Ansichten am Donnerstag # 05: Was nutzt mir all die Technik?

Ist doch schön, was CGI (Computer Generated Imagery) so alles kann. Mittels der wunderbaren Digitaltechnik, die uns unbestreitbar einige Filmperlen beschert hat, ist heute beinahe alles möglich. Zumindest bezüglich der Darstellung. Wir werden entführt in undenkbare Welten, mikroskopische Miniaturkosmen, treffen auf Kreaturen, deren Existenz wir eigentlich lieber leugnen würden und erfreuen uns an filmischer Gimmicks. Alles so schön bunt und laut hier.

Das hat seinen Reiz, und in Ausnahmefällen schafft es außergewöhnliche Filmtechnik soweit in den Vordergrund zu rücken, dass sie einen Film trägt. Das Vertrauen darauf, dass die moderne Technik es schon richten wird, ist auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen weit verbreitet. Richtiger wird diese Ansicht dadurch nicht. Nicht alles, was machbar ist, ist sinnvoll. Nicht jedes Problem lässt sich durch Technikeinsatz angemessen beheben. Ja manchmal verschlimmert die Technik das Problem oder verstellt den Blick. Und die Technik ersetzt das Denken nicht, es unterstützt es nur.

Die Geschichte muss funktionieren

Aber zurück zum Film: Es mag altmodisch sein, aber wer Filme macht, sollte etwas darzustellen haben. Das mag ein Sittengemälde sein, ein zufälliges Rendezvous, das Porträt eines Drogensüchtigen, ein Blick in die Zukunft oder was auch immer. In jedem Fall steckt eine Story dahinter, und wenn die nicht gut ist, wird der Film auch nichts.

“Herr der Ringe” funktioniert als Film nicht wegen sondern trotz der Animationstechnik, weil die Story gut ist. “Transformers” funktioniert aus genau dem Grund nicht, weil die Story, die ursprünglich genug Potential aufweist, von Technikspielereien dermaßen in den Hintergrund gedrängt wird, dass kaum etwas übrigbleibt. Das ist aus grafischer Sicht hochinteressant, mich ermüdet es wegen der schnellen Bildfolgen nach kurzer Zeit. Der Spannungsbogen verflacht mit zunehmendem Tempo, und es bleibt nichts übrig.

Der Genrefilm

Daran krankt auch der Genrefilm im Allgemeinen, der Horrorfilm im Besonderen. Viel zu oft sind die Geschichten zu flach, zu dümmlich oder zu kurz gedacht, um wirklich schaurig oder packend zu sein. Die Effekte nutzen sich nach den ersten “HUH!s” auch ab. “Alien vs. Predator” ist schon von der Idee ein Gigantismus, der an Absurdität nicht zu toppen ist. Verwundert es da, wenn in der Fortsetzung eine amerikanische Kleinstadt zum Kollateralschaden degradiert wird? Fesselt mich das vor den Bildschirm oder die Leinwand?

“Wir können auch anders”, um mal einen deutschen Film zu zitieren. “No Country for Old Men” ist ein gutes Beispiel, dass es auch heutzutage keine CGI braucht, um gute Filme zu drehen. Dabei mangelt es nicht an Gewalt oder Spannung, aber diese sind nicht Selbstzweck, sondern Mittel.

Tideland

Auch Terry Gilliam, der Altmeister der fantastischen Bilder legt mit “Tideland” einen Beweis vor, dass es anders geht. Die Story über die Fantasiewelten einer Waise wären geradezu prädestiniert dafür, animiert zu werden. Doch stattdessen sehen wir reale Gestalten, die mit Puppenköpfen reden und müssen uns den Rest selber vorstellen. Animation wäre nicht das richtige Stilmittel für die Aussage des Films. So einfach ist das.

Die Technik als Hilfsmittel nicht als Selbstzweck. Fragen Sie sich also, wenn ihr Toaster den Geist aufgibt, zunächst, ob sie überhaupt noch auf Toast zum Frühstück stehen, bevor sie sich auf das Gerät mit Infrarotfernbedienung kaufen.

Viel Spaß im Kino.

[Ursprünglich veröffentlicht auf cinetrend.de am 03.April 2008]