Halbschatten: Abwesenheitsnotizen

Da hat doch die Schauspielerin Anne Ratte-Polle jüngst in Ludwigsburg beim Festival des deutschen Films endlich einen Preis für Schauspielkunst bekommen. Aus diesem Anlass eine Filmkritik aus dem Archiv: „Halbschatten“ von 2013. Eine Frau folgt ihrem Lover nach Südfrankreich und muss feststellen, dass sie mit den Kids des Typen allein ist. Das Familienoberhaupt lässt sich allerdings nicht blicken.

Merle (Anne Ratte-Polle) ist Ende Dreißig und hat sich mit Romuald eingelassen. Der Verleger lebt eigentlich in Südfrankreich. Als Merle (Wie vereinbart?) dort auftaucht, steht sie vor einem leeren Haus und wartet. Irgendwann kommt der Lieferant und lässt sie hinein, später tauchen auch Romualds Kinder auf: der Halbwüchsige Felix (Leonard Proxauf) und die jüngere Emma (Emma Bading). Merle stößt von Anfang an auf Ablehnung bei den Kindern, die sich selbst versorgen, während der Verlegervater in Paris zu tun hat. Nichts desto trotz wartet sie in dem Haus, dass Romuald auftaucht, doch der lässt auf sich warten.

„Ich wollte sehen, was passiert, wenn Filmaufnahmen, die für gewöhnlich dem Schnitt zum Opfer fallen, ins Zentrum einer Erzählung rücken.“ beschreibt der junge deutsche Regisseur und Autor Nicolas Wackerbarth sein dramatisches Konzept. Das mag theoretisch interessant klingen und kann durchaus zu erhellenden Einsichten auf der Leinwand führen, allerdings weiß „Halbschatten“ in seinen länglichen 80 Minuten kaum zu fesseln.

Vom Schicksal abgeholt werden

Das Drehbuch versagt sich jedem dramaturgischen Fluss und die Kamera beobachtet seine Protagonistin mit enervierender Intensität. Darüber hinaus, kommt es, wie es kommen muss und die scheinbar so eigenständige und selbstbestimmte Frau tappt in die eine oder andere Klischeefalle, die die Story bereithält. Die Autorin, die man eher denkend als schreibend auf dem südfranzösischen Anwesen antrifft, fügt sich weder als Besuch noch als zukünftiger Familienteil in das Leben der Kinder, weiß sich auch im Stadtleben nicht einzufügen und muss sich zu allem Überfluss auch noch den (absehbaren) Avancen des Sohnemanns erwehren, bevor sie endlich selbst einen Entschluss fasst.

Es liegt nicht an den guten Darstellern, dass „Halbschatten“ so zäh den sommerlichen Küstenhang hinab mäandert, sondern an der störrischen Weigerung des Films (und des Regisseurs) etwas zu erzählen. Die Suche nach den vermeintlich bedeutungsschwangeren Leerstellen entpuppt sich als frustrierendes Filmerlebnis.

Das liegt zum großen Teil an der Figur der Protagonistin, denn Merle ist eine Suchende, die allerdings nicht aktiv wird und jeder Entscheidung in ihrem Leben auszuweichen scheint. Stattdessen will sie vom „Schicksal“ abgeholt werden, um ihre eigene Leere zu füllen. Dass Motiv ist schnell erkannt und erzählerisch schnell ausgereizt. Für ein spielfilmlanges Drama ist das, trotz lobenswertem experimentellen Ansatz, zu wenig.

Die deutsche Filmproduktion „Halbschatten“ kann die elegischen und neurotischen Bilder einer Selbstsuche nicht mit Leben füllen und bleibt ganz stille Seeoberfläche, die auf den Regen wartet. Filmische Studien über Einsamkeit gibt es einige, auch sehr gelungene, „Halbschatten“ gehört nicht dazu.

Film-Wertung: 4 out of 10 stars (4 / 10)

Halbschatten
Alternativer Titel: Everyday Objects
Genre: Drama
Länge: 80 Minuten, D, 2013
Regie: Nikolas Wackerbarth
Darsteller:innen: Anne Ratte-Polle, Leonard Proxauf, Emma Barding
FSK: ohne Altersbeschränkung
Vertrieb: Farbfilm, Lighthouse Entertainment
Kinostart: 01.08.2013
DVD-VÖ: 21.04.2014