Ansichten am Donnerstag # 30: Die große Verwerfung

Rein persönlich ist der Rezensent etwas kriegsgeschädigt, im übertragenen Sinne versteht sich. Schließlich sitze ich hier warm und sicher in einer Gegend, die (2009) seit ziemlich genau 64 Jahren keinen Krieg mehr mitmachen musste.

Dennoch häufen sich in den letzten Wochen in meinem kleinen Realitätsausschnitt Filme zum Thema Zweiter Weltkrieg. Darunter fasse ich jetzt auch mal die Holocaust-Thematik, obgleich mir klar ist, dass das nicht so ganz zulässig ist.

Anyway, es erstaunt mich einfach, dass das Thema Weltkrieg momentan wieder so eine Präsenz im Filmgeschehen hat, dabei denke ich noch nicht einmal an „Der Vorleser“ und „Ein Leben für ein Leben“, die das Thema ja nur als Ausgangspunkt nehmen. Und natürlich werden auch nach wie vor andere zeitgenössische Themen im Film behandelt.

Aber da bekommt ein deutscher Kurzfilm einen Oscar („Spielzeugland“), das Schicksal der Berliner Frauen nach Einmarsch der Roten Armee wird verfilmt („Anonyma“), die Biografie Reich-Ranickis wird beinahe auf die, sicherlich prägende, Erfahrung im Warschauer Ghetto zusammengeschrumpft („MRR – Mein Leben“) und „John Rabe“ zeigt uns, dass in dieser Zeit es auch deutsche Helden gab.

Als hätten wir das nicht seit „Operation Walküre“ schon gewusst. Auch Hollywood windet dem Zweiten Weltkrieg immer noch ein Epos oder ein Drama ab. So wie „Unbeugsam“ oder der Kollege Tarantino mit seinen „Inglorious Basterds“. Das Phänomen ist also kein rein deutsches.

Kriegsthemen im Mainstream-Kino

Es gibt immer wieder Kriege und Konflikte, die auch im Filmgeschehen festgehalten werden, doch der Zweite Weltkrieg war einfach die große historische Verwerfung. Immer wieder kehren Filmschaffende zu diesem Thema zurück, manche benutzen es als Kulisse („Pearl Harbour“) andere aus anderer Motivation („Saving Privat Ryan“), nicht alle Filme sind dann auch überzeugend oder notwendig.

Momentan kommt es mir vor, als wäre das Thema wieder en vogue, wenn ich das so ausdrücken kann. Vielleicht liegt es daran, dass die Zeitzeugen langsam aussterben, oder an dem Bedürfnis einer jüngeren Generation die Gräuel und Schrecken des Krieges darzulegen. Belegen kann ich meine Empfindung freilich nicht, es fühlt sich einfach nur so an. Ich merke momentan eine „Übersättigung“, die schnell zur Gleichgültigkeit werden kann.
Folglich ist dies mein Beitrag zur Feier des 64. Jahrestags der deutschen Kapitulation am 08. Mai 1945, die zumindest in Europa, den Zweiten Weltkrieg beendet hat.

Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!

(ursprünglich veröffentlicht bei cinetrend.de am 07.05.2009)