Friss den Staub von meinen Stiefeln: Exekution erwartet

Mit dem südafrikanischen (!) Spaghetti Western „Friss den Staub von meinen Stiefeln“ hat Studio Hamburg eine ganz erstaunliche Trash-Perle veröffentlicht. Der Streifen erweist sich als detailgleiche Kopie von Sergio Leones Klassiker „Zwei glorreiche Halunken“, hat seinerzeit in den 1970ern hierzulande keine Jugendfreigabe erhalten und wurde anscheinend irgendwann einmal mehr schlecht als recht restauriert. Auf zu einer staubigen Spurensuche, Stiefellecker.

Das mexikanische Erschießungskommando macht kurzen Prozess und Lucky Gomez (Keith G. van der Wat) steht in Erwartung seines sicheren Todes vor seinem Grab. Doch als Schüsse fallen, hat ein Unbekannter das Exekutionskommando niedergestreckt. Anschließend stellt sich heraus, dass der Fremde, den Lucky nun wegen der geklauten mexikanischen Offiziersmütze „Major“ nennt, die andere Hälfte jener Schatzkarte besitzt, die Lucky aufbewahrt.

Die beiden Desperados machen sich gemeinsam auf den Weg zum Schatz, nicht ohne einander gehörig zu misstrauen. Als Lucky mit der Schatzkarte abhaut, fällt er dem ruchlosen Hawkeye und dessen Bande in die Hände. Zufällig jagen auch diese Gauner den Schatz. Und erneut taucht der Major zu Luckys Rettung auf.

Es brauchte seinerzeit in den 1970ern nicht viel, um einen so genannten Spaghetti Western zu drehen. Ein wüstenhaftes Setting, etwas gleißende Hitze und eine malerische Ruine. Dann vielleicht noch eine Jungfrau in Nöten und die Verlockung des Goldes. Helden waren seinerzeit nicht gefragt und auch mit wenig Aufwand konnten Filmschaffende ihre Charaktere mit schmutzstarren Klamotten und unrasiertem Kinn ausstaffieren. So mögen etliche Filme entstanden sein, die zum Glück des Publikums in den folgenden Jahrzehnten in der Versenkung verschwanden. Nicht so der südafrikanische Western „Three Bulletts … For a Long Gun“, der hier unter dem deutschen Verleihtitel „Friss den Staub von meinen Stiefeln“ vorliegt.

Erstaunlicher Weise handelt es sich um eine DVD Premiere und das Video ist längst vom Markt verschwunden. Auf der DVD ist der Film in zwei Versionen enthalten: einer deutschen und einer englischen Sprachfassung. Zudem gibt es eine Bildgalerie mit Filmbildern in der Machart damaliger Kino-Aussteller. Umso bezeichnender erscheint es da, dass Studio Hamburg nicht in der Lage oder Willens ist, angemessenes Bildmaterial zur Verfügung zu stellen.

Überhaupt gibt es kaum zuverlässige Infos über diese Trash-Perle des Italo-Westerns. Irgendwo im Netz wird kolportiert, ein Clint Eastwood Biograph hätte berichtet, Eastwood höchstselbst wäre zum Dreh nach Südafrika aufgefordert worden, was dem Sohn des Regisseurs Peter Henkel aber nicht bekannt ist. Zudem soll es eine Fortsetzung des Westerns geben, die „Mein Name ist Lucky“ heißt und angeblich der bessere Film sein soll. Aber darüber finden sich auch keine gesicherten Infos.

Wie auch immer: Filmisch kann die Inszenierung ebenso wenig überzeugen wie die ohnehin schon rudimentäre Story. Die Versuche des Kameramanns Dynamik in die Bilder zu bekommen, erstrecken sich in Handkamera-Sequenzen und diverse Close-ups, die ziemlich unmotiviert wirken. Beinahe so, also stünde die Kamera wirklich immer zu dicht am Geschehen. Action und Spannung bringt dieses Stilmittel allerdings nicht, da die zur Schau gestellte Coolness des Antihelden jeder Szenendynamik und jedem Tempo widerspricht. Stattdessen auch noch Slo-Mo-Ballereien.

Insgesamt wirkt „friss den Staub von meinen Füßen“ wie das bierselige Filmprojekt von drei Kumpels. Hauptdarsteller Beau Brummel hat sich die Story ausgedacht, Side-Kick Keith G. Van der Wat sorgt für das Drehbuch und Peter Henkel inszeniert den ganzen Kram. Dafür gab es auch noch obskure Gelder aus Deustchland, weswegen der Film als Euro/Spaghetti-Western gilt und in diversen einschlägigen Foren aufgeführt wird. Anders als „Mein Name ist Lucky“ der „nur“ als südafrikanischer Western gilt.

Die beiden Filmversionen der DVD unterscheiden sich nicht nur in Sprachfassung, sondern auch und vor allem in der Bildqualität. Die deutsche Fassung wurde offensichtlich bearbeitet. Sie wirkt um einiges bunter und schärfer. Allerdings war aus dem Filmmaterial scheinbar keine HD Qualität mehr herauszuholen. Im direkten Vergleich ist die erheblich verblasste englischen Version kaum mehr anzuschauen. Dafür hat sie die realistischeren Sounds aufzubieten. Der deutschsprachige Zuschauer muss sich derweil mit Schlägerei-Sounds à la Bud Spencer herumschlagen, was mit dem „Zack! Puff! Peng!“ nicht eben zur Aufwertung des Western-Abenteuers beiträgt.

Warum der Film seinerzeit keine Jugendfreigabe bekommen hat, lässt sich heute kaum nachvollziehen. Anders als beispielsweise Jodorowskys existentialistischer Western „El Topo“, der seinerzeit auf dem Index landete, hat „Friss den Staub von meinen Stiefeln“ kaum Blut, Gedärme oder Sex „zu bieten“. Bis auf eine angedeutete Vergewaltigungsszene die heutzutage in Arthaus-Dramen passen würde hat jeder Tarantino-Streifen mehr sinnlose und explizite Gewaltexzesse zu bieten.

Eines muss man „Friss den Staub von meinen Stiefeln“ allerdings lassen, endlich kann der Film-Nerd Raimund Harmsdorfs zerquetsche „Seewolf“-Kartoffel mit der Western-Entsprechung einer zerschossenen Erdnuss kontern. So geht das, wenn „ein Mann ohne Nerven abrechnet“.

Film-Wertung 4 out of 10 stars (4 / 10)

Friss den Staub von meinen Stiefeln
OT: Three Bullets … for a Long Gun
Genre: Western,
Länge: 79 Minuten, SA/D, 1971
Regie: Peter Henkel
Darsteller: Beau Brummell, Keith G. van der Wat
FSK: ab 18 Jahren, Keine Jugendfreigabe
Vertrieb: Studio Hamburg
Kinostart: 25.04.1975
DVD-VÖ: 13.12.2019