Australia

„Unerwartete Reisepläne sind die Tanzstunden Gottes“, wusste Bokonon, der von Kurt Vonnegut erfundene Prophet, in „Katzenwiege“. Aktuell ist Urlaubszeit, was liegt da näher, als die Leserschaft mittels Archivanregungen auf cineastische Reisen schicken. Dabei wird es fantastisch, urban, brutal, exotisch und abwegig. In Baz Luhmanns „Australia“, der 2008 in die Kinos kam, wird es episch. Aus dem Archiv: Man kann schon annehmen, dass „Australia“ nicht nur für den Regisseur und gebürtigen Australier Baz Luhrmann eine Herzensangelegenheit ist. Immerhin setzt der Filmmacher seiner Heimat damit ein bildgewaltiges Leinwanddenkmal.

Um die epische Länge von mehr als 160 Minuten auch gehaltvoll füllen zu können, braucht es nicht nur internationale Stars aus Australien wie Nicole Kidman und Hugh Jackman sowie eine grandiose Landschaft, sondern auch ein besonderes Element, das sich wie ein roter Faden durch die Handlung zieht.

In “Australia“ sorgen die Aborigines, die indigenen Ureinwohner des fünften Kontinents, für eine Art „Songline“, um mal Bruce Chatwin, den Reiseschriftsteller, zu zitieren. Die Geschehnisse in der Zeit bevor die Japaner die Stadt Darwin angreifen und Australien damit den Zweiten Weltkrieg bringen, werden von Nullah erzählt, einem jungen Halb-Aborigine, dessen Vater ausgerechnet der machtgierige Neil Fletcher ist, Vorarbeiter auf der Rinderfarm von Lord Ashley. Dieser hofft das Rindermonopol zu brechen und eine Viehzucht aufbauen zu können.

Doch dann wird Lord Ashley ermordet, just als seine Frau Lady Sarah Ashley (Nicole Kidman) von England herübergeschifft kommt, um zu sehen, was ihr Gatte so treibt. Nun hat die Lady eine Rinderfarm am Hals, die kurz vor dem Ruin steht. Einzige Möglichkeit das Anwesen zu retten, ist es, die Rinderherde an die Armee zu verkaufen. Doch dazu muss die Herde quer durch das australische Outback getrieben werden und das Raubein Drover (Hugh Jackman) übernimmt den Job eher unwillig, auch weil ihm erfahrene Viehtreiber fehlen.

Im Laufe der Reise kommen sich die Beiden näher und der Einzelgänger Drover, der ein besonderes Verhältnis zu den Aborigines hat, verliebt sich in die englische Lady…

Das besondere an „Australia“ ist die überbordende Mischung des grandios gefilmten Leinwandspektakels: Viel Western, Krieg, Lovestory und Sozialdrama vermischen sich zu einer Melange, die auf den ersten Eindruck ein wenig überladen wirken mag.

Doch gerade das Schicksal der Aborigines zieht sich als beherrschendes Element durch die Erzählung des Films: Ihnen wurde in dieser Zeit von der Regierung übel mitgespielt, indem man den Müttern ihre Kinder wegnahm und auf Missionsschulen schickte. Dort wurden die Kinder systematisch ihrer Kultur entfremdet. Beispielhaft wird dies durch den jungen Nullah dargestellt. Der Junge ist der Enkel eines zaubermächtigen Medizinmanns, Sohn eines Weißen und wird von Lady Ashley nach dem Tod von Nullahs Mutter wie ein Sohn behandelt. Er versucht der Missionsschule zu entfliehen, und sein Großvater will ihn mit auf die rituelle Wanderschaft nehmen, um Nullah zum Mann zu machen.

Baz Luhrman gelingt es durch diese Rahmenhandlung deutlich mehr zu schaffen, als nur eine weitere Filmschnulze. Tatsächlich schafft es „Australia“ so ganz unterschiedliche Elemente funktionierend unter einen Hut zu bringen. Zugegeben bei einigen Szenen kommen die Wechsel schon recht überraschend und irritierend. Aber will man als Zuschauer nicht mitgenommen werden, auf eine Reise, die auch überraschen kann?

„Australia“ ist großes, epische Kino in jeder Beziehung, und sollte auch auf dem heimischen Bildschirm für ein gelungenes Filmerlebnis sorgen.

Wertung: 7 out of 10 stars (7 / 10)

Australia
OT: Australia
Genre: Drama,
Länge: 164 Minuten, USA/ AUS, 2008
Regie: Baz Luhmann
Darsteller:innen: Nicole Kidman, Shea Adams, Hugh Jackman,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: 20th Century Fox
Kinostart: 25.12.2008
DVD- & BD-VÖ: 23.10.2009