Antonia Brico gilt als erste Frau die klassisches Orchester als Dirigentin geführt hat. Das niederländische Drama „Die Dirigentin“ erzählt ihre Geschichte, nimmt es aber mit der Historie nicht allzu genau. Das verwundert nicht, da Regisseurin Maria Peters eigentlich ihren eigenen biografischen Roman über Antonia Brico verfilmt. Vor allem die Hauptdarstellerin Christianne de Bruijn macht aus der gelegentlich plakativen Erzählung einen unterhaltsamen Film.
In der Mitte der 1920er Jahre hat es die junge holländische Immigrantin Willy (Christianne de Bruijn) nicht leicht, sich in New York durchzuschlagen. Eigentlich will sie Musik studieren, doch die ärmlichen Verhältnisse lassen das nicht zu. Als Platzanweiserin in einem Konzerthaus verliert sie ihren Job, als sie als Angestellte einem Konzert zuhören will.
Ihrer Mutter gehen die Eskapaden und Träume von Willy längst auf den Geist. Als ihre Tochter Geld nach Hause schleppt, obwohl Willy doch ihren Job verloren hat, schwant der Mutter Ehrenrühriges und ein ruinierter Ruf. Kurzerhand wird Willy rausgeschmissen und erfährt bei der Gelegenheit, dass sie adoptiert ist. Ihr Geburtsname ist Antonia Brico.
Antonia kommt bei Robin Jones (Scott Turner Schofield) unter, der ihr nach dem Rausschmiss im Konzerthaus auch den neuen Job als Varieté-Pianistin besorgt hatte. Auch Frank Thompson (Benjamin Wainwright), Sohn aus reichem Haus und renommierter Konzertveranstalter, interessiert sich für die junge, attraktive Immigrantin. Doch bevor die Romanze Fahrt aufnimmt, ist Antonia unterwegs nach Holland, um ihre leibliche Familie zu finden – und um Dirigentin zu werden.
Wendungsreiche junge Jahre
In der klassischen Musik haben es Frauen lange Zeit schwer gehabt, überhaupt anerkannt zu werden. An Jobs in Orchestern war für Musikerinnen nicht zu denken, geschweige denn am Dirigentenpulk. Mit weiblichen Vorgesetzten taten sich Musiker offenbar schwer, eventuell tun es viele auch immer noch. Aber das ist hier nicht das Thema, ebenso wenig wie die am Filmende etwas unmotiviert eingeblendeten Fakten, dass nach aktueller Rangliste einer Fachzeitschrift für klassische Musik weder unter den „besten“ Orchestern der Welt eines von einer Frau geleitet wird, noch, dass sich unter den „besten“ Dirigenten aller Zeiten keine Frau befindet.
Regisseurin und Autorin Maria Peters wurde zu ihrem Roman und zu der Verfilmung durch eine Doku inspiriert. 1974 widmete sich die Filmmacherin Judy Collins den Leben und der Karriere von Antonia Brico in der Doku „Antonia: A Portrait of a Woman“. Die Doku wurde für einen Oscar nominiert und in der Folge feierte Antonia Brico eine Art Comeback und die erfolgreichste Zeit ihrer Karriere. Ein später Karriere-Kick durch Dokus wie dies auch bei „Anvil: Geschichte einer Freundschaft“ und „Seaching for Sugarman“ der Fall war.
Musik liegt in der Luft
Wäre „Die Dirigentin“ erzählerisch anders aufgebaut und hatte andere Schwerpunkte in den Mittelpunkt des Films gerückt, so hätte daraus ein emanzipatorischer Impuls erwachsen können und ein ambitioniertes Beispiel für notwendige und überfällige Gleichberechtigung. So aber verkürzt die Romanverfilmung die Biographie der ersten Dirigentin, die auch renommierte Orchester leitete, bereits mit der Verlegung von Bricos jungen Jahren von Kaliforniern nach New York, wo sie später das Symphonie-Orchester dirigieren sollte. Aber Maria Peters ist auch eine erfahrene Filmproduzentin und wird den Film nach ihren Vorstellungen geformt haben.
Bitte nicht missverstehen: Die filmische Aufbereitung einer außergewöhnlichen Biographie unterhält auch in konventioneller Machart mit romantischen Verwicklungen, familiärem Drama, Zeitkolorit und einer persönlichen Erfolgsgeschichte. Ein großer Verdienst von Antonia Brico war denn auch die Einrichtung eines reinen Frauen-Orchesters, was sicher sehr zu Emanzipation unter klassischen Orchestern beigetragen hat und den Nachweis erbrachte, dass Frauen (selbstverständlich) genauso musikalisch sein können wie Männer.
Einige Ecken und Kanten mehr hätten der Geschichte sicher gutgetan und der realen Antonia Brico vielleicht eher entsprochen. Regisseurin und Erfolgsproduzentin Marie Peters verpackt die außergewöhnliche Karriere der Protagonistin in eine etwas gewollte Romanze und in allzu weichgezeichnete Historische Settings der 1920er und 1930er Jahre. Dennoch entwickelt „Die Dirigentin“ einen eigenen Charme und weiß über weite Strecken gut zu unterhalten.
Film-Wertung: (6 / 10)
Die Dirigentin
OT: De Dirigent
Genre: Biopic, Musik,
Länge: 137 Minuten, NL, 2018
Regie: Maria Peters
Darsteller:innen: Christianne de Bruijn, Benjamin Wainwright, Scott Turner Schofield
FSK: ab 6 Jahren
Vertireb: Studio Hamburg Enterprises
Kinostart: 24.09.2020
DVD-VÖ: 23.04.2021