Ein tiefer Griff ins Archiv befördert eine britische Krimi-Serie ans Tageslicht, die im ungastlichen Nordengland in den 1960ern angesiedelt ist. Kurz vor dem endgültigen Brexit also noch ein Blick auf die Insel. Seinerzeit 2009 ging „George Gently“ als ZDF-Sonntagabend-Krimi mit spielfilmlangen folgen ins Rennen um die Zuschauergunst. Das verspricht für den Krimi Fan normalerweise Qualität. …und Martin Shaw als Inspektor George Gently macht seine Sache gut.
Von Schauspieler Martin Shaw hatte man 2009 hierzulande in der Tat lange nichts gehört besser gesehen. Seit der Zeit der TV-Serie „Die Profis“ (1977 bis 1983) als Shaw das Lockenköpfchen Doyle mimte, ist der Schauspieler aus unserer Wahrnehmung verschwunden. Nun kehrt der vielbeschäftigte Fernseh-Darsteller als Inspektor Gently zurück und setzt damit seine eigene Tradition fort, in TV-Serien Ermittler oder Männer des Gesetzes zu spielen.
Die Spielfilmserie basiert auf Romanvorlagen des Krimi-Autors Alan Hunter und spielt im Nordengland der 1960er Jahre. Die Polizei seinerzeit ist korrupt und Gently hat sich ganz dem Kampf gegen diese Korruption verschrieben. Von London aus tritt er seinen Kollegen seit Jahren auf die Füße. Dann wird seine Frau ermordet und in Northumberland kommt zeitgleich ein Rocker ums Leben. Das wäre nicht weiter interessant, wenn sich nicht Joe Webster, der Halunke der für den Tod Gentlys Frau verantwortlich sein soll, in der Gegend herumtreiben würde.
Gently übernimmt seinen vermeintlich letzten Fall. Vor Ort in der nordenglischen Einöde trifft er auf den jungen, schnöseligen Sergeant Bacchus (Lee Ingleby), der auch noch mit der Tochter seines Chefs verheiratet ist. Der routinierte Londoner Polizist behält Bacchus jedoch im Ermittlungsteam.
Am Ende des Falls ist der alte Polizeichef in Zwangsrente und Bacchus neuer Chef heißt Gently. Der hat als allererstes die Versetzungsgesuche des jungen Beamten abgelehnt und sich in den Kopf gesetzt, aus dem Sergeant einen guten, aufrechten Polizisten zu machen.
Das „Inspektor Gently“ Format hat im Wesentlichen zwei britische Pfunde mit denen es wuchern kann. Zum einen das Setting in den Sixties und in der Provinz, beides verleiht der Polizeigeschehen eine andere Umgebung und der Zeitgeist spielt eine wichtige Rolle in den Fällen. Man kennt das auch aus „Grantchester“ oder “Der junge Inspektor Morse“, Serien, die sich großer Beliebtheit erfreuen. Das liegt natürlich auch daran, dass die ersten Gently Romane Anfang der 1970er entstanden sind.
Für heutige Zuschauer mag es verwunderlich sein, wenn die Figuren noch selbst im Zweiten Weltkrieg gekämpft haben und sich daraus auch der ein oder andere Kriminalfall speist, oder wenn die beginnende Jugendrevolution so gar nicht zu den braven Schlipsträgern passen mag. Man denkt an „Quadrophenia“ der Who und vielleicht an die Kultserie „Life on Mars“, in der die Hauptfigur in den 1970ern landet, aber mit heutigem Wissenstand. Nur in „George Gently“ ist alles authentisch.
Der zweite große Charmfaktor der Filme ist das Verhältnis zwischen Gently und Bacchus. Das hat weniger von typischen Buddy-Konstellationen in Krimis. Und Gently mimt auch nicht den väterlichen Freund, sondern eher den strengen Ziehvater, der eindeutig einen Erziehungsauftrag erfüllen will. Das ruhige, fast meditative Wesen des Inspektors weiß aber um die richtige Dosierung von Zuckerbrot und Peitsche. So bleibt der ambitionierte Sergeant doch trotz hoher Frustration und einer Spur Zynismus doch immer und vor allem Polizist, dem es um die Aufklärung von Verbrechen geht.
Um die Atmosphäre stimmig einzufangen wurde im Wesentlichen in Irland gedreht. Die Kriminalfälle sind nicht sonderlich spektakulär, aber gut konstruiert und inszeniert, wie für Krimis der Zeit üblich. Marin Sheen zählt sicherlich, trotz seiner dramatischen Rolle als Banquo in Roman Polanskis „Macbeth“-Verfilmung (1971) nicht zu den großen Charakterdarstellern seines Faches, aber er gibt dem Inspektor einen Charakter und ein Schmunzeln mit auf den Weg. Für einen sehenswerten TV-Krimi ist das allemal genug und weniger traditionell britisch als man vermuten möchte.
Die drei Spielfilme dieser DVD-Edition („Gently Go Man“, „The Burning Man2, „Bomber’s Moon“) sind der Pilotfilm und die erste Staffel der Serie, die aus nur zwei Folgen besteht. Der Krimifan kann sich noch auf weitere Ermittlungen freuen. Da ist also noch Potential vorhanden und gerade die Beziehung zwischen Bacchus und Gently ist noch lange nicht ausgereizt. Bis ins Jahr 2017 kommt die Krimiserie auf acht Staffeln.
„George Gently“ ist eine sehenswerte Krimireihe, die hält, was BBC und Alan Hunter versprechen. Die Originale sind, wie sollte es anders sein, noch eine Spur charmanter, als die deutsche Synchronfassung. Ich freue mich schon auf die zweite Staffel.
Serien-Wertung: (7,5 / 10)
George Gently – Der Unbestechliche Staffel 1
OT: George Gently
Genre: Krimi, TV-Serie
Länge: 3 x 90 Minuten, GB, 2009
Idee: Peter Flannery
Vorlage: Romanreihe „George Gently“ von Alan Hunter
Regie: Ciaran Donnelly (2x), Euros Lynn
Darsteller: Martin Shaw, Tony Rohr, Lee Ingleby,
FSK: ab 12 Jahren
Vertrieb: Edel Motion
DVD-VÖ: 02.07.2009