesfall auf. Während die beiden eine Affäre (oder Beziehung) haben, recherchiert Salvador den Fall, eventuell für sein kommendes Buch.
„Es war ein Unfall.“
Seinerzeit war einer von Elis Lehrern für den brutalen Mord an der Schülerin Eli verurteilt worden und kurz darauf in Untersuchungshaft bestialisch getötet worden. Doch war das „Monster von Terazas del Alvila“ wirklich verantwortlich? Auch Alain taucht ab in seine Erinnerungen.
Filme aus Venezuela sind hierzulande eine Seltenheit. Es scheint immer wieder als hatte das Land keine nennenswerte Filmindustrie. Das mag auch den immer wieder mal instabilen politischen Verhältnissen geschuldet sein. Im Subtext von „Jezabel –Sünden der Vergangenheit“ schwingt so etwas mit. Andererseits braucht sich der Erotik-Thriller im internationalen Vergleich nicht zu verstecken und Regisseur Hernán Jabes hat bereits einige Filme gedreht.
„Jezabel“ basiert auf dem gleichnamigen Roman des venezolanischen Schriftstellers Eduardo Sánchez Rugeles, dessen Werk hierzulande nicht verlegt wird. Scheinbar handelt eine der beiden Erzählebenen im Roman in naher Zukunft. Im Film ist das so nur an einigen Momenten und technischen Spielereinen abzuleiten. Es tut aber auch nichts zur Sache.
Stattdessen stellt der Thriller die Aufarbeitung einer exzessiven Jugend in den Mittelpunkt. Überraschend und packend daran sind die erzählerischen Auslassungen. Die Lücken, die das Publikum nicht zu sehen bekommt und die aus Alains Erinnerung gefüllt werden, während Salvador zeitgleich recherchiert. Die Vergangenheit wird zum Dreh- und Angelpunkt der Beziehung.
„Kindertorheiten, die schiefgelaufen sind.“
Bis sich „Jezabel“ in Rückblenden der tatsächlichen Todesnacht nähert, zeichnet der Film das Bild einer Jugendgruppe, die gelangweilt und abgestumpft scheint und Zerstreuung auch im Extrem sucht. Dabei kommen immer wieder Außenstehende zu Schaden, werden als Opfer auserkoren, oder müssen aus dem Weg geschafft werden, weil sie das Tun der Clique hinterfragen und/oder verurteilen. Erstaunlicherweise scheint es für das befreundete Quartett keine Konsequenzen zu geben, bis zu ebenjenem Todesfall.
„Jezabel“ weiß seine Themen gekonnt zu inszenieren. Es geht selten explizit und hochspannend im Sinne einer Thrillersuspense zu. Stattdessen entfaltet sich ein Mysterium um den Todesfall und eine psychologische Spannung aus den Beziehungen der Charaktere. Je weiter Alain sich erinnert, desto eher schwindet die Einheit in der Jugendbande, es zeigen sich Risse und Ungereimtheiten. Hinzu kommt, dass Alain selbst immer getriebener erscheint. Das ist immer auch eingebunden in einen gesellschaftlichen Kontext, der sich in Kleinigkeiten und Detail zeigt, ohne das Wesentliche des Erotikthrillers zu beeinträchtigen.
Der venezolanische Thriller „Jezabel“ versteht es geschickt und mehrdeutig eine Gruppe von scheinbar boshaften Lolitas zu beobachten und aus der Rückschau eine spannende Recherche eines zu frühen Todes zu erzählen. Die Besetzung spielt sehenswert auf und einige erstaunliche Wendungen gibt es obendrauf. Selbst wenn die Auflösung am Ende nicht ganz zu überzeugen vermag.
Film-Wertung: (6 / 10)
Jezabel – Sünden der Vergangenheit
OT: Jezabel
Genre: Thriller, Erotik
Länge: 108 Minuten, YV, 2022
Regie: Hernán Jabes
Darsteller:innen: Johanna Gonzales, Eliane Chipia, Shakti Maal, Erich Wildpret, Gabriel Agüero,
FSK: ab 16 Jahren
Vertrieb: Busch Media
Kinostart: Nicht in Deutschland
DVD-& BD-VÖ: 09.03.2023
EST: 09.03.2023