Das Leben einer Baletttänzerin wird in der französischen Tragikomödie „Das Leben sit ein Tanz“ auf den Kopf gestellt, als sie auf der Bühne ein Unfall hat. Doch wo andere Filme das Drama, das Leid und die Depression suchen, findet Regisseur Cédric Klapisch Neuorientierung, Aufbruch und Lebensfreude. Das ist ebenso einnehmend wie hinreißend. Selten war ein Film so sehr gefilmte Bewegung. Ab dem 8. September 2022 im Kino.
Ballerina Eloise (Marion Barbeau) wartet hinter den Kulissen auf ihren Auftritt im klassische Ballett „La Bayadère“ (Die Tempeltänzerin). Sie nimmt das Bühnengeschehen ebenso auf wie die Geschäftigkeit im Hintergrund. Doch auf der Bühne verletz sie sich bei einem Sprung und kann nicht mehr weitertanzen.
Wie sich herausstellt, ist der Fuß nicht mehr brauchbar und muss sogar eingegipst werden. Für die Tänzerin eine Katastrophe. Auch Physiotherpeut Yann (Francois Civil) ist der Meinung, Gips würde gar nicht gehen. Aber bei der Diagnose, dass Elise den Fuß mindestens ein Jahr nicht belasten soll und wahrscheinlich nie wieder wird tanzen können, wird auch das nebensächlich.
Berufliche Standbeine weggezogen
Gerade einmal 26 Jahre alt, kann sich Elise kein Leben ohne Ballett vorstellen und ist auf der Höhe ihres Könnens. Sie versucht alles, um wieder fit zu werden und zeitgleich andere Zukunftsoptionen auzuloten. Nicht gerade einfach, wenn der Freund mit einer anderen anbandelt und der eigene Vater (Denis Podalydès ) nur meint, das käme davon, dass Elise ihren Beruf auf ihrem Körper aufgebaut hätte.
Sabrina (Souhaila Yacoub), eine Freundin, die aus gesundheitlichen Gründen mit dem Ballett aufhören musste, bietet Elise an, mit ihr und ihrem Freund Loïc (Pio Marmaï) als Caterer in der Bretagne zu arbeiten. Dort hat die lebensfrohe Josiane (Muriel Robin) eine Tagungsstätte für Künstler eingerichtet. Elise macht sich mit dem Food Truck auf den Weg.
Zufällig hat sich gerade die Tanzkompanie des israelischen Choreografen Hofesh Schechter (Hofesh Schechter) bei Josiane eingerichtet und probt für ein neues modernes Tanzstück. Der Choreograf lädt Elsie ein, jederzeit bei den Proben mitzumachen. Und Elise lässt sich vorsichtig auf diese Möglichkeit ein.
Leben mit den eigenen Schwächen
Der französische Filmmacher Cédric Klapisch („L’auberge espaniol“, „Der Wein und der Wind“) erzählt in seinen Filmen immer wieder von zwischenmenschlichen Beziehungen, in denen das Leben selbst die Dramaturgie zu schreiben scheint. Auch in „Das Leben ein Tanz“ befindet sich das Publikum mit der Hauptfigur auf Augenhöhe. Jede von Elises Regungen wird direkt aufgenommen und wirkt nicht beobachtet. So stellt sich schnell der Eindruck ein, der Film ließe seinen Figuren viele Möglichkeiten offen.
Selbstverständlich ist eine so drastisch notwendige Neuorientierung ein Einschnitt, der auch eine gehörige Portion Frust beinhaltet, aber der Blick Elises und die Erzählhaltung des Films sind pragmatisch und optimistisch auf die Suche und berufliche Neufindung ausgerichtet. Das vermittelt Lebensfreude und hat den ein oder anderen klugen lebensklugen Moment zu bieten.
Daneben ist allein der Auftakt von „das Leben ein Tanz“ eine Herausforderung. Mit dem klassischen Ballett wird etwa 15 Minuten lang ohne Dialoge nur mit Kulisse, Licht und Bewegung und herausragender Kameraarbeit von Alexis Kavyrchine eine Situation beschrieben, eine Person charakterisiert, dass es ein cineastisches Fest ist.
„Ich habe das Recht auf neue Träume!“
Hauptdarstellerin Marion Barbeau ist tatsächlich Ballerina und ihre darstellerische Leistung fügt sich nahtlos in die tänzerische Anmut, weshalb man gerne Anteil nimmt am Schicksal dieser jungen Frau. Ein weiterer „Coup“ ist die Mitwirkung des Choreografen Hofesh Shechter in Klapischs Film. Schechter spielt sich nicht nur selbst, sondern hat auch viele der Tanzsequenzen choreografiert. Und die Proben und Tanzszenen sind absolut großartig gelungen. Da mag sogar jemand, der mit Tanz und Ballett wenig anfangen kann, zu beeindrucken sein.
Vor allem aber feiert „Das Leben ein Tanz“ das Leben selbst. Klapisch zelbriert, den Wandel, die Entwicklung der Persönlichkeit. Dass Elise als Küchenhilfe über ihr Leben nachdenkt hat schon beinahe die Qualität eines Zen Koans oder einer Meditationsübung. Klapisch thematisiert Brüche in Lebensläufen, huldigt zweiten Chancen und Neuausrichtungen wie das sonst im aktuellen Kino kaum jemand tut. Das ist einfach verdammt überzeugend und hinreißend anzuschauen.
Das Wunderbare an „Das Leben ein Tanz“ ist das Gefühl, Elises Lebensweg ist keineswegs von Drehbuch vorgezeichnet, sondern tatsächlich eher eine ergebnisoffene Suche. Es hätte auch nicht verwundert, wenn die ehemalige Ballerina einen komplett anderen Weg eingeschlagen hätte. Sie hätte auch dort ihr Glück gefunden. Außerdem hat es lange nicht mehr so herausragende Tanzszenen auf der Leinwand gegeben.
Film-Wertung: (9 / 10)
Das Leben ein Tanz
OT: En corps
Genre: Drama, Komödie
Länge: 118 Minuten, F, 2022
Regie: Cédric Klapisch
Darsteller:innen: Marion Barbeau, Muriel Robin, Denis Podalydès
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Studiokanal, Arthaus
Kinostart: 08.09.2022